WM 2014: Bundestorwarttrainer Köpke: „Wir sind stark genug gegen Frankreich zu bestehen“


Manuel Neuer war mit Abstand der beste Spieler im WM-Achtelfinale gegen Algerien und der einzige im DFB-Team, der gegen die Nordafrikaner Normalform erreichen konnte. Vielleicht war es auch die beste Torhüter-Leistung im gesamten Turnier. Bei der Nationalmannschaft wird er von Torwarttrainer Andreas Köpke betreut, der nun im Gespräch mit „DFB.de“ verraten hat, wie seine Zusammenarbeit mit dem Blondschopf funktioniert und war er von seinem Schützling und der gesamten Mannschaft beim morgigen Viertelfinalspiel gegen Frankreich erwartet.

WM 2014: Bundestorwarttrainer Köpke: „Wir sind stark genug gegen Frankreich zu bestehen“
„Neuers-Spiel war sehr beeindruckend“

So zeigt sich der ehemalige Nationalkeeper sichtlich angetan von der Vorstellung des vielleicht weltbesten Keepers. Neuer verkörpert den modernen Torwart, der eine Art Libero spielen kann. Köpke urteilt über die Leistung wie folgt: „Ich muss zunächst einmal tadeln: Wir haben nicht zu Null gespielt, wieder gab es ein Gegentor. Aber Spaß beiseite: Es war sehr beeindruckend, das muss man ganz ehrlich sagen. Gerade weil es kein typisches Torhüter-Spiel war. Manuel hat relativ wenige Bälle halten müssen. Es war mehr das gefragt, was heute auch vom Torhüter erwartet wird: Das Mitspielen, das Antizipieren. Torhüter müssen in der Lage sein, eine Art Libero zu spielen. Das hat Manuel großartig gemacht.“

„Neuer ist fußballerisch einfach sehr stark“

Allerdings weiß Köpke auch, dass starke Reflexe vom Blondschopf gar nicht erfordert worden sind. Vielmehr zeigte er sich im Herauslaufen extrem stark und unterstrich einmal mehr seine fußballerischen Fähigkeiten: „Manuel agiert auch außerhalb des Strafraums mit einer Abgeklärtheit, die man von vielen Torhütern so nicht kennt. Er ist fußballerisch einfach sehr stark. Auch bei schwierigen Rückpässen ist er in der Lage, den Ball mit großer Selbstverständlichkeit zu verarbeiten. Wir er den Ball mit dem Fuß verteilt und Angriffe einleitet, das ist schon sehr, sehr gut.“

„Neuer hat eine sehr gute räumliche Wahrnehmung, kann Geschwindigkeiten und Distanzen sehr gut einschätzen“

Richtig nervös wirkt Manuel Neuer auf dem Spielfeld nicht. Vielmehr scheint er beim Herauslaufen stets das richtige Timing zu besitzen. Einzig der eine oder andere Leichtsinnsfehler hat ihm zuweilen Kritik eingebracht. Beeindruckend ist auch sein Passspiel, denn selbst die schwierigsten Bälle kommen meist beim Mitspieler an, was außergewöhnlich ist: „Eigentlich bin auch ich relativ entspannt. Man hat nie das Gefühl, dass er zu spät kommen könnte. Er hat eine sehr gute räumliche Wahrnehmung, er kann Geschwindigkeiten und Distanzen sehr gut einschätzen. Das Gefühl, das er ausstrahlt, ist, dass er immer weiß, was er tut und nie einen Zweifel bei seinen Entscheidungen hat. Er kommt eigentlich fast immer relativ souverän an den Ball.“



Neuer zeichnet es auch aus, dass er konstruktiv mit seinen Fehlern umgeht, weil er daraus auch die richtigen Schlüsse gezogen hat. In der Vergangenheit hat er nicht immer das richtige Gespür für das Rauslaufen gehabt. Auch in dieser Hinsicht hat er sich im Laufe der letzten Jahre massiv verbessern können: „Das ergibt sich mit seiner Erfahrung fast zwangsläufig. Manuel spielt jetzt sein drittes großes Turnier, mit Bayern spielt er ständig in der Champions League. Er erlebt regelmäßig Druck- und Extremsituation, Szenen, in denen er den Strafraum verlassen muss, um der Mannschaft zu helfen. Er ist dabei wirklich sehr sicher. Damit hilft er auch unserer Abwehr, er gibt seinen Vorderleuten Sicherheit, weil die Spieler genau wissen, dass der Torhüter da ist, wenn mal ein Ball durchkommen sollte.“ Köpke hat verraten, dass es schwierig ist, solche Ausflüge auch tatsächlich trainieren zu können: „ Nur schwer. Man kann in Trainingsspielen auch mal gezielt Bälle in die Tiefe spielen lassen, um den Torhüter zu fordern. Das ergibt sich aber eher aus den Spielsimulationen im Training, in das torwartspezifische Training lässt sich das kaum integrieren.“

Köpke lobt Verhalten der Neuer-Konkurrenten

Bayern Münchens Manuel Neuer ist nicht nur wegen seiner starken Vorstellungen bei der WM unangefochten die Nummer eins im deutschen Tor, zumal er seine Schulterverletzung auch auskurieren konnte. Ein verlässlicher Stellvertreter ist Dortmunds-Roman Weidenfeller, der sich in zahlreichen Champions League-Spielen mit glänzenden Vorstellungen präsentieren konnte. Etwas abgefallen ist ganz gewiss der dritte Torwart Ron-Robert Zieler, der keine überragende Saison bei Hannover 96 erlebt hat und deshalb doch etwas überraschend für die WM vor Gladbachs ter Stegen, Leverkusens Leno oder Freiburgs Baumann nominiert worden ist. Über die Beziehung des Trios kann „Fachmann“ Köpke folgendes berichten: „Es ist sensationell. Roman Weidenfeller präsentiert sich super, er trainiert sehr, sehr gut. Das gilt genauso für Ron. Beide machen es richtig gut, beide lassen sich nie hängen, beide bauen den nötigen Druck auf. Und trotzdem haben die Torhüter untereinander ein sehr gutes Verhältnis und das ist das Entscheidende. Roman hat in den Vorbereitungsspielen sehr souverän agiert. Er hat aber nie den Anspruch formuliert, zu sagen "Manuel ist verletzt, jetzt will ich die WM spielen". Er und auch Ron haben sich in ihre Rollen gefügt und das eigene Ego im Sinne der Mannschaft zurückgestellt. Was wir am wenigsten gebrauchen könnten, wäre ein Torhüter-Streit, und davon sind wir ganz weit entfernt.“

„Die Rollen sind klar verteilt“

Ein vorbildliches Verhalten zeigten Weidenfeller und Zieler, als Neuer mehrere Wochen wegen einer Schulterverletzung ausgefallen ist. Es gab keine Kampfparolen trotz aller Motivation. Dies ist ein klares Indiz für die Charakterstärke der beiden Stellvertreter: „Selbstverständlich ist es nicht. Alle, die hier sind, wollen spielen. Alle haben den Anspruch, der Mannschaft auf dem Platz zu helfen. Und gerade die Torhüter sind es aus den Vereinen gewohnt, die unumstrittene Nummer eins zu sein und immer zu spielen. Es ist dann nicht leicht, sich mit der Rolle dahinter abzufinden. Aber wir haben uns auf Manuel festgelegt, die Rollen sind klar verteilt. Und sie werden akzeptiert.“

Köpke zeigt sich beeindruckt von Neuer-Comeback nach Schulterverletzung

Beim DFB-Pokalfinale Mitte Mai gegen Borussia Dortmund hat sich Neuer diese komplizierte Schulter-Verletzung zugezogen. Es gab nicht wenige Experten, die sich skeptisch präsentierten, was seinen Gesundheitsverlauf und die damit folgende Spielfähigkeit betrifft. Die mehrwöchige Pause hat Neuer jedoch sichtlich gut getan. So scheint es fast schon zu sein, als ob der gebürtige Gelsenkirchener stärker aus der Verletzungspause zurückgekommen ist. Köpke beschreibt den Umgang des DFB mit dieser Verletzung: „Wir haben ihm ganz bewusst die nötige Zeit gegeben. Ursprünglich wollte ich während der drei freien Tage nach dem Trainingslager in Südtirol mit Manuel nach München fahren und dort mit dem Torwarttraining beginnen. Wir haben uns dann dagegen entschieden, weil wir kein Risiko eingehen wollten. Bei einer Schulterverletzung wäre für einen Torhüter schon der geringste Rückschlag problematisch gewesen. Dann hätten wir eine Situation haben können, in der er bei der WM die ersten Spiele ausgefallen wäre. Das war auch der Grund dafür, dass wir uns entschieden haben, ihn in den Vorbereitungsspielen noch nicht zu bringen. Von Manuel wussten wir, dass er nicht viel Spielpraxis benötigt, um wieder sein Niveau zu erreichen. Und wir wussten, dass wir in Brasilien noch genügend Zeit haben würden, ihn im Training wieder auf 100 Prozent zu bringen. Das Turnier hat bisher gezeigt, dass dieses Kalkül aufgegangen ist.“

Spiel gegen Frankreich ist für Köpke eine besondere Partie

Auch für Bundestorwarttrainer Andreas Köpke ist diese Begegnung gegen Frankreich am morgigen Freitag ganz gewiss keine allzu leichte Aufgabe. So hat der Familienvater immerhin zweieinhalb Jahre für den französischen Spitzenklub Olympique Marseille gespielt und deshalb betrachtet er Partien des kommenden Gegners Equipe Tricolore auch ganz besonders, wie er nun gegenüber „DFB.de“ offen zugegeben hat: „ Diese Paarung ist für mich schon speziell, das kann ich nicht leugnen. Ich bekomme hier in Brasilien schon ständig Mails von meinen Freunden aus Frankreich. Alle freuen sich auf das Spiel, alle sind sicher, dass es ein Fest wird. Ich hoffe natürlich, dass wir ins Halbfinale einziehen, schon damit ich auch künftig in Ruhe Urlaub in Südfrankreich machen kann. Aber im Ernst: Ich erwarte ein sehr ausgeglichenes Duell. Die Franzosen haben eigentlich immer gute Spieler gehabt, zuletzt haben sie bei den Turnieren aber nicht als Mannschaft funktioniert und nicht ihre Form gefunden. Bei dieser WM ist das anders. Sie haben es hinbekommen, als Team aufzutreten. Sie sind gut in das Turnier gestartet und haben sehr überzeugend gespielt. Es wird ein Spiel auf Augenhöhe. Aber ich weiß, dass die Franzosen Respekt vor uns haben. Und wir sind stark genug, gegen sie zu bestehen.“

Hugo Lloris spielt nicht spektakulär

Im Tor der französischen Nationalmannschaft steht Tottenhams Hugo Lloris, der sich in seinem Torwartspiel von Neuer deutlich unterscheidet, wie Köpke erkannt hat: „Ich finde ihn sehr gut. Er spielt nicht spektakulär, er ist sehr souverän. Er hat sich sehr gut entwickelt, er spielt in der Premier League - das sagt schon einiges über seine Qualitäten aus. Er ist ein Ruhepol, er macht selten Fehler. Wir müssen schon genau zielen, wenn wir Tore erzielen wollen.“

„Gut zu wissen, dass Neuer da ist, wenn er eingreifen muss“

Gewiss ist es schwierig, das kommende Spiel aus Torwartsicht zu charakterisieren. Köpke versucht dies dennoch, wenn er zu berichten weiß: „Man wird ihn während des Spiels sicherlich auch wieder vor dem Strafraum in Aktion sehen. Das kann immer mal wieder sein, dies ist unserer Spielweise geschuldet. Wir stehen relativ hoch. Da ist es klar, dass der Torhüter mitunter gefordert wird, wenn Bälle in die Tiefe gespielt werden. Aber ich gehe nicht davon aus, dass er wieder ähnlich häufig außerhalb des Strafraums eingreifen muss wie im Spiel gegen Algerien. Er wird schon auch in den klassischen Torhüter-Disziplinen gefragt sein.“ Köpke hofft dennoch, dass Neuer in dieser Partie nicht eingreifen muss, weiß aber dennoch, dass auf ihn dennoch starker Verlass sein wird: „Richtig, das wäre der Idealfall. Aber es ist gut zu wissen, dass er da ist, wenn er eingreifen muss.“

Quelle: dfb.de
Autor: Henning Klefisch
Schlagworte: WM 2014, Deutschland, Frankreich, Neuer, Köpke,Weidenfeller, Zieler
Datum: 03.07.2014 12:35 Uhr
Url: http://www.3-liga.com/news-fussball-wm-2014--bundestorwarttrainer-koepke--%84wir-sind-stark-genug-gegen-frankreich-zu-bestehen%93-13809.html
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