Wie explodiert die Niederlande? Auf oder außerhalb des Platzes?

Viele sehen nur einen Zweikampf zwischen Deutschland und Spanien, wenn es um den EM-Titel 2012 geht. Viele verkennen jedoch auch, dass es noch eine Handvoll anderer Teams gibt, die sportlich unbestritten die Qualität mitbringen, um sich berechtigte Hoffnungen auf die Krone Europas zu machen. Mit unserem Nachbar Niederlande gibt es eine Mannschaft, die als die offensivstärkste in ganz Europa gilt.

Das Reservoir an individuell starken Einzelspielern ist bei der Elftal scheinbar unerschöpflich. Wenn der Kader des Vizeweltmeisters 2010 sich genauer vergegenwärtigt wird, dann wird deutlich, dass sich das deutsche Team am kommenden Mittwoch auf eine geballte Offensive freuen darf. Trotzdem darf auch die mentale Komponente nicht verachtet werden, denn menschlich herrscht gewiss nicht „Friede, Freude, Eierkuchen“ im Team von Bondscoach Bert van Marwijk.

Unzählige Konfliktpunkte lassen den ersten Titelgewinn seit 24 Jahren zu einem Wagnis werden. Da ist zum einen die Geschichte um Arjen Robben, der nach seinem Fehlschuss im Champions-League-Finale gegen Chelsea London von den Bayern-Fans seither mächtig Kritik einstecken muss. Das Freundschaftsspiel zwischen dem FC Bayern München und der niederländischen Nationalmannschaft mutierte zu einem absoluten Spießrutenlauf für den kahlgeschorenen Flügelspieler, der bei nahezu jedem Ballkontakt von den FCB-Fans gnadenlos ausgepfiffen wurde.
Immerhin nutzte er die Zeit bei „Oranje“ als eine Art Therapie, denn gegenüber der „dpa“ erklärte er: „Die Unterstützung, auch von den niederländischen Fans, hat mir sehr gut getan. Auch dass sich unser Kapitän Mark van Bommel nach dem Spiel in München so klar geäußert hat, hat mir viel bedeutet.“
Immerhin erhält Robben vom niederländischen Trainer das volle Vertrauen. Der häufig verletzungsanfällige Supertechniker wird die offensive Außenposition bei der Elftal besetzen.

Ein anderes Konfliktpotential hingegen gibt es bei der Besetzung der wenigen Offensivpositionen. Während die Defensive als Schwachpunkt gilt, ist der Angriff der absolute Trumpf. Die drei europäischen Topstars wie Tottenham-Spieler Rafael van der Vaart, der neue Fenerbahce-Stürmer Dirk Kuyt und vor allem Bundesliga-Torschützenkönig Klaas-Jan Huntelaar müssen höchstwahrscheinlich zu Spielbeginn auf der Bank Platz nehmen. Als gesetzt gelten unweigerlich Robben und Spielmacher Wesley Snejder. Nun ist die klare Frage, wer die linke, offensive Außenposition besetzen wird. Derzeit scheint Barca-Star Ibrahim Affelay dafür die besten Chancen zu haben. Beim glanzvollen 6:0 Erfolg der Niederländer gegen allerdings auch bemitleidenswerte Nordiren brillierte der technisch starke Affelay mit zwei Treffern und einer formidablen Leistung.

Im Gespräch mit dem „kicker“ wirkte der Bondscoach ein wenig genervt. So stellte er die provokative Frage: „Wo hat van der Vaart bei Tottenham zuletzt gespielt?“ Um sich selbst die Antwort zu geben: „Auf dem rechten Flügel. In Holland fragen alle, warum spielt einer da und nicht da, in England wird es einfach gemacht.“

Auch auf der internationalen Pressekonferenz demonstriert der ehemalige BVB-Trainer große Gelassenheit, wenn er sagt: „Wir sind auf Dänemark vorbereitet. Es wird ein großes Turnier, und der Auftakt ist das wichtigste Spiel der letzten sechs Monate.“

Es wird mächtig spekuliert bei den niederländischen Kollegen. So wird immer wieder einmal gemunkelt, ob nicht vielleicht sogar Rafael van der Vaart die Position im defensiven Mittelfeld einnehmen sollte. So wurde es zumindest in der Vorbereitung schon geprobt. Die beiden bisherigen Platzhalter Nigel de Jong und Mark van Bommel gelten nicht gerade als die Kreativsten ihrer Art.

Eine neue Hiobsbotschaft hat hingegen unseren wahrscheinlich schwersten Gruppengegner sehr schwer getroffen. So wird der Bondscoach in der Viererkette auf Joris Mathijsen verzichten müssen, der sich mit einer Oberschenkelzerrung herumplagt. Vieles deutet darauf hin, dass er den Abwehrspieler noch vor Turnierstart in die Heimat zurückschicken muss. So erklärte van Marwijk gegenüber „Sport1“: „Er hat gute Fortschritte gemacht, aber nicht so, dass er ein Spiel durchhalten kann. Bei Muskelverletzungen weiß man nie“, erklärte der 60-Jährige vielsagend.

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