Oliver Bierhoff: „Ich bin überzeugt, dass mindestens eine deutsche Mannschaft ins Champions League-Finale einziehen wird“


Vielfach ist er scharf kritisiert worden, denn seine Arbeit wird von einigen Fans, Medien und auch Vereinsvertretern sehr kritisch gesehen. Oliver Bierhoff ist Teammanager und mitverantwortlich dafür, dass die deutsche Nationalmannschaft seit seinem Amtsantritt im August 2004 eine erstaunliche Entwicklung genommen hat, die bis zur Weltspitze geführt hat. Leider auch titellos, so der Vorwurf, mit dem sich der ehemalige Nationalspieler häufig konfrontiert sah. Nun legt er den Fokus, dass schnellstmöglichst die Qualifikation für die WM 2014 in Brasilien gelingt und eine Weiterentwicklung des DFB-Teams spürbar werden kann.

Bierhoff erledigt die Arbeit im Hintergrund. Er ist für unterschiedlich viele Aufgaben verantwortlich und hat ein enorm weites Aufgabenfeld. Sehr umtriebig arbeitet er vor und hinter den Kulissen, denn auch medial muss sich Bierhoff häufig äußern. Wie auch in diesem Fall, wo er sich im Gespräch mit „DFB.de“ zu verschiedenen Themen Stellung bezieht. Über seine persönliche Gestaltung der Feiertage Ende des abgelaufenen Jahres weiß er folgendes zu berichten: „Das Jahr 2012 war ereignisreich und intensiv, auch noch am Ende standen viele Termine, Verpflichtungen und Aufgaben an. Da hat es einfach gut getan, mal zu entschleunigen, runterzufahren und neue Kraft und Energie zu tanken. Das ist wichtig, um Wesentliches von Unwesentlichem zu trennen und sich auf die wichtigen Aufgaben, die im neuem Jahr anstehen, zu konzentrieren.“
Nun steht in diesem Jahr ein turnierfreies Jahr an, wo es vor allem um die Entwicklung der scharf kritisierten Mannschaft gehen wird. Über seine Aufgaben in diesem Jahr berichtet Bierhoff: „2013 ist ein Jahr ohne großes Turnier, ein "Übergangsjahr". Uns gibt das die Chance, die Entwicklung der Nationalmannschaft ohne den ganz großen Druck voranzutreiben. Wir wollen souverän die Qualifikation schaffen, wollen uns mit hochklassigen Testländerspielen gegen hochklassige Gegner weiterentwickeln. Für mich als Manager gilt es daneben, die Planungen für die WM in Brasilien abzuschließen. Vor allem betrifft dies das Quartier, aber noch andere organisatorische Belange.“ Und er wird ein klein wenig konkreter, wenn er vor allem das DFB-Leistungszentrum anspricht, welches auf seiner Agenda ganz weit oben steht: „Außerdem bin ich gemeinsam mit Sportdirektor Robin Dutt bestrebt, die Idee des DFB-Leistungszentrums weiter zu gestalten. Es ist viel geschrieben und spekuliert worden, wie dieses Leistungszentrum aussehen kann. Wir haben klare Vorstellungen, verfolgen ein klares Konzept. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir die sportliche Entwicklung aller Mannschaften im DFB durch ein Leistungszentrum auf eine neue Stufe stellen könnten. Davon würden alle profitieren, auch die Landesverbände. Dieser Schritt ist absolut notwendig, um in Zukunft weiterhin konkurrenzfähig zu bleiben.“
Die WM-Qualifikation für das Weltturnier in Brasilien sollte sich nicht als unüberwindbares Hindernis herausstellen, denn nach vier Spielen hat das Team von Bundestrainer Joachim Löw schon zehn Punkte holen können, bei einem Torverhältnis von 15:6, was impliziert, dass alle Gruppengegner schlagbar erscheinen sollten. Deshalb ist es sicherlich kein Stück überheblich, wenn Bierhoff schon im Jahr 2012 zusammen mit Co-Trainer Hansi Flick, Torwarttrainer Andreas Köpke und einer Delegation des DFB im Gastgeberland gewesen ist, um sich die Bedingungen vor Ort anzuschauen. Über seine gemachten Eindrücke berichtet er „DFB.de“: „Vor allem haben wir gemerkt, wie groß und vielfältig das Land ist. Die Distanzen sind viel größer als in Europa. Was die Wegstrecken betriff, habe ich mich ein wenig an Südafrika erinnert gefühlt. Wir haben uns sechs, sieben mögliche Quartiere angeschaut und uns einen ersten Eindruck verschafft. Es gibt noch keine finale Entscheidung, aber eine Richtung. Es ist klar, dass wir die Extreme meiden werden. Wir werden also nicht ganz in den Süden gehen, ebenso nicht ganz in den Norden des Landes. Auch Brasilia oder Manaus kann ich fast schon ausschließen, weil die Angebote dort doch sehr spärlich sind.“
Über die angewandten Kriterien weiß Bierhoff folgendes zu berichten: „Hauptaspekte sind für uns die klimatischen Verhältnisse und der Reisestress. Natürlich muss das Hotel von der Atmosphäre passen, es ist auch klar, dass wir nicht über einen langen Zeitraum in einer "Bruchbude" hausen wollen. Aber ob die Unterkunft nun drei, vier oder fünf Sterne hat, ist erst mal zweitrangig. Viel wichtiger ist, dass wir gute Trainingsbedingungen haben und nicht zu viel Reisestress.“ Dabei möchte er die mediale Diskussion von der vermuteten Überversorgung der Spieler nicht zustimmen, sondern betont, dass andere Themen diesbezüglich wichtiger erscheinen: „Gar nicht. Die Diskussion um zu viel Luxus und verweichlichte Spieler gibt es, seitdem die Arbeit rund um die Nationalmannschaft professioneller aufgestellt worden ist. Und das ist nicht erst so, seitdem ich Manager der Nationalmannschaft bin. Ich kann mich noch erinnern, wie bereits unter Franz Beckenbauer darüber diskutiert wurde, in welcher Luxusherberge die Mannschaft 1990 in Italien gewohnt hat. Die ganze Debatte ist erfolgsabhängig. Wenn der Erfolg da ist, dann ist plötzlich alles richtig. Aber ich richte mich nicht nach populistischen Äußerungen, sondern kann sehr gut einschätzen, was möglich ist, was nötig und was sinnvoll ist.“
Nachwuchsarbeit wird vom DFB ganz besonders unterstützt. Deshalb ist es auch nicht allzu verwunderlich, dass mit Bierhoff ein wichtiges DFB-Mitglied als Schirmherr des Mercedes-Benz Junior Cups in Sindelfingen fungiert. Seine Meinung über diesen zukunftsweisenden Hallencup lässt er „DFB.de“ teilhaben: „An den internationalen Erfolgen der Bundesligaklubs freut mich besonders, dass sie mit jungen deutschen Spielern erzielt werden. Und im Grunde war der Mercedes-Benz Junior Cup ein Spiegel dessen. Es waren mit Manchester United, Lazio Rom und Dynamo Zagreb wirklich starke internationale Mannschaften dabei. Und trotzdem haben sich die deutschen Teams mit jungen deutschen Spielern durchgesetzt und drei von vier Halbfinalisten gestellt. Das zeigt die hohe Qualität, die wir im Jugendbereich haben. Wobei wir aufpassen müssen, gerade in der Nachwuchsförderung, dass uns die aktuelle Situation nicht zu zufrieden macht. Auch in anderen Ländern gibt es große Anstrengungen im Jugendbereich. Viele haben sich an Deutschland orientiert und aufgeholt. Für uns ist es also wichtig, immer wieder neue Wege zu gehen und Entwicklungen zu bestimmen.“
Und der 44-Jährige kann einige Ansätze verraten, die von Seiten des DFB angedacht worden sind. So hat in diesem Fall auch der neue Sportdirektor eine wichtige Funktion. Besonders die Zusammenarbeit zwischen Verband und Verein soll verbessert werden, wie Bierhoff betont: „Zunächst geht es um Optimierung. Robin Dutt sagt zu Recht, dass insbesondere im Jugendbereich die Hauptarbeit in den Vereinen stattfindet. Aber das schließt nicht aus, dass wir von der Nationalmannschaft und natürlich der gesamte DFB unterstützen und helfen. Es muss ein Wissenstransfer in die Vereine und an die Basis stattfinden. Im DFB und in der Nationalmannschaft ballt sich Kompetenz. Durch Trainer, durch die Experten in den verschiedensten Bereichen. Wir müssen bestrebt sein, dieses Know-how weiterzuleiten. Gerade dafür würde das Leistungszentrum eine geeignete Plattform sein, schon weil wir dadurch ein Zentrum der Kommunikation hätten.“
Auf seine Aussage angesprochen, dass er Spanien und den FC Barcelona nicht unbedingt als Vorbild sehen würde, sondern eher Wert darauf legt, dass die deutsche Nationalmannschaft einen eigenen, typischen Spielstil prägt, hat er folgende Ideen: „Dies näher zu definieren, ist die Aufgabe der Trainer. Wobei mich ganz grundsätzlich irritiert, dass nur noch über Barcelona gesprochen und die Spielweise dieses Teams als beispielhaft dargestellt wird. Denn auch das ist endlich. Mannschaften werden Möglichkeiten finden, auf Barcelona zu reagieren, das Spiel wird sich verändern. So war es immer. Ähnlich wie in anderen Bereichen, gibt es auch im Fußball eine Art Wellenbewegung. Nach und nach gleichen sich die Spielweisen an, bis einer etwas Neues kreiert und damit erfolgreich ist. Ich finde die Frage sehr spannend, wie das konkret aussehen wird. Ende der 80er-Jahre hat der AC Mailand mit seiner Spielweise dominiert, jetzt ist es Barca. Wichtig ist es, die Entwicklung des Gesamtfußballs zu sehen und Mittel zu finden, diese Entwicklung selber zu bestimmen.“
Über mehrere Jahre hat der ehemalige Stürmer Oliver Bierhoff in Italien Fußball gespielt. Bei Teams wie Ascoli Calcio, Udinese Calcio, Chievo Verona und nicht zuletzt dem AC Mailand konnte er sich einen ausgezeichneten Ruf erarbeiten. Sogar Torschützenkönig konnte er werden. Da er deshalb auch als eine Art „Italien-Experte“ angesehen wird, hat er auch eine Meinung zum Thema „Rassismus in Italien“, welches durch den jüngsten Vorfall gegen den dunkelhäutigen Kevin-Prince Boateng etwas mehr in den medialen Blickpunkt gerückt ist: „In Italien habe ich diese, aber auch eine andere Form des Rassismus erlebt. Mir ist dort mitunter eine "Deutschenfeindlichkeit" entgegengeschlagen, ich wurde schnell als Nazi beschimpft. Die Aktion von Milan ist ungewöhnlich, und jedenfalls hat sie eines bewirkt: Aufmerksamkeit. Das ist positiv, vor allem, weil diese verhindert, dass Vereine und Politik zur Tagesordnung übergehen können. Es ist wichtig, dass sich der Fußball klar und geschlossen gegen Rassismus positioniert. Das habe ich persönlich immer so getan - und die Nationalmannschaft lebt dies bei jedem Spiel vorbildlich vor.“
Vor wenigen Tagen ist die Wahl zum Weltfußballer des Jahres durchgeführt worden. Seit nunmehr mehr als zwanzig Jahren ist bei dieser Abstimmung kein deutscher Fußballer mehr als Primus gewählt worden. Für Bierhoff stellt dies kein ausgeprägtes Problem dar. Er begründet dies: „Die Leistung, die Zahlen und die Fakten sprechen einfach für ihn. Es wäre unfair, ihm die nötige Anerkennung zu versagen, nur weil er den Titel auch schon in den Jahren zuvor gewonnen hat. Natürlich hätte ich nichts dagegen gehabt, wenn beispielsweise Mesut Özil ganz vorne gelandet wäre. Sein Spiel begeistert mich, aber ich glaube auch, dass er sich in seiner Konstanz noch steigern kann, auch in der Effizienz vor dem Tor. Man muss anerkennen, dass Messi in dieser Hinsicht die Nase vorne hat. Aber Mesut muss nicht traurig sein. Von den deutschen Fans wurde er in der vom Fan Club Nationalmannschaft durchgeführten Wahl zum Nationalspieler des Jahres gewählt. Auch diese Auszeichnung hat einen hohen Stellenwert. Wir sind sehr froh, dass wir ihn bei uns in der Mannschaft haben, er hat eine unglaubliche Qualität. Und er hat gelernt, mit dem hohen Druck und der hohen Erwartungshaltung gut umzugehen.“
In gut einem Monat wird es wieder etwas ernster für die deutsche Nationalmannschaft, wenn am 6. Februar in Paris Frankreich auf das DFB-Team warten wird. Auch wenn es sich bei diesem Nachbarschaftsduell nur um ein Testländerspiel handelt, so ist die Vorfreude bei Bierhoff enorm. Auch die anderen Spiele in diesem Jahr sind ganz nach dem Geschmack des Teammanagers, der bewusst den Fokus auf Aufeinandertreffen mit Spitzenmannschaften gelegt hat. Auch dazu äußert er sich gegenüber „DFB.de“: „Zunächst freut es mich, dass wir auch in diesem Jahr in den Testländerspielen wieder auf Topnationen stoßen werden. Frankreich ist nur der Anfang. Im August streben wir ein Spiel gegen Brasilien an, und falls wir uns direkt für die WM 2014 qualifizieren, werden wir im November aller Voraussicht nach Spiele gegen England und Italien bestreiten. In der Qualifikation haben wir mit den Fahrten nach Kasachstan und auf die Färöer ein paar logistische Aufgaben zu bewältigen, auch das finde ich spannend. Im Sommer werde ich zudem in Brasilien sein und den Confed-Cup besuchen. Außerdem steht mit der Nationalmannschaft die Reise in die USA an, darauf freue ich mich sehr.“
Auch die vielfach kritisierte USA-Reise mit der Nationalmannschaft kann er durchaus etwas Positives abgewinnen: „Klar. Ich kann mich an keine Fernreise mit der Nationalmannschaft erinnern, die im Vorfeld ausschließlich positiv gesehen wurde. Es war sogar häufig so, dass selbst die Spieler nicht restlos von der Sinnhaftigkeit überzeugt waren. Und hinterher war es immer so, dass die Spieler mit großer Begeisterung dabei waren, weil sie gemerkt haben, dass sie von der Reise profitieren. So wird es auch diesmal sein. Miami und Washington sind zwei schöne Reiseziele, wir können dort als Mannschaft am Ende einer Saison eine gute Zeit miteinander verbringen, uns noch besser kennenlernen, aneinander und miteinander wachsen und zusammenwachsen.“
Im DFB-Pokal-Viertelfinale wird es zum großen Showdown der beiden zurzeit besten, deutschen Mannschaft kommen, wenn der FC Bayern München in der heimischen Arena Borussia Dortmund empfangen wird. Besonders im Hinblick auf die geplante USA-Reise im Mai sieht Bierhoff dieses „gefühlte Finale“ keineswegs negativ, wie er „DFB.de“ anvertraut hat: „Ich gebe zu, dass ich über dieses Los nicht böse war. Wobei es natürlich trotzdem sein kann, dass wir bei der Amerika-Reise auf die Spieler beider Mannschaften verzichten müssen. Ich bin der festen Überzeugung, dass auch in diesem Jahr mindestens eine deutsche Mannschaft ins Finale der Champions League einziehen wird. Mich würde das freuen, auch wenn wir dann mit einem Kader nach Amerika reisen würden, in dem diverse neue Gesichter stehen.“
Die geäußerte Kritik kann Bierhoff keinesfalls nachvollziehen, denn neben dem finanziellen Wert und auch dem sportlichen Prestige geht es nach Angaben von Bierhoff bei dieser Länderspielreise vor allem auch ums Image und darum, dass mehr Urlaub für die Nationalspieler herausspringen wird. Letztlich bezeichnet er diese Tour nach Amerika als alternativlos und sinnvoll: „Ich weiß aus meiner Zeit als Spieler, wie wertvoll die Erfahrungen sind, die man auf solchen Reisen sammelt. Andere Mannschaften, die Spanier beispielweise, reisen während der Saison nach Südamerika oder Mittelamerika. Dort hinterfragt niemand den Wert dieser Reisen. Außerdem - was wäre die Alternative gewesen? Wir hätten nur die Möglichkeit gehabt, die offiziellen FIFA-Termine wahrzunehmen und zehn Tage später auf Länderspielreise zu gehen. Die Konsequenz wäre gewesen, dass die Spieler zehn Tage weniger Urlaub gehabt hätten. Die Belastung für die Spieler ist generell sehr hoch, aber gerade deswegen haben wir die Alternative gewählt, die für die Spieler die geringere Belastung darstellt.“

Quelle: dfb.de
Autor: Henning Klefisch
Schlagworte: DFB-Team; Bierhoff; Dutt; Özil; Messi; FC Barcelona; BVB Borussia Dortmund; FC Bayern München
Datum: 14.01.2013 19:08 Uhr
Url: http://www.3-liga.com/news-fussball-oliver-bierhoff--„ich-bin-ueberzeugt--dass-mindestens-eine-deutsche-mannschaft-ins-champions-league-finale-einziehen-wird“-3626.html


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