Sportjournalist Henning Klefisch trifft Jean-Marie Pfaff


Im dritten Teil des Interviews im Domizil von Jean-Marie Pfaff unterhält sich der ehemalige Weltklassetorhüter über die Qualität des deutschen Fußballs und die Titelfähigkeit der Löw-Schützlinge bei der WM 2014.

Sportjournalist Henning Klefisch trifft Jean-Marie Pfaff
Bild: dfb.de
Klefisch: Erstmals in der Geschichte des europäischen Fußballs gab es ein deutsches Champions League-Finale. Wie bewertest du dies?

Pfaff: Früher gab es nur zwei bis acht Ausländer, die in einem Verein spielen durften. Nun ist die Zahl unbegrenzt. Ich habe nichts dagegen. Die Qualität in Deutschland wird immer hoch sein. Seitdem die Grenzen aufgegangen sind zwischen DDR und Westdeutschland ist die Qualität noch einmal erhöht worden. Zugleich ist eine große Motivation und Mentalität hinzugekommen. Schau dir an, was RB Leipzig unternimmt. Bayern München ist ein Vorbild für viele Mannschaften. Einige Teams wollen das System übernehmen. In München spielen viele gegnerische Mannschaften nur mit einer Spitze. Die Rechts- und Linksaußenspieler müssen zurückkommen, um für eine gute Verteidigung zu sorgen.

Klefisch: Wie bewertest du solch ein Projekt wie bei RB Leipzig?

Pfaff: Ich finde es immer gut, dass es ein Sponsoring gibt. In der Bank wird das angelegte Geld mit Zinsen versüßt. Im Sponsoring ist das Geld sicherlich nicht verloren. Dafür gibt es immerhin Werbung. Die Verkaufszahlen werden dadurch nicht immer steigen. Wenn das Produkt dadurch bekannter wird, ist es eine Möglichkeit Werbung zu machen. Werbung ist jedoch kein Geldanlegen. Beim Sport erhoffst du dir Bekanntheit. Den Sponsor musst du gut versorgen. Ein Sponsor ist ganz wichtig.

Klefisch: Wie siehst du das Financial Fair Play? Berichte bitte aus deiner Erfahrung.

Pfaff: So gut bin ich nicht informiert. Wenn in Spanien Vereine 500 Millionen Euro Schulden haben und das Land auch finanziell große Probleme hat und der FC Barcelona oder Real Madrid dennoch Spanischer Meister und Pokalsieger werden, kann ich das nicht verstehen. Wenn ich Chelsea, Paris und Monaco sehe, mache ich mir Sorgen. Früher musste ein Trainer eine Mannschaft mit wenig Qualität mittelfristig aufbauen. Jetzt kaufen die Vereine Spieler und dann wird ein Trainer verpflichtet. Der Trainer muss ein gutes Training leiten und eine gute Taktik zeigen. Auch ein Trainer wie Jupp Heynckes kann bei Leverkusen, Gladbach und Schalke kein Champions League-Sieger werden. Das Spielermaterial ist immer entscheidend. Wenn du Glück hast und die ersten Spiele mit der neuen Mannschaft gewinnst, hast du eine gute Chance auf langfristigen Erfolg. Früher musste ein Trainer eine Mannschaft aufbauen. Nun muss eine Mannschaft einen Trainer machen. Viele Spieler werden für viel Geld verpflichtet. Das ist legitim. Viele Vereine leihen Spieler aus. Damit kann man mehr Geld verdienen, weil der Mehrwert steigt. Bei Bayern bin ich dreimal deutscher Meister geworden, zweimal Pokalsieger einmal Supercupsieger. Dem FC Bayern habe ich viel zu verdanken. Dort ist meine zweite Heimat. Wenn ich nach Deutschland komme, bin ich beliebt. Ich bin nicht nur Torwart, sondern auch Mensch geblieben. Meine Eltern haben immer gesagt: „Wenn du in deinem Leben immer der Junge bleibst wie du bist, freundlich und strebsam, dann musst du das auch tun.Meine Kleidung geb ich an Hilfsbedürftige. Wenn ich essen gehe und einen Armen sehe, lade ich ihn ein. Warum soll ich das nicht tun. Ich gebe lieber als danke zu sagen. Ich bin immer böse auf Menschen, die auf Kosten anderer Menschen reich geworden sind. Ich kann so etwas einfach nicht. Ich wollte einfach nicht, dass andere Menschen für mich leiden.

Klefisch: Die deutsche Nationalmannschaft hat sich in den vergangenen Jahren in der Weltspitze etabliert.
Wie siehst du die deutsche Nationalmannschaft?


Pfaff: Wunderbar. Wenn ich die deutsche Nationalmannschaft sehe, sehe ich die Ballbehandlung und die spielerische Klasse. Das 3:3-Unentschieden gegen Paraguay ist nicht so schlimm. Früher gab es Freundschaftsspiele, um zu testen. Nun werden schon direkt Rückschlüsse daraus gezogen. Wenn du 3:3 spielst, bist du eine schlechte Mannschaft und die Kritik ist enorm. Dennoch musst du froh sein, dass du drei Tore erzielt hast. Es gab viele Chancen für Deutschland. Natürlich möchte man ein Freundschaftsspiel gewinnen, aber man muss auch nicht denken, dass immer alles perfekt läuft. Jetzt müssen sie noch mehr tun und noch konzentrierter sein. Die gegnerischen Treffer waren doch wunderbar herausgespielt. Der Respekt für den Gegner muss auch da sein. Deutschland hat eine großartige Moral bewiesen und ist zurückgekommen. Es sind auch nur Menschen und keine Roboter.

Klefisch: Bundestrainer Joachim Löw hat seit seinem Amtsantritt 2006 noch keinen Titel holen können. Muss Löw bei der WM 2014 den Titel holen?

Pfaff: Joachim Löw hat viele gute Spieler in seinen Reihen. Es wird Zeit, dass Deutschland wieder einen Titel holt. Seit dem EM-Titel 1996 in England hat Deutschland keinen Titel mehr holen können. Jogi ist ein netter Kerl, aber mit diesem Spielermaterial und der großen Erfahrung ist das Potential für einen Titelgewinn enorm. Man muss keinen Schuldigen suchen, wenn kein Titel erreicht wird. Einen Titel gewinnt man entweder zusammen oder man verliert gemeinsam. Mit dieser Mannschaft muss man auch einmal erfolgreich sein. Spanien wird auch nicht mehr so gut sein wie früher. Seit der Wiedervereinigung ist Deutschland fußballerisch noch stärker geworden. Die Begleitung von jungen Spielern muss sich bei euch noch ein wenig verbessern.

Klefisch: Die deutsche Nationalmannschaft hat in den WM-Qualifikationsspielen und vor allem auch in den Testländerspielen relativ viele Gegentreffer kassiert. Was sind deiner Meinung nach die Gründe hierfür?

Pfaff: Früher gab es zwei Vorstopper wie Kohler und Schwarzenbeck. Wenn du zu Schwarzenbeck gesagt hast, dass er vorne mitspielen soll, hat er gelacht und ist bei der Mittellinie stehen geblieben. Jetzt brauchst du spielstarke Innenverteidiger. Nur Bayern und Dortmund können richtig gute Verteidiger kaufen. Wenn Bayern ein Gegentor bekommt, erzielen sie drei Treffer. Den anderen Teams hingegen gelingt das nicht so. Du musst die Situationen vergleichen. Früher waren die Defensivakteure reine Manndecker. Nun sind sie mitspielende Akteure. Franz Beckenbauer hat das früher schon richtungsweisend gespielt. Er war offensivgeprägt. Gute Stürmer, die nicht mehr so torgefährlich sind, sollte man defensiv einsetzen. Über Klaus Augenthaler gab es das Gerücht, dass er sehr körperbetont spielt. Ich habe ihm dann Tipps gegeben, wie er ohne Fouls im Spiel auskommen kann.

Klefisch: Wenn du auf dein Leben noch einmal zurückblickst. Hättest du irgendetwas anders gemacht oder bist du wunschlos glücklich?

Pfaff: Ich kann ganz tief durchatmen. Ich habe meine Ziele erreicht. Wenn ich auch sehe, wieviel Neid und Eifersucht existiert, dass du das geschafft hast. Ich habe aber dafür richtig gelitten. Sieben Operationen habe ich in München gehabt. Davor in Belgien habe ich nur eine Operation am Meniskus gehabt. Ich bin nicht gut operiert worden. Der andere Torwart kam dann für mich ins Tor und die Zeitungen schrieben, dass wir mit de Hoek ab sofort spielen. Du fragst dich dann, ob dies Dankbarkeit bedeutet und was du psychologisch noch alles machen musst. Du kommst dann zurück, versuchst wieder hineinzukommen. Ich weiß, über was ich spreche. Es war wirklich Zeit mit 35 Jahren die Fußballkarriere zu beenden. Ich kann stolz sein. Ich muss auch großen Dank an meine Frau und meine Familie richten. Große Vorbilder waren meine Eltern.Alles, was unehrlich ist, hat keine Chancen bei mir. Mit mir dürfen sie nicht mehr zusammen lachen. Ich bin immer bereit für Interviews, nett und immer zugänglich. Manchmal sind von Freitag bis Sonntag 3 bis 400 Personen hier, um sich mit mir fotografieren zu lassen. Man muss immer fleißig sein und Respekt vor den Anderen haben. Du musst alles dafür tun, um dein Ziel zu erreichen. Das bedeutet aber nicht, dass du familiär irgendeinen Blödsinn machen musst.Die Fans sind die ersten Menschen, die bei dir mitleben. Die Fans sind auch mir gegenüber dankbar, dass ich menschlich geblieben bin. Zuviel Schulterklopfen kann auch gefährlich sein. Das ist ein Geben und Nehmen. Wenn ich etwas geben kann, bin ich sehr glücklich. Wenn ich etwas bekommen kann, dann ist das natürlich auch so. Wir sind in der Familie Pfaff so. Ich führe seit zwei Jahren in München meine neue Firma mit Herrn Leutner. Das ist der Wahnsinn. Ich bin so glücklich. Ich war seit 25 Jahren sicherlich nicht mehr in München. Aber trotzdem bin ich dort nicht vergessen. Ich habe in der Bundesliga mit gebrochenen Fingern und einem Leistenbruch gespielt und wurde auch deshalb von den Fans gefeiert. Ich habe immer alles gegeben. Das Schönste waren immer die Fans in Bayern. Ich bin sehr stolz, dass ich in der Bundesliga und für Bayern München gespielt habe. Viele versuchen Bayern zu kopieren, aber sie schaffen es auf Dauer nicht. Bei Bayern zählt in jedem Spiel das Beste zu geben. Der FC Bayern München will sich an der Spitze halten, jeden Tag ein bisschen besser werden. Früher gab es ganz andere Bedingungen für uns in der Infrastruktur und an Trainingsmöglichkeiten. Das ist der Lauf der Zeit. Wenn ich überlege, dass ich in einer solchen Kategorie wie mit Sepp Maier und Oliver Kahn genannt werde, muss ich sagen, dass dies eine große Ehre für mich gewesen ist. Bayern hat bisher selten einen ausländischen Keeper verpflichtet. Es war eine große Ehre, zum FC Bayern München und nach Deutschland zu kommen. Ich bin sehr stolz, dass ich in diesen sechs Jahren diese Erfolge beim FC Bayern München feiern konnte. Auch mit Niederlagen musste ich umgehen, wie dem verlorenen Champions League-Finale gegen den FC Porto oder auch in der Bundesliga. Das Bayern-System sorgt dafür, dass es weltweit viele Fans gibt. Ich habe bei meinem Abgang gesagt, dass ich immer für Bayern München sein werde. Ich habe Respekt vor der Arbeit von Borussia Dortmund. Super! Ich hoffe auch, dass Mannschaften wie Eintracht Frankfurt oder der Hamburger SV oder Borussia Mönchengladbach um den Titel mitspielen werden. Ich hoffe, dass Hamburg und Mönchengladbach so erfolgreich werden wie in den 70er und 80er Jahren.

Autor: Henning Klefisch
Schlagworte: FC Bayern München, Jean Marie Pfaff, Deutschland, WM 2014
Datum: 31.08.2013 10:21 Uhr
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