Wie der SV Alsenborn an das Tor zur Bundesliga klopfte


Etwa zehn Kilometer vor den Toren Kaiserslauterns liegt der 3.000-Seelen-Ort Alsenborn, der besonders durch seinen Fußballverein SV Alsenborn für bundesweite Schlagzeilen in den 60er und 70er Jahren sorgte. Noch heute können sich TV-Größen wie Harald Schmidt und Günther Jauch an diesen besonderen Klub erinnern. Auch wenn diese Erfolge schon mehr als 40 Jahre lang zurückliegen, so sind sie für Fußballinteressierte nicht vergessen. Grund dafür ist der Niedergang des kriselnden Dorfvereins aus Hoffenheim. 3-liga.com-Reporter Henning Klefisch hat sich auf die Fußspuren der Vergangenheit in der pfälzische Fußballprovinz begeben, um aufzuzeigen, dass Auf- und Abstieg des gegenwärtigen Bezirksligisten eine bisherige Sonderstellung in der deutschen Fußballwelt aufweist.

Zwischen 1968 und 1970 drei Bundesliga-Aufstiegsrunden in Folge
Eine kleine Landstraße führt von der A63 Richtung Kaiserslautern in diesen verschlafen wirkenden Ort, der alle Strukturen eines Dorfes beinhaltet, die man sich vorstellen kann. Doch der erste Eindruck trügt gewaltig, denn dieser Ort hat durch seinen Fußballverein eine bundesweite Bekanntheit erlangt, die besonders die Fußballfans älterer Semester in Erinnerung geblieben ist. „Das Wunder des Dorfvereins“ ist vielen sicherlich noch ein Begriff. Auch wenn dies heutzutage nur schwer vorstellbar erscheint, doch von 1968 bis 1970 konnte der kleine Verein dreimal in Serie an der Aufstiegsrunde zur Bundesliga teilnehmen. 1969 „klopfte“ der SVA besonders heftig an das Tor zur Bundesliga. Letztlich fehlte jedoch in der Aufstiegsrunde gegen Mannschaften wie Rot-Weiß Oberhausen, Hertha Zehlendorf, VfB Lübeck und dem Freiburger FC nur ein magerer Punkt für die Erstklassigkeit.

Bestechungsvorwürfe an Alsenborner-Spielern
Erfolge wecken bekanntlich Begehrlichkeiten. Auch bei Kriminellen, die sich im Juni 1968 zwei Spieler beim SV Alsenborn ausgesucht haben, um diese mit großen Geldsummen zu bestechen. So wurde dem 21-jährigen Südwest-Torschützenkönig Jürgen Schieck durch den Göttinger FC 05 angeboten, dass er 10.000 Mark bekommen sollte, falls er absichtlich schlecht spielt und seine Schussstärke nicht einsetzt. Schieck selbst hat einmal gegenüber der Rheinpfalz verraten: „Vor dem Auftaktspiel in Göttingen erhielt ich freitags ein Telegramm ins Hotelzimmer, dessen Inhalt eindeutig war.“ Und er offenbart den Wortlaut an den armen Studenten: „Bieten 10.000 Mark bei Schoneinsatz.“
Sein Mannschaftskollege Manfred Krei hat als Torwart sogar ein noch lukrativeres Angebot über 20.000 DM erhalten, wenn er nicht seine maximale Leistungsfähigkeit demonstrieren würde. In der Aufstiegsrunde hat er auffällig schwach gehalten, weshalb einige unbekannte Mannschaftskameraden gegenüber den Medienvertretern verlauten ließen: „Mit einem anderen Schlussmann wären wir anstatt Hertha BSC in die Bundesliga aufgestiegen.“ Sein unmittelbarer Vorgänger Willi Hölz erklärte zu dieser Thematik in der Rheinpfalz anno 1968: „Er hat zumindest sehr unglücklich gehalten – mehr will ich dazu nicht sagen.“

DFB-Sportgericht verhindert Zweitliga-Aufstieg 1974
Einige Jahre später im Jahr 1974 sahen sich die Alsenborner nach ihrer Meisterschaft in der Regionalliga Südwest schon in der neu eingeführten eingleisigen zweiten Bundesliga. Der Südwest-Zulassungsausschuss hatte zunächst den SV Alsenborn anstelle des Bundesliga-Gründungsmitglieds aus Saarbrücken nominiert. Allerdings erhoben die Saarländer Einspruch und erhielten vor dem DFB-Sportgericht Recht. Begründet wurde dieser Lizenzentzug mit technischen Unzulänglichkeiten der Platzanlage und der wirtschaftlichen Unsicherheit. Es war jedoch ein offenes Geheimnis, dass der Verein aus dem Saarbrücker Ludwigspark eine bessere Lobby beim Deutschen-Fußball-Bund besaß und beim DFB-Präsident Neuberger viele Sympathien genoss. Ein Dorfverein passte nicht in die damaligen Vorstellungen des Verbandes. Dies erklärt auch der Abteilungsleiter Ralf Bernhard, wenn er sagt: „Viele sind sich einig, dass ein Aufstieg vom DFB nicht gewollt gewesen ist. Die haben keinen Bock drauf gehabt. Ihnen war sicherlich mehr denn Recht, dass es letztlich nie gelangt hat. Sie haben alle Mittel eingesetzt, damit es nicht funktioniert hat.“ Für Bernhard scheint hingegen realistisch auch klar zu sein: „Die Bundesliga hätte funktioniert. Die 2. Bundesliga wäre absolut tödlich gewesen, weil die Zuschauer das Unterhaus nicht angenommen hätten.“ Der Umzug nach Ludwigshafen ermöglichte bis zu 65.000 Besucher bei den Aufstiegsspielen.

Andere Spielphilosophie als der 1. FC Kaiserslautern
Fußballerisch wären die Kicker aus der Pfalz auch für die deutsche Eliteliga eine echte Bereicherung gewesen. Besonders Spieler wie Lorenz Horr, Frank Schmitt oder Jürgen Schieck sorgten mit ihrem attraktiven Offensivfußball für bundesweite Beliebtheit. Die schnelle, technisch gut bewanderte Mannschaft aus Alsenborn konnte Ende der 60er bis Mitte der 70er Jahre einen Spielstil pflegen, der in großer Konkurrenz zum spielerisch eher biederen Lokalrivalen 1. FC Kaiserslautern gestanden hat, der mehr über den Kampf zum Spiel gefunden hat. Der Oberfan Günter Wicke, der seit den 50er Jahren zahlreiche Spiele des SVA intensiv verfolgte und mehrere Bücher mit Devotionalien zusammengestellt hat, erinnert sich noch sehr gut an die signifikante Spielweise seines Teams: „Diese Spieler waren ein Segen für den Fußball durch ihre Begabung. Es waren technisch gute Spieler. Die Spielphilosophie hat eine besonders wichtige Rolle gespielt. Lorenz Horr war der überragende Kicker in unseren Reihen und erzielte viele wichtige Treffer für uns.“
Das Stadion an der Kinderlehre war mit bis zu 3000 Fans meistens ausverkauft, denn nicht nur fast alle Dorfbewohner, sondern auch die Fußballfans aus der Umgebung erquickten sich am erfrischenden Spielstil der „local heroes.“ Natürlich muss nachgefragt werden, wie ein ursprünglich gewöhnlicher Dorfverein mit fehlendem strukturellen Anschluss zu einer Großstadt solch eine leistungsstarke Mannschaft zusammenstellen kann.

Horrs-Rekordwechsel zu Hertha
Eine Antwort kann sicherlich mit der Person des Bauunternehmers Hannes Ruth begründet werden. Viel Herzblut und Zeit investierte Ruth in seinen geliebten Verein. Viel Geld war für die Spieler jedoch nicht unbedingt. übrig. Das Sportliche besaß eindeutig Priorität. Kameradschaft und das ehrenamtliche Arbeiten waren Elemente, die Nährstoff für den sportlichen Erfolg gewesen sind. Besonders Talente erhielten eine exorbitante Bedeutung, wie dies zwar von vielen Vereinen stets propagiert, aber nicht in so gravierender Weise damals umgesetzt wurde. Auch die geschickte Transferpolitik mit Spielerverkäufen, wie die eines Lorenz Horr, der im Jahr 1969 für damals unvorstellbare 336.000 DM zu Hertha BSC gewechselt war. Bis dato bedeutete dies der teuerste Transfer im deutschen Fußball. Was vielleicht in Alsenborn noch viel mehr bewegt hat, war die Tatsache, dass der große Fritz Walter seit Anfang der 60er Jahre den Dorfverein unentgeltlich unterstützte.

Amateurhafte Bezahlung im Vergleich zur Aufstiegskonkurrenz
Der Erfolg unter dem Kapitän der deutschen 54er-Weltmeistermannschaft war enorm, denn im Verbund mit seinem ehemaligen Mannschaftskameraden beim 1. FC Kaiserslautern, dem Mäzen Hannes Ruth, war er es, der als sportlicher Leiter, das mit Talenten aus der Region gespickte Team zwischen 1962 und 1965 bis in die Regionalliga Südwest führen konnte. Diese mit reichlich Talent gesegnete Mannschaft wurde mit der richtigen Führung regelrecht wachgeküsst. Noch heute schwärmen Alsenborns-Verantwortliche von den Fähigkeiten des Fritz Walter, der mit seiner herzensguten und liebenswerten Art eine große Wertschätzung im Verein genossen hat. So erklärt etwa mit Rainer Bossle, der erste Vorsitzende des Vereins: „Er war ein Segen für den ganzen Verein. Er war richtig menschlich und immer hilfsbereit. Er ging mit jedem völlig normal um und stellte sich völlig bodenständig vor: „Ich bin der Fritz.“ Er war einer von uns. Ohne jede Starallüren war er häufig in seiner Stammkneipe im Dorf anzutreffen, wo er mit den Fans und Bewohnern sehr herzlich umgegangen ist.“ Kameradschaft und Hilfsbereitschaft war beim „alten Fritz“ eine echte Tugend, denn nicht selten kam es vor, dass der populäre Weltmeister Essen für seine Kicker bezahlte. Sein Lieblingsgetränk in der Gaststätte war Sekt, wie die ehemalige Vereinsvorsitzende Hilde Kruzkurt ausplauderte.

Fritz Walter identifizierte sich mit Alsenborn
Auch die Identifikation mit dem kleinen, aufstrebenden Verein war enorm. So ließ es sich der in Alsenborn lebende Walter nicht nehmen, dass er auch bei den zwei Trainingseinheiten pro Woche live vor Ort war, um die sportliche Leistungsfähigkeit der Hoffnungsträger zu erleben. Die Trainingsintensität stellte sich durchaus als ein echtes Problem dar, da die Aufstiegskonkurrenz häufig doppelt so viel trainierte. Vertragsspieler in Mainz oder Saarbrücken erhielten ein Vielfaches von den Summen, die in Alsenborn an die Halbprofis gezahlt werden konnten. So wird kolpoltiert, dass die SVA-Kicker ein Monatssälar von 180 DM plus Erfolgsprämien erhalten haben. Insgesamt gab es dadurch ein Verdienst von etwas mehr als 500 DM durch den Fußball.

Renders Tod sorgt für Spieler-Exodus
Fritz Walter übte die Tätigkeit als sportlicher Berater im Verbund mit seinem ehemaligen FCK-Spieler Otto Render aus, der zuerst als Spielertrainer tätig gewesen war, bevor er sich ab 1965 komplett dem Trainerjob widmete und den im Jahr 1919 gegründeten Verein zu einer der spannendsten Mannschaften der Regionalliga formte. Diese Mannschaft besaß in der Aufstellung eine großartige Perspektive. Allerdings wurde der „Architekt“ dieses großartigen „Bauwerks“ am 18. April 1969 jäh aus dem Leben gerissen, als er bei einem Autounfall ums Leben kam. Nur wenige Wochen später, aber auch ein Jahr danach, konnte sich das Sensationsteam aus dem Pfälzer Wald dennoch für die Aufstiegsrunde zur Bundesliga qualifizieren. Ein Zeichen für die beeindruckende Moral dieser Mannschaft, die mit ihrem Auftreten und ihrer Spielweise bundesweite Sympathien erhalten hat. Danach wurde das perspektivreiche Team durch den Verkauf von insgesamt 31 Spielern auseinandergerissen und es gab einen Absturz, der bis in die Bezirksklasse geführt hat. Der Verein darf jedoch nicht nur auf die Zeit Ende der 60er Jahre reduziert werden, da auch solch illustre Spielerpersönlichkeiten wie Walter Frosch und auch der heutige Leverkusener-Bundesligaspieler und tschechische Nationalspieler Michal Kadlec für den SV Alsenborn einmal ihre Fußballschuhe geschnürt haben. Auch im gegenwärtigen unscheinbaren Amateurfußball ist der Name definitiv ein Begriff, wie Bernhard deutlich macht: „Respekt und Anerkennung ist definitiv gegeben. Auch auf der Homepage des TuS Neuendorf wird dies deutlich, wenn gesagt wird: „Das war ein toller Gegner gewesen, das war ein Klasseteam. Zum Glück war es noch nicht so wie bei Hoffenheim mit dem Fokus aufs Geld. Vielmehr wird unsere Talentschmiede und unser toller Fußball aus unserer sportlich besten Zeit ausdrücklich gelobt.

Stadion an der Kinderlehre als Ort für Nostalgiker
In der siebthöchsten Spielklasse belegen „Walters-Erben“ derzeit den dritten Tabellenplatz. Trotz der so glorreichen Vergangenheit wurden jedoch von den ehemaligen Vereinsbossen „große Fehler“ begangen. Dies macht auch der 1. Vorsitzende Bossle deutlich, der erklärt: „Es wurden keine Investitionen in die Bausubstanz getätigt. Rücklagen gab es keine. Die Investitionen und Renovierungen mussten wir selbst finanzieren. Es mussten von uns 300.000 Euro für Heizung, Fassaden und Flutlicht aufgebracht werden. Für einen unterklassigen Verein ist solch eine Anlage zu groß. Immerhin müssen die Kosten auch gedeckt werden. Es gibt viele Lasten zu decken.“ Ein Indiz für den starken Zusammenhalt im Verein ist die Renovierung der sanitären Anlagen durch mehrere Vereinsmitglieder gewesen. Beim Rundgang durch die Sportanlage wird jedoch schnell deutlich, dass der „Zahn der Zeit“ auch im schönen, aber alten Stadion nagt. Besonders, die seit 1967 existierende Haupttribüne ist ein beachtliches Bauwerk, welches bei Nostalgikern Erinnerungsgefühle an die einst glorreiche Vergangenheit hervorruft.

SVA-Vereinsboss Bossle: „Bundesliga-Aufstieg wird ein Märchen bleiben.“
Für Bossle ist eine neue Erfolgsgeschichte aber höchst unwahrscheinlich, wie er gegenüber Rund-Magazin deutlich macht: „Sicherlich wäre es sehr wünschenswert. Allerdings wird dies ein Märchen bleiben. Das Buch ist zu. Es klafft eine gewaltige Lücke zwischen Wunsch und Realität.“
Auf die Frage des 3-liga.com-Reporters Henning Klefisch machte das Vereinsmitglied Gernot Reschke deutlich: „Unser Verein ist absolut nicht mit der TSG 1899 Hoffenheim vergleichbar. Dort steht das Geld im Vordergrund, während bei uns der Idealismus Priorität besitzt.“
Besonders beeindruckend ist auch die Gastfreundschaft und Herzlichkeit, die Alsenborns-Vereinsverantwortliche im Gespräch vor Ort zeigen. Eine Eigenschaft, die sie wahrscheinlich von Fritz Walter übernommen haben.

Quelle: Privat
Autor: Henning Klefisch
Schlagworte: SV Alsenborn; Bundesliga; DFB; Hoffenheim; 1. FC Kaiserslautern
Datum: 19.04.2013 20:24 Uhr
Url: http://www.3-liga.com/news-fussball-wie-der-sv-alsenborn-an-das-tor-zur-bundesliga-klopfte-5066.html


Kommentare

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Kommentar von Theo Coenen (07.05.2014 10:06 Uhr)
Hallo wunderbarer Artikel über einen
tollen Verein, da kommt Wehmut auf
Können sie mir die Adresse mitteilen
würde gerne Kontakt zu Ihm aufnehmen
mit freundlichen Grüßen
Theo Coenen


Kommentar von Niels (07.05.2014 10:11 Uhr)
Sportverein 1919 Alsenborn e.V.
Kinderlehre 1
67677 Enkenbach-Alsenborn


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