Toni Polster und der Ernst des Lebens


Von Henning Klefisch

Schweiß tropft mir von meiner Stirn. Meine Hände sind feucht und ich verlange innerlich nach Schatten, als ich mich zum Treffen mit dem ehemaligen Weltklassestürmer und derzeitigen österreichischen Bundesliga-Trainer aufmache. Mit schnellem Schritt gehe ich über den saftig grünen Trainingsplatz von Admira Wacker Mödling und vernehme ein wohlbekanntes Lachen, was ich von meinen Kindheitstagen aus dem Fernsehen her noch kenne. Es gehört dem vielfach talentierten Toni Polster, der schon als ehemaliger Weltklassestürmer, Manager, Moderator und Sänger für Furore sorgte und nun mit knapp fünfzig Jahren seine Premiere als österreichischer Bundesliga-Trainer beim gehandelten Abstiegskandidaten Admira Wacker Mödling erleben darf. Zum ersten Mal erlebe ich diesen vielseitig Begabten hautnah und spüre, wie ernsthaft der einstige Spaßvogel doch geworden ist.

Toni Polster und der Ernst des Lebens
Bild: dfb.de
Erfolgreich als Fußballer und Sänger

Toni Polster sitzt mit ein paar österreichischen Journalistenkollegen im Schatten auf einer Bank vor dem Vereinslokal und unterhält sich über die neuesten Entwicklungen im Fußballsport. Als ich, der Rund-Reporter, aus dem großen Nachbarland Deutschland, mich zu ihm geselle, strahlt der ehemalige Stürmer. Mit einem kräftigen Händedruck begrüßt er mich. Das liegt sicherlich nicht nur an der mitgebrachten Kiste Kölsch, die ich ihm aus seiner früheren Wahlheimat mit in die österreichische Provinz bringe. Hier bei diesem Underdog aus der österreichischen Bundesliga wirkt alles ruhiger, kleiner und entspannter als in Deutschland. Im Hintergrund thront die Trenkwalder-Arena, die mit 12.000 Plätzen die Größe eines deutschen Regionalligastadions aufweist. Die wenigen Fans lauschen der interessanten Unterhaltung. Ständig wird Polster beim Interview gestört, weil er Leute grüßen muss. Auch der ehemalige österreichische Nationalkeeper Hubert Baumgartner gesellt sich dazu und hört andächtig zu. Die Pressegespräche laufen in entspannter Atmosphäre ab. Es wird viel gelacht, aber auch Klartext gesprochen. Man sieht dem ehemalige Toni „Doppelpack“ Polster an, dass er zukünftig als seriöser Fußballtrainer wahrgenommen werden möchte. Das war beileibe nicht immer so. Noch 2007 hat er als Sänger große Erfolge erzielen können. Mit dem Album „12 Meistertitel“ konnte er innerhalb von kurzer Zeit Doppelgold und Platin gewinnen. Auch das Nachfolgealbum „Die Dritte“ konnte mehrfach prämiert werden. Dennoch war seine Motivation immer offensichtlich, dass er auf die große Fußballbühne eines Tages zurückkehrt. Er hat sich nun mit Erfolgen beim Amateurverein Wiener Viktoria für die Aufgabe in Mödling qualifizieren können. Auch wenn der Saisonauftakt mit zwei Niederlagen nach zwei Begegnungen nicht unbedingt erfolgreich gewesen ist, so zeigt er sich durchaus optimistisch, dass der Erfolg alsbald einkehren wird. In seiner aktiven Karriere hat er zahlreiche Ehrungen in Empfang nehmen dürfen. Er war und ist ein Idol in der Alpenrepublik. Nun kann er für diese glorreiche Zeit allerdings keine Bundesligapunkte, denn er muss mit Leistung und Ergebnissen überzeugen. In der 10er-Liga mit einem Absteiger den Klassenerhalt zu schaffen ist das erklärte Ziel des achtfachen österreichischen Meisters und fünffachen Pokalsiegers.

Gründe für polarisierenden Wechsel von Köln nach Mönchengladbach

Polster kann mit diesem Erfolgsdruck umgehen. Mit klarem Blick und deutlicher Rhetorik nennt er seine Spielidee und verrät, wie er diese in die Tat umsetzen möchte. Wenn er seine interessanten Antworten gibt, schaut er dem Gesprächspartner direkt in die Augen. Häufig versucht er die kompliziertesten Themen mit einem kleinen Witz zu versehen, um für eine angenehme Gesprächsatmosphäre zu sorgen. Braungebrannt ist er, zufrieden wirkt er, wenn er sich über seine Leidenschaft, den Fußball, unterhalten darf. Seine Haare sind grau geworden. Dies hat sich schon in der Endphase seiner Bundesliga-Karriere angedeutet, als er mit Mitte 30 bei Borussia Mönchengladbach seine Karriere in der 2. Bundesliga so langsam ausklingen ließ. Bekannt ist er in Fußball-Deutschland vor allem auch wegen seiner fünfjährigen aktiven Zeit als Fußballer beim 1. FC Köln, wo er zwischen 1993 und 1998 stolze 79 Tore in 170 Ligaspielen erzielen konnte und zum absoluten Publikumsliebling mutierte. Umso erstaunlicher war für viele FC-Fans sicherlich auch der Weggang des Kölner Idols zum ungeliebten Erzrivalen Borussia Mönchengladbach. Viel ist über diesen ungewöhnlichen Schritt spekuliert worden. Polster möchte Klarheit schaffen und erklärt: „Es war eine Zukunftsentscheidung. Der FC hat zu mir immer gesagt. Sie wollen mich nach der Karriere im Klub behalten. Als es dann soweit gewesen ist, dass wir abgestiegen sind, konnte man sich im Verein daran nicht mehr erinnern. Ich hatte noch einen Vertrag. Wenn der FC gesagt hätte, dass ich bleiben muss, wäre ich geblieben.“

Kölner-Legendenstatus durch Tore gegen den Abstieg

Seine tiefe Verbundenheit zum Domstadtklub wird an diesen Worten deutlich. Mit Bedacht wählt er seine Worte aus. Die Enttäuschung in seiner Stimme schwingt mit, denn insgeheim hat er sich tatsächlich Hoffnungen auf eine Laufbahn beim 1. FC Köln nach seiner Spielerzeit gemacht. Für Polster war der FC „ein ganz besonderer Verein.“ Keine Phrasendrescherei, sondern seltene wahre Worte in der Zeit der Söldnermentalität. Über eine lange Zeitraum hat der langjährige Kapitän der österreichischen Nationalmannschaft mit seinen Treffern den FC vor dem Abstieg bewahren können und sich einen Legendenstatus bei den treuen FC-Fans erarbeiten können. In Mönchengladbach konnte er nicht mehr an seine vorherigen Leistungen anknüpfen und beendete 2000 seine Karriere, um im Management des Vereins erste berufliche Erfahrungen abseits des Rasens sammeln zu können.

Der heimatverbundene Legionär

Toni Polster gilt als extrem heimatverbunden, denn er ist aufgewachsen im Arbeiterbezirk von Wien unter mehreren Kindern in einer Arbeiterfamilie. Zwei Kinder hat er mit seiner Ex-Frau Elisabeth. Sein „Wiener Schmäh“ und sein Fleiß haben ihn zu diesem besonderen Spieler und Menschen geformt, der ihn zu einem der populärsten Österreicher der vergangenen 30 Jahre werden ließ. So ist von ihm auch folgendes Zitat bekannt: „Ein Denkmal will ich nicht sein, darauf scheißen ja nur die Tauben." Stets hat er zuverlässig seine Tore in den drei europäischen Top-Ligen in Italien, Spanien und Deutschland auch für weniger bekannte Vereine erzielt. Stolze 13 Jahre war er als Legionär auf Wanderschaft und konnte besonders auf seinen Stationen in Sevilla und Köln mit zahlreichen Treffern sich einen gewissen Kult-Status erarbeiten. Dennoch wusste er stets, wo er herkommt und wo er hingehört. Über seine persönliche Bedeutung von Heimat weiß er zu berichten: „Heimat bedeutet für mich das, wo meine Eltern heute wohnen. Das ist das, was ich extrem unter Heimat verbinde, wenn meine Eltern älter werden und ich mich um sie kümmern muss.“

„Ich halte mich für nichts Besseres“

Zweifelsfrei hat ihn seine Bodenständigkeit zu einem äußerst beliebten Menschen vor allem in Köln verholfen. Selten war die Beziehung zwischen einem Spieler und den Fans so stark ausgeprägt, wie im Fall von Toni Polster. Die Kölner-Fans liegen ihm sehr am Herzen. Deshalb ist er auch als Ehrenmitglied beim Detmolder FC-Fanklub die „Cherusker Böcke“ beigetreten. Ein klares Indiz, dass Polster das genaue Gegenteil eines Söldners gewesen ist.
Ein weiterer Grund für seine extreme Beliebtheit könnte auch sein Präsidentenamt beim Kölner-Kreisligisten Weiden gewesen sein, wodurch die Identifikation noch einmal merklich gesteigert werden konnte. Seine Wertvorstellung beschreibt Polster wie folgt: „Wenn ich nicht zufällig als Fußballer unten auf dem Platz stehen würde, würde ich selbstverständlich auch unter den Fans stehen. Ich halte mich für nichts Besseres. Sonst wird es auf Dauer auch anstrengend. Ich habe A gesagt, dann muss ich auch B sagen. Ich habe vor jedem Menschen Respekt.“ In Polsters aktiver Karriere durften die Spieler bekanntlich noch Schmuck auf dem Spielfeld tragen. Als ein Markenzeichen galt seine Kette mit dem Kreuz als Anhang. Ein Beweis für seinen Glauben, dessen persönliche Bedeutung er wie folgt beimisst: „Mir persönlich ist der Glaube schon wichtig. Ich glaube, dass es etwas gibt, was auf uns aufpasst und was uns auch leitet, deshalb ist es mir schon sehr wichtig.“

Größter Erfolg ist seine Menschlichkeit

Der Glaube an sich selbst war stets ausgeprägt gewesen, denn er war kein Filigrantechniker. Er musste sich schon in den Jugendmannschaften in Wien alles hart erarbeiten. Mit Toren konnte er die Kritiker mundtot machen, die ihm zu wenig Laufeinsatz vorgeworfen haben. Sicherlich gab es deutlich laufstärkere Spieler als den „Alpen-Bomber“ doch Fußball ist bekanntlich ein Ergebnissport, und Polster konnte auf all seinen Fußball-Stationen treffen. Gewohnt sarkastisch hat er sein eigenes Defizit thematisiert: „ Das ist Wahnsinn. Da gibt's Spieler im Team, die laufen noch weniger als ich!" Der 188cm große Angreifer hatte diesen gewissen Torriecher, der ihn in all seinen Vereinen unverzichtbar werden ließ. Im Dress der österreichischen Nationalmannschaft hat er in 95 Begegnungen stolze 44 Treffer markieren können, womit er bis heute der Rekordtorschütze seines Heimatlandes ist. Mit 95 Länderspielen belegt er hinter Andreas Herzog, der achtmal häufiger aufgelaufen ist, die zweitmeisten Einsätze. Der vielleicht größte Erfolg des Toni Polster ist in all den Jahren gewesen, dass er trotz dieser beeindruckenden Karriere stets Mensch geblieben ist. Bodenständigkeit und Demut haben ihn zu dem werden lassen, was er heute darstellt: einen einzigartigen Menschen, der Spuren hinterlassen hat.

Autor: Henning Klefisch
Schlagworte: Toni Polster, 1. FC Köln, FC Sevilla
Datum: 07.08.2013 12:05 Uhr
Url: http://www.3-liga.com/news-fussball-toni-polster-und-der-ernst-des-lebens-6802.html


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