Philipp Lahm vor 100. Länderspiel: Dieses Jubiläum ist etwas Großes“


Am kommenden Freitag beim Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Österreich wird Philipp Lahm ein ganz besonderes Jubiläum feiern. So wird der 29-jährige Außenverteidiger sein 100.-Länderspiel im WM-Qualifikationsspiel gegen die Alpenrepublik bestreiten. Im Gespräch mit „DFB.de“ äußert sich der Bayern München-Spieler zu verschiedenen, anstehenden Themen.

Philipp Lahm vor 100. Länderspiel: Dieses Jubiläum ist etwas Großes“
Bild: dfb.de
„Als Fußballer hat man andere Ambition als eine bestimmte Anzahl an Spielen“

So berichtet er über den Stellenwert dieser Partie folgendes: „Dieses Jubiläum ist etwas Großes, etwas Besonderes. Wobei ich sagen muss, dass die Zahl 100 kein Ziel war, auf das ich in den vergangenen Jahren hingearbeitet hätte. Als Fußballer hat man andere Ambitionen als eine bestimmte Anzahl an Spielen. Aber natürlich ist es etwas sehr Schönes. Wenn ich mir die Geschichte anschaue und sehe, welche überragenden Fußballer die 100 nicht geknackt haben, etwa Gerd Müller oder Uwe Seeler, ist es schon speziell, wenn man selbst diese Zahl erreichen wird.“ Besonders intensiv hat er sich mit Spielern, die länderspielmäßig noch vor ihm platziert sind, nicht beschäftigt. Allerdings kann er schon in Kürze Franz Beckenbauer einholen, der es auf 103 Länderspiele bringt. Lothar Matthäus scheint mit seinen 150 Auswahlspielen derzeit noch sehr weit entfernt zu sein. Dazu meint Lahm: „Nicht im Detail. Aber bei den ganz großen deutschen Fußballern weiß ich in etwa, wo sie liegen. Beispielsweise, dass Franz Beckenbauer mehr als 100 Spiele gemacht hat und Lothar Matthäus Rekordspieler ist.“

„In der Heimat fühlt man sich schließlich am wohlsten“

Viele Sachen treffen nun in einem glücklichen Umstand zueinander. So ist Lahm gebürtiger Münchener, spielt für den FC Bayern München und wird sein Jubiläumsländerspiel ausgerechnet in der Münchener Allianz-Arena bestreiten. Sehr erfreut äußert sich der Kapitän über diese Zufälle: „ Das alles passt wirklich super zusammen. Dieses besondere Spiel darf ich quasi direkt vor meiner Haustür machen - das ist fantastisch. Im Stadion wird meine Familie sein, viele Freunde werden kommen, auch viele Bekannte. Es sind außerdem mehr als die 90 Minuten des Spiels am Freitag. Wir sind die Tage davor ja auch in München, für mich ist das immer schön. In der Heimat fühlt man sich schließlich am wohlsten.“

„Für mich kam die Berufung in den Kader absolut überraschend“

Länderspiele der deutschen Nationalmannschaft sind in Deutschland fast schon ein gesellschaftliches Ereignis. Seine Erlebnisse vor der Zeit als DFB-Auswahlkicker hat er ebenfalls verraten: „Pauschal kann man das gar nicht sagen. Klar, in jungen Jahren war es regelmäßig so, dass die gesamte Familie zu Hause vor dem Fernseher saß. Dann sah es bei uns so aus wie wohl in den meisten Wohnzimmern in Deutschland. Später war es dann oft so, dass ich mit Kumpels unterwegs war und wir die Spiele in größerer Runde gemeinsam gesehen haben.“ Der 18. Februar 2004 war gleichbedeutend mit dem Datum für Lahms erstes Länderspiel in Kroatien. Der Ur-Münchener und damalige Stuttgarter erinnert sich: „Das lief über Felix Magath, der damals in Stuttgart mein Trainer war. Er hat mich vor dem Training in sein Zimmer geholt und mir mitgeteilt, dass er gerade von Teamchef Rudi Völler darüber informiert wurde, dass ich für das Länderspiel nominiert bin. Ich war damals 20 Jahre alt, war vor kurzem Profi geworden. Für mich kam die Berufung in den Kader absolut überraschend, dadurch war die Freude aber noch mal größer. Ich meine, dass wir uns in Frankfurt getroffen haben und von da aus nach Split geflogen sind. Für mich war alles natürlich neu, spannend und aufregend. Man betritt die Welt der Nationalmannschaft ja nicht jeden Tag.“ Und er berichtet, welche Spieler er besonders intensiv aufgesucht hat in den ersten Momenten als Nationalspieler: „So genau kann ich das garnicht sagen. Es war aber nicht so, dass ich niemanden gekannt hätte. Damals war der eine oder andere Spieler aus Stuttgart bei der Nationalmannschaft. Es war die Zeit der "jungen Wilden" beim VfB: Andreas Hinkel war dabei, Kevin Kuranyi, auch Timo Hildebrand, wenn ich mich richtig erinnere. Ich hatte also Unterstützung, einsam gefühlt habe ich mich ganz sicher nicht.“

„Die Situation lässt sich mit 2004 nicht vergleichen“

Besonders wichtig scheint auch zu sein, dass die Neuankömmlinge bei der deutschen Nationalmannschaft angemessen begrüßt und unterstützt werden, damit sie auch ihre beste sportliche Leistungsfähigkeit an den Tag legen können. Dies ist auch Lahm besonders wichtig: „Ich habe ein Auge dafür, klar. Die Situation lässt sich mit 2004 aber nicht vergleichen. Damals standen viele ältere Spieler im Kader, es gab keine Spieler, die ich beispielsweise aus den Junioren-Nationalmannschaften gekannt hätte. Deswegen war ich durchaus froh, dass ich nicht der einzige Spieler vom VfB war. Wenn man sich die Nationalmannschaft 2013 anschaut, sieht man, dass viele Spieler noch sehr jung sind. Und viele dieser jungen Spieler kennen sich noch aus den Junioren-Nationalmannschaften. Oder natürlich vom Verein. Deswegen ist die Integration neuer Spieler bei uns eigentlich nie problematisch.“

Debüttor bei Länderspielblamage in Rumänien

Auch wenn die 1:5-Niederlage der DFB-Auswahl in Rumänien als eine der schlimmsten Testspielniederlagen in der Historie der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in die Länderspielgeschichte eingehen wird, so hat Lahm durchaus positive Erinnerungen an diese derbe Klatsche aus dem April 2004 in Bukarest, denn in seinem dritten Länderspiel konnte er bereits seinen ersten Treffer im Nationadress bejubeln. „DFB.de“ teilt er seine Erinnerungen mit: „Das weiß ich durchaus noch, vor allem deswegen, weil Tore von mir leider ziemlich selten sind. Wobei ich sagen muss, dass es glorreichere Premierentore für Deutschland gibt als meines. Es war bei meinem dritten Länderspiel, wir haben in Bukarest gegen Rumänien gespielt. Wenn man ehrlich ist, war es ein Debakel. Wir haben bis kurz vor Schluss mit 0:5 in Rückstand gelegen, dann habe ich noch das 1:5 erzielt. Große Freude kam natürlich nicht mehr auf, auch wenn es für mich persönlich schön war, mein erstes Länderspieltor erzielt zu haben.“

Die fehlende Ruhe in der Freizeit als Nationalspieler

Innerhalb von einem guten halben Jahr ist Philipp Lahm von einem Drittligaspieler zum deutschen Nationalspieler mutiert. Über diese Zeit der gewaltigen Veränderung kann er folgendes berichten: „Leicht ist es nicht, weil sich viele Dinge sehr schnell und sehr drastisch ändern. Es wird nicht nur der Fußball beobachtet und bewertet, auch damit muss man umzugehen lernen, aber das ist eigentlich der leichtere Teil. Schwieriger ist, dass man als Nationalspieler auch abseits des Platzes beobachtet wird. Beim Einkaufen, beim Essengehen, ganz ungestört ist man nur sehr selten. Auf gewisse Art habe ich es als Prüfung verstanden, mich daran zu gewöhnen und mich nicht mehr stören zu lassen. Auch den Umgang mit den Medien muss man sich aneignen, denn als Nationalspieler wird man ja viel häufiger für Interviews angefragt.“ Seit seinem Debüt 2004 ist die mediale Aufmerksamkeit noch einmal deutlich angestiegen. Einen echten Vergleich zu damals kann Lahm jedoch nur schwerlich anstellen: „Ich finde es immer schwer, die heutige Situation mit der von damals zu vergleichen. Das mediale Interesse ist heute noch extremer als damals, die Möglichkeiten der Vervielfachung über Facebook und Twitter gab es 2004 noch nicht, das stimmt. Allerdings wächst die aktuelle Spielergeneration damit auf und hat dadurch eine größere Sensibilität für diese Dinge. Generell gilt: Heute wie damals ist für die Spieler wichtig, dass sie das richtige Umfeld haben, mit der Familie, mit Freunden, mit dem richtigen Management. Da habe ich einfach Glück gehabt, dass dies bei mir in allen Facetten absolut top ist.“

„Mir ist es schnell gelungen, wieder nach vorne zu blicken“

Nach einer hervorragend verlaufenen Europameisterschaft 2004 in Protugal, wo Lahm in einer insgesamt schwachen DFB-Mannschaft stärkster Feldspieler gewesen ist, musste er nur ein Jahr später mit einem Mittelfußbruch und einem Kreuzbandriss zwei äußerst schwere Verletzungen verkraften. Über den Umgang mit diesen Rückschlägen kann er nun folgendes berichten: „Ich habe in diesem Jahr kein einziges Länderspiel gemacht, das war natürlich alles andere als optimal, zumal ich davor ja erst ein Jahr lang zum Kader gehört hatte. Und so ganz genau weiß man ja nie, in welche Richtung sich die Karriere nach so schweren Verletzungen entwickelt. Ich war aber eigentlich immer sicher, dass ich zurückkommen würde. Im ersten Moment sind Enttäuschung und Verbitterung groß - mir ist es aber schnell gelungen, wieder nach vorne zu blicken.“ Nun liefert er einen kleinen Rückblick, was bei 100 Länderspielen etwas normales ist. Bewusst möchte er es jedoch tunlichst vermeiden ein Länderspiel als sein Bestes zu deklarieren: „Ich tue mich immer schwer damit, meine Leistung zu beurteilen. Das gilt für einzelne Spiele und erst Recht im Vergleich. Bei 99 Länderspielen eines herauszuheben - das will ich auch gar nicht. Es werden schon ein paar Spiele dabei sein, in denen ich ganz gut gewesen bin. Aber welches das Beste war - diese Einschätzung sollen andere übernehmen.“

„Wir waren seit 2006 bei jedem Turnier mindestens im Halbfinale, damit muss man sich nicht verstecken“

In seinen 99 bisherigen Länderspielen hat Lahm ein stolze Bilanz von 71 Siegen, 15 Unentschieden und 13 Niederlagen. Zu dieser Bilanz kann er folgendes preisgeben: „Das klingt jedenfalls nicht dramatisch schlecht. Ich finde aber nicht, dass diese Zahlen an sich eine relevante Aussage treffen. Entscheidend ist ja nicht nur, wie viele Spiele man gewinnt, sondern dass man die entscheidenden gewinnt. Die sportliche Bilanz eines Spielers sollte man nicht nur an der Anzahl der Siege, sondern vor allem an den Ergebnissen bei den großen Turnieren festmachen. Darauf kommt es an. Wie oft war man im Halbfinale? Wie oft im Endspiel? Wenn ich mir dann die Entwicklung von 2004 bis heute ansehe, kann man absolut zufrieden sein. Wir waren seit 2006 bei jedem Turnier mindestens im Halbfinale, damit muss man sich nicht verstecken, auch wenn wir natürlich gerne noch den letzten Schritt gesetzt hätten.“

Halbfinal-Niederlagen waren besonders bitter

Über die bitterste Pleite kann er drei Halbfinalniederlagen nennen, die sich bei zwei Weltmeisterschaften und einer Europameisterschaft zugetragen haben: „An alle kann ich mich gar nicht mehr erinnern, obwohl es zum Glück ja nicht so viele waren. Klar ist, dass die Niederlagen bei den großen Turnieren immer im Gedächtnis bleiben werden. Das Aus 2006 im WM-Halbfinale gegen Italien in der Verlängerung, auch 2008 das verlorene EM-Finale gegen Spanien. 2010 waren wir im WM-Halbfinale gegen Spanien nah dran, und bitter war natürlich auch die Halbfinalniederlage gegen Italien bei der EM 2012.“

„Bei der Heim-WM gab es etliche schöne Momente“

Deutlich präsenter und selbstverständlich auch positiv in Erinnerung sind ihm jedoch die Siege und die schönen Momente geblieben, über die er wie folgt berichtet: „Besonders wird für mich immer das Eröffnungsspiel der WM 2006 sein. In München, ausgerechnet. Mir ist dann auch noch das erste Tor gelungen, in diesem Moment kam vieles zusammen. Bei der Heim-WM gab es etliche schöne Momente, viele schöne Siege. Das Viertelfinale gegen Argentinien, die Spannung im Elfmeterschießen, unvergessen. Wie auch 2008, als wir Portugal im Viertelfinale mit 3:2 geschlagen haben. Ich könnte diverse tolle Siege aufzählen. Allein bei der WM 2010: das grandiose 4:1 im Achtelfinale gegen England, das überragende 4:0 im Viertelfinale gegen Argentinien. Auch bei der EM 2012: Wir haben die Vorrunde souverän gemeistert, mit tollen Siegen gegen die Niederlande und Portugal. Bei 99 Spielen war zum Glück der eine oder andere schöne Sieg dabei.“

„Ich finde es gut, dass ich die gesamte Entwicklung mitgemacht habe“

Im Jahr 2004 erlebte Deutschland eine schwierige Zeit mit der Fußball-Nationalmannschaft, die von der Weltspitze ein gehöriges Stück entfernt gewesen ist. Seit dem EM-Gewinn 1996 hat man immer noch keinen bedeutenden Titel gewinnen können. Trotzdem ist das Leistungsniveau der Auswahlkicker merklich angestiegen. Zahlreiche junge Spieler erhöhen die Qualität massiv. Lahm war jedoch zufrieden, dass er auch die komplizierte Zeit mitgemacht hat, denn er begründet dies wie folgt: „Neidisch bin ich gar nicht. Ich finde es schön, diese Entwicklung mitgemacht zu haben. Wobei wir die Mannschaft von 2004 nicht schlechter machen sollten als sie war. Man darf nicht vergessen, dass Deutschland 2002 in Japan und Südkorea immerhin noch Vizeweltmeister geworden war. Dennoch finde ich gut, dass ich die gesamte Entwicklung mitgemacht habe. Ich habe dabei Erfahrungen sammeln können, von denen ich noch heute profitiere.“

„Wie dies bei der WM wird – keine Ahnung“

Nach zwei verlorenen Champions League-Endspielen 2010 und 2012 konnte sich sein Verein FC Bayern München endlich im hochinteressanten deutschen Endspiel gegen Borussia Dortmund mit 2:1 durchsetzen. Die Erleichterung auch im Hinblick auf die WM 2014 in Brasilien ist gewaltig gewesen, wie Lahm ehrlich einräumen muss: „Es stimmt schon, in der Champions League waren wir mehrfach nah dran, ich kann für mich sagen, dass es ein langer und harter Weg war und wir für diesen Erfolg über die Jahre sehr viel investiert haben. Aber dass die Freude deswegen größer ist, glaube ich nicht. Wenn ich bei uns die Spieler sehe, die gegen Dortmund ihr erstes Champions-League-Finale gespielt haben, dann kann ich nicht feststellen, dass diese sich weniger gefreut hätten. Wie dies bei der WM wird - keine Ahnung. Außerdem müssen wir uns erst einmal qualifizieren, bevor wir uns über einen möglichen Titelgewinn unterhalten können.“

„Österreich hat definitiv eine gefährliche Mannschaft“

Bei optimalen Verlauf könnte mit zwei Siegen aus den kommenden beiden Länderspielen bereits im September die Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien vorzeitig geschafft sein. Gegen Österreich könnte der erste Schritt gegangen werden. Lahm drückt seine Erwartungen wie folgt aus: „Österreich hat definitiv eine gefährliche Mannschaft. Wir wissen außerdem, dass Österreich in Spielen gegen Deutschland immer ganz besonders motiviert ist. Aber klar ist auch, dass Deutschland Österreich schlagen muss, darüber müssen wir uns nicht unterhalten.“

Quelle: dfb.de
Autor: Henning Klefisch
Schlagworte: Philipp Lahm, Deutschland, WM 2006, WM 2010, WM 2014
Datum: 03.09.2013 10:58 Uhr
Url: http://www.3-liga.com/news-fussball-philipp-lahm-vor-100--laenderspiel--dieses-jubilaeum-ist-etwas-grosses“-7355.html


Kommentare

Die Kommentar-Funktion wird momentan überarbeitet und ist in Kürze wieder verfügbar!

Für diese News ist leider noch kein Kommentar vorhanden.

Für den Inhalt des Kommentars ist der Autor verantwortlich. Die Kommentare spiegeln nicht die Meinung von 3-liga.com wieder.



Diese 3. Liga News könnten Sie ebenfalls interessieren


Demnächst bekommen Sie die News auch als Homepagetool für Ihre eigene Webseite.
Sie möchten auch News für 3-liga.com schreiben? Dann werden Sie Fan-News-Schreiber. Mehr Informationen dazu bekommen Sie hier.