Russlands überraschendes Aus und die Folgen


Die Fallhöhe war enorm und der Absturz sehr schmerzhaft. Völlig überraschend ist die russische Nationalmannschaft aus dem Turnier ausgeschieden und muss das gesteckte Ziel EM-Titel begraben. Viele Fachleute sahen im Team von Trainer Dick Advokaat einen Geheimfavoriten. Nach dem 4:1 wurden sie hochgejubelt, nach der gestrigen 0:1 Niederlage gegen den Außenseiter aus Griechenland ist kollektive Trauer angesagt im alten Zarenreich.

Der mit einem Durchschnittsalter von 28, 4 Jahren ältesten Mannschaft des Turniers ist spürbar die Puste ausgegangen. Nach dem 1:1 am zweiten Vorrundenspieltag gegen Gastgeber Polen war noch Optimismus Trumpf im Lager der Russen. Immerhin hat nun der Verbandschef die Verantwortung übernommen. Trotzdem möchte er jedoch keine persönlichen Konsequenzen daraus ziehen.
So richtig begriffen hat es immer noch keiner, dass die hochveranlagte Mannschaft das Turnier verlassen muss, bevor es richtig losgegangen ist. Schock und ungläubige Gesichter waren nach der Blamage in Warschau an russischen Gesichtern abzulesen. Das Massenblatt „Komsomolskaja Prawda“ konnte die gedrückte Stimmung optimal auf den Punkt bringen: „Sie haben es nicht geschafft. Schon wieder.“
Nun werden mögliche Gründe gesucht. Pech und Glück dürften dabei nicht herangezogen werden. Sicherlich war dieses Ausscheiden denkbar knapp, denn Russland hat im Vergleich zu Griechenland sogar die bessere Tordifferenz. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass bei einem EM-Turnier der direkte Vergleich letztlich ausschlaggebend ist, weshalb sich folglich Griechenland durchgesetzt hat.
Ein möglicher Grund ist ein Stück weit Überheblichkeit, die das Team etwas auszeichnete. Stolz ist ein wichtiges Gut im russischen Fußball und auch in der russischen Gesellschaft. Man sieht sich als überlegen gegenüber vielen anderen Teams. Schon die EM 2008 in Österreich und der Schweiz hat eindrucksvoll bewiesen, zu welchen Leistungen die Sbornaja fähig ist. Im Viertelfinale haben die Mannen um Andrej Arschawin und Jurij Schirkow den Titelkandidaten Niederlande mit 3:1 nach Verlängerung besiegt. Mit überragendem Offensivfußball spielte sich das Hiddink-Team in die Herzen der kontinentalen Fußballwelt. Im Halbfinale war allerdings gegen den späteren Europameister Spanien Endstation.
Schon bei der WM 2002 und der EM 2004 musste das stets hoch eingeschätzte russische Team bereits nach der Vorrunde nach Hause fahren. Der 58-jährige Chef des russischen Fußballerbandes Sergej Fursenke versucht dieses Scheitern klein zu reden, indem er sagt: „Das ist keine Katastrophe, Fußball ist eben Fußball.“ Viele Medien in Russland sehen dies hingegen völlig anders. So hat die Boulevardzeitung „Moskowskij Konsomolez“ von einem schwarzen Tag des russischen Fußballs geschrieben. Die seriöse Nachrichtenseite „Gaseta.ru“ hat sogar von einer Schande getitelt.
Die Spieler beweisen Realismus, wenn Mittelfeldspieler Denis Gluschakow seine Gefühle erklärt: „Mit welchen wohl? Es ist eine Schande: In der ersten Runde rausfliegen, wenn man eigentlich hätte weiterkommen müssen.“ Warum hingegen einige russische Spieler wie gelähmt erschienen, dürfte ihr Geheimnis bleiben. Fakt ist, dass der geplante Neuaufbau des überalterten Teams ohne Trainer Dick Advokaat stattfinden wird. Der 64-Jährige hat schon bei der EM angekündigt, dass er in seine Heimat zurückkehren wird, um Trainer beim PSV Eindhoven zu werden. In sechs Jahren schon gibt es eine Weltmeisterschaft im eigenen Land. Dort will man zu den Titelkandidaten zählen. Deshalb muss besonders die Nachwuchsarbeit in den nächsten Monaten deutlich intensiviert werden. Bis zum Ende der EM hat sich Fursenko zum Ziel gesetzt, einen Nachfolger zu präsentieren. Immer übt er Selbstkritik, wenn er sagt: „Schuld bin ich, ich habe den ganzen Prozess verantwortet. Trotzdem möchte er nicht zurücktreten, denn er will den kommenden Druck mit „zusammengebissenen Zähnen“ durchstehen.

Quelle: www.spiegel.de
Autor: Henning Klefisch
Schlagworte: Russland; Griechenland; Advokaat; Gluschakow
Datum: 17.06.2012 17:37 Uhr
Url: http://www.3-liga.com/news-fussball-russlands-ueberraschendes-aus-und-die-folgen-1733.html


Kommentare

Die Kommentar-Funktion wird momentan überarbeitet und ist in Kürze wieder verfügbar!

Für diese News ist leider noch kein Kommentar vorhanden.

Für den Inhalt des Kommentars ist der Autor verantwortlich. Die Kommentare spiegeln nicht die Meinung von 3-liga.com wieder.



Diese 3. Liga News könnten Sie ebenfalls interessieren


Demnächst bekommen Sie die News auch als Homepagetool für Ihre eigene Webseite.
Sie möchten auch News für 3-liga.com schreiben? Dann werden Sie Fan-News-Schreiber. Mehr Informationen dazu bekommen Sie hier.