Stefan Wessels: „Ich nutze nun die Vorteile, die einem das „normale“ Leben bietet“ - Teil 1


Exklusivinterview von Sportreporter Henning Klefisch -

Mit 33 Jahren hat Stefan Wessels seine Fußball-Karriere beendet. Nach seinem Gastspiel bei
Odense BK in Dänemark hat sich der eloquente gebürtige Emsländer im Sommer 2012
dazu entschieden, seiner Profilaufbahn vergleichbar früh ein Ende zu setzen. Eine Laufbahn, die höchst ereignisreich gewesen ist, denn mit Bayern München gewann er Champions League, Meisterschaften und den DFB-Pokal, während er mit dem 1. FC Köln zweimal aus der Bundesliga absteigen musste. Auslandsabenteuer in England, Dänemark und der Schweiz haben ihn sportlich und menschlich reifen lassen. Nun blickt er in einem ausführlichen Gespräch mit Sportreporter Henning Klefisch auf seine Karriere zurück und nimmt auch zu aktuellen Themen Stellung.

Im Sommer 2012 ist Dein Vertrag beim dänischen Verein Odense BK ausgelaufen. Herr Wessels, wie geht es Dir und was machst Du derzeit beruflich?
„Mir geht’s gut. Ich habe jetzt ein anderes Leben. Das Leben als Fußballer war sehr interessant. In den vergangenen Jahren gab es jedoch ein ständiges Hin und Her, viele verschiedene Vereine. Auch aus familiären Gründen habe ich mich für ein Aufhören entschieden, weil ich zwei Kinder habe. Im Sommer haben wir uns dazu entschieden nach Osnabrück zu gehen, weil wir uns hier unseren Lebensmittelpunkt vorstellen. Für mich war es offensichtlich, dass es schwer wird, auf dem Niveau Fußball zu spielen, auf dem ich spielen möchte. Die letzten Jahre habe ich mich immer wieder damit beschäftigt, weil ich überlegt habe, was ich nach dem Fußball machen möchte. Vor zwei Jahren habe ich das spannende Projekt der Ballschule kennengelernt. Die Ballschule kommt aus Heidelberg und ist an der dortigen Universität vor 15 Jahren entwickelt worden. In der Ballschule geht es darum, dass die Kinder mit vielen verschiedenen Bällen spielen sollen. Das spielen ist nicht auf eine Sportart bezogen, sondern es geht um die allgemeine Bewegung und das spielen mit Bällen.
Mit diesem Projekt kann ich mich persönlich voll identifizieren. Es ist eine sehr spannende Aufgabe, dieses Projekt in Osnabrück und Umgebung aufzubauen. Parallel dazu werde ich ab Januar auch als Torwarttrainer tätig sein.“

In welchem Bereich oder bei welchem Verein wirst Du als Torwarttrainer arbeiten?
„In Meppen im Leistungszentrum Emsland werde ich ab Januar für die Torhüter der U15 bis U23 verantwortlich sein und möchte dort meine Philosophie des Torwartspiels einbringen. Das Jugendleistungszentrum ist beim SV Meppen angesiedelt. Das Emsland ist flächenmäßig sehr groß, aber fußballerisch ist es auf wenige höherklassige Vereine beschränkt. Als Gegenstück zu den Nachwuchsleistungszentren der Bundesligavereine können sich die Talente des Emslandes im Jugendleistungszentrum weiterentwickeln. Hier möchte ich meine Erfahrung und mein Wissen als Profi weitergeben. Zudem bin ich im Emsland aufgewachsen und kann der Gegend vielleicht etwas zurückgeben.“

Warum hast Du Dich mit Deiner Familie ausgerechnet in Osnabrück niedergelassen?
„Hinter meinem Wechsel nach Osnabrück vor 5 Jahren stand der langfristige Gedanke, dass Osnabrück eine schöne, überschaubare Stadt ist und Osnabrück für unsere private Infrastruktur sehr passend liegt. Leider wurden die Pläne aber durch den Fußball schnell zunichte gemacht und wir haben noch interessante Auslandsaufenthalte erleben dürfen. Dennoch ist der grundsätzliche Gedanke bei uns geblieben, da wir mit der Zeit in Osnabrück heimisch geworden sind.“

Derzeit ist der aufstrebende Verein Viktoria Köln, die in der viertklassigen Regionalliga West kicken, in der medialen Berichterstattung sehr präsent. Auch ehemalige Spieler des 1. FC Köln wie Alex Voigt, Giovanni Federico oder nun wahrscheinlich auch Albert Streit sind zum rechtsrheinischen Verein gewechselt.
Wie sieht es bei Dir mit einem möglichen Engagement bei Viktoria aus?
„Das kann ich ausschließen. Ich habe im letzten Jahr noch einmal in der Champions League-Qualifikation und in der Europa League spielen dürfen. Dazu bin ich nicht der Typ, der über Dörfer tingelt und seine Karriere ausklingen lässt. Jetzt sagen die Leute: „Schade dass du aufhörst. Du könntest doch noch einige Jahre spielen.“ Ich persönlich bin mit meiner Karriere aber sehr zufrieden und finde es besser als wenn ich ein paar Jahre hören müsste: „Hättest du mal lieber vor drei Jahren aufgehört.“ Dennoch finde ich das Projekt bei Viktoria sehr interessant und bin gespannt, wie es die nächsten Jahre weitergeht.“

Wie bewertest du allgemein das „Mäzenatentum“ im deutschen Fußball?
„Viele sind neidisch auf Hoffenheim, aber welcher Verein würde sagen: „Dietmar Hopp, nein danke. Wir nehmen nicht Dein Geld.“ Das ist doch nicht ehrlich. Nehmen wir zum Beispiel den VfL Osnabrück, der aktuell finanzielle Probleme hat. Der Verein wäre doch froh, wenn es einen Sponsor geben würde, der die Probleme löst. Für mich persönlich ist bei solchen Angelegenheiten immer Neid im Spiel.“

Zuletzt ist ein Streit zwischen dem 1860 München Investor Hasan Ismaik und der Führungsetage der „Löwen“ entbrannt, wo der Jordanier Ismaik den 1860-Boss Schneider offen zum Rücktritt aufgefordert hat. Wie siehst Du ein Engagement von solch einem Investor aus dem Ausland?
„Das ist natürlich die Kehrseite der Medaille. Solch ein Investor würde natürlich lieber ein Modell wie in England haben, wo er dann wirklich auch der Boss ist. So gibt er natürlich das Geld, bekommt durch die deutschen Statuten aber nicht die Herrschaft über den Verein. Insofern ist es verständlich, wenn er seine Vorstellungen durchboxen will, ber auf Widerstände stößt. Das ist ein Problem, das man generell als Verein hat, wenn man sich einem Mäzen hingibt. Wenn der Investor seine Unterstützung beendet, bin ich gespannt, wie es dort weitergeht.“

Insgesamt hast du rund 13 Jahre im Profifußball verbracht, hast die Entwicklung des deutschen Fußballs und auch des Produkts Bundesliga hautnah miterlebt. Vermisst du den Profifußball?
„Ich finde es derzeit gut, so wie es ist, auch wenn es manchmal noch kribbelt. Im Oktober habe ich mir ein Bayern-Spiel in der Allianz Arena angeschaut. Es ist schon wirklich etwas Besonderes in solchen Stadien spielen zu dürfen. Die Entscheidung, die ich getroffen habe, ist aber in den letzten zwei, drei Jahren gereift. Ich bin damit sehr zufrieden. Ich nutze die Vorteile, die einem das normale Leben bietet.“

Nach mehreren Jahren bei Bayern München und danach beim 1. FC Köln hast du innerhalb von fünf Jahren vier verschiedene Vereine aus unterschiedlichen Ländern in deiner Vita stehen. Wie intensiv sind die Kontakte zu deinen Ex-Vereinen? Hast du Freundschaften im Profifußball schließen können?
„Ich habe immer noch Kontakte, aber richtige Freundschaften habe ich im Fußball kaum. In den ganzen Jahren habe ich eine Handvoll richtige Freunde gefunden. Das liegt natürlich auch an den vielen Wechseln. Der eine kommt, der andere geht. Es ist ein ziemliches Hin und Her. Dadurch ist es nicht so einfach, echte Freundschaften zu schließen. Aber bei einer normalen Arbeit ist es ja ähnlich.“

Jahrelang warst du hinter Oliver Kahn die Nummer zwei im Kasten des FC Bayern München. Wie würdest Du Dein Verhältnis zu Oliver Kahn beschreiben?
„Das Verhältnis zu ihm war gut. Es gab selbstverständlich ein kleines Lob, wenn ich gut gehalten habe. Wir haben beruflich Kontakt gehabt. Aber die Romantik, die einige haben, 11 Freunde müsst ihr sein, die gibt es nicht. Fußballprofi ist letztlich auch nur ein Beruf. Oli ist 11 Jahre älter als ich und deshalb hat er natürlich ganz andere Interessen gehabt.“

Bekanntlich gibt es beim FC Bayern dieses allseits bekannte „Mia san Mia-Gefühl“, was als Selbstvertrauen, gleichzeitig aber auch als eine Art von Arroganz interpretiert wird. War im Laufe der Karriere die Bayern-Vergangenheit eher Fluch oder Segen?
„Ich war früher auch kein Bayern-Fan. Werder Bremen war meine Mannschaft. Bayern hat dennoch einen sehr hohen Stellenwert, auch für Leute, die keine Bayern-Fans sind. Ich werde immer wieder auf meine Zeit in München und speziell mein erstes Spiel in Glasgow angesprochen. Daher hat mich meine Münchener Zeit stark geprägt.“

Im September 1999 kam es zu Deinem Profidebüt beim FCB im Champions League-Gruppenspiel bei den Glasgow Rangers. Wie hast Du Dich gefühlt?
„Einen besseren und größeren Einstand hätte es nicht geben können. Es kam alles sehr überraschend. Ich habe zwar bei den Profis mittrainiert aber, war im Amateurkader, und habe
lediglich einige Freundschaftsspiele für die Profis bestritten. Am Wochenende vor dem Spiel in Glasgow saß ich bei den Amateuren sogar nur auf der Bank. Daher kam das wie aus heiterem Himmel. Samstagabend hatten sich Oliver Kahn und Bernd Dreher verletzt, sodass ich urplötzlich für die Profis spielen durfte. Für mich war das natürlich eine Riesenchance. Das ist der Traum, den ich schon als kleines Kind hatte. Profi zu sein und dann war meine Premiere ausgerechnet in der Champions League. Für mich persönlich lief das Spiel sehr gut. Rundum gelungen war das Spiel dann durch unseren späten Ausgleich zum 1:1.“

Im Teil 2 morgen, was Effe und Mathäus sagten...

Quelle: Privat
Autor: Henning Klefisch
Schlagworte: Stefan Wessels; 1. FC Köln; FC Bayern München; Glasgow Rangers; Oliver Kahn; Odense BK
Datum: 15.01.2013 17:10 Uhr
Url: http://www.3-liga.com/news-fussball-stefan-wessels--„ich-nutze-nun-die-vorteile--die-einem-das-„normale“-leben-bietet“---teil-1-3647.html


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