Paul Gascoigne: Starker Fußball, schwacher Mensch


Wer erinnert sich nicht gerne an diese Szene von der Euro 1996. Da liegt Englands-Fußball-Star Paul Gascoigne bäuchlings auf dem Boden und lässt sich durch seine Mitspieler mit einer Trinkflasche Wasser in den Mund schütten. Auf den ersten Blick ein lustiges Bild inmitten dieser feucht-fröhlichen Europameisterschaft 1996 in England. Doch schon damals war der intensive Alkoholkonsum des Paul Gascoigne ein offenes Geheimnis. Nun wäre er daran fast gestorben und versucht einen Weg zurück ins Leben zu finden. Eine Geschichte eines starken Fußballers und eines schwachen Menschen.

Ehrlichkeit muss bei der Problembewältigung des Alkoholismus eine ganz wichtige Tugend sein. Dies beweist der mittlerweile 45-jährige Gascoigne, der als ehemaliger Weltklassefußballer einen Absturz erlebt hat, der beispiellos erscheinen mag. Im Gespräch mit der „Sun on Sunday“ offenbart sich der ehemalige Offensivspieler, dem der Alkohol so zugesetzt hat, dass er ohne weiteres als 60-Jähriger durchgehen würde. Gegenüber der Zeitung findet er ehrliche Worte, wenn er sagt: „Drei Ärzte dachten, dass ich es nicht schaffe.“
Es folgte eine Entgiftung in einer Klinik in Phoenix im amerikanischen Bundesstaat Arizona. Er erinnert sich wehmütig an diese harte Zeit zurück: „Ich habe das durchgemacht, den Tod. Ich war tot.“ Zugleich richtet er einen eindringlichen Appell an sich selbst, wenn er sich selbst scheinbar warnen möchte: „Das muss eine Inspiration sein, dass mir das nie wieder passiert.“
Mehr als einen Monat hat er in den USA verbracht, um dieses Problem in den Griff zu bekommen. Nun ist er also nach England zurückgekehrt. Ende Januar ist der Rückfall des 18 Monate lang trockenen Alkoholikers bekannt geworden. Als Beweis dafür diente eine Wohltätigkeitsveranstaltung in Northampton, wo der 57-malige englische Nationalspieler als Bühnengast einen fast schon hilflosen Eindruck gemacht hat und stammelte und schluchzte. Ganz England ist durch diesen Eindruck fast schon ein wenig geschockt worden.
Viel Geld hat er nicht mehr gehabt. Deshalb gab es durch prominente Freunde eine Sammelaktion, um ihm den Klinik-Aufenthalt in den Vereinigten Staaten finanzieren zu können. Im Interview mit der „Sun“ gibt es eine detaillierte Schilderung von Gascoigne, wie er von der Entzugsklinik auf die Intensivstation eines Krankenhauses in Arizona verlegt worden ist. Und er findet klare Worte, wenn er dazu sagt: „Ich dachte, ich sei dabei, mich zu verabschieden. Ich sah wie eine Leiche aus. Ich war ein totales Wrack.“
Und er berichtet, dass er beim Aufwachen gemerkt hat, dass er an sein Bett gebunden worden ist, damit die Kanülen nicht aus seinen Armen fallen können. Hinzu haben sich ständige Injektionen gesellt. Ehrlich mussten sogar die Ärzte daraufhin einräumen, dass dies die schlimmste Entgiftung gewesen ist, die sie selbst jemals miterleben mussten. Und er sagt: „Ich wurde mit mehr Medikamenten vollgepumpt als jeder andere Patient.“
Auch wenn Gascoigne auch auf den aktuellen Fotos nicht mehr ganz so vital aussieht, so geht es ihm offensichtlich mental nun besser. Er hat einen roten Kopf und sieht nicht aus, wie ein 45-Jähriger. Immerhin gibt es jedoch auch Positives zu verzeichnen, denn sein Gesicht scheint nicht mehr so aufgedunsen zu sein, wie beim besagten Bühnenauftritt. Man spürt ihm sichtlich an, dass er alles dafür geben möchte, damit er den Weg ins „normale“ Leben zurückfinden kann. Deshalb ist er den schweren Weg in die Entziehungskur gegangen und hat sich offenbart, was für solch eine stolze Persönlichkeit sicherlich nicht einfach gewesen ist. Wobei der Stolz durch den exzessiven Alkoholkonsum sicherlich weniger geworden ist.
Nun kämpft er verbissen um seine „letzte Chance“, die er offen anspricht. Und er teilt mit: „Ich kann nicht oft genug sagen, wie sehr es mir leid tut für die Menschen, die ich hängengelassen habe“, so stellt er klar: „Ich werde beweisen, dass es diesmal anders sein wird.“
Schon häufig hat der begnadete Fußballer Besserung gelobt. Oft ist er jedoch auch rückfällig geworden. Seit seinem Karriereende 2004 als Spielertrainer beim Viertliga-Verein Boston United hat er einiges miterleben müssen. Mehrere Drogenentzugskuren und Behandlungen gegen die Alkoholsucht. Im Jahr 2008 ist er sogar zwangsweise in die Psychiatrie eingeliefert worden. Nun soll mal wieder alles besser werden. Dem Menschen Gascoigne gönnt man es von ganzem Herzen. Damit nach einem starken Fußballer auch endlich einmal ein starker Mensch sichtbar wird. Auch bei ihm gilt das oft zitierte Sprichwort: „Die Hoffnung stirbt zuletzt“

Quelle: www.faz.net
Autor: Henning Klefisch
Schlagworte: Paul Gascoigne; England; Alkoholismus
Datum: 12.03.2013 16:46 Uhr
Url: http://www.3-liga.com/news-fussball-paul-gascoigne--starker-fussball--schwacher-mensch-4520.html


Kommentare

Die Kommentar-Funktion wird momentan überarbeitet und ist in Kürze wieder verfügbar!

Für diese News ist leider noch kein Kommentar vorhanden.

Für den Inhalt des Kommentars ist der Autor verantwortlich. Die Kommentare spiegeln nicht die Meinung von 3-liga.com wieder.



Diese 3. Liga News könnten Sie ebenfalls interessieren


Demnächst bekommen Sie die News auch als Homepagetool für Ihre eigene Webseite.
Sie möchten auch News für 3-liga.com schreiben? Dann werden Sie Fan-News-Schreiber. Mehr Informationen dazu bekommen Sie hier.