Neuer: „Ich freue mich auf die Niederlande!“


Für viele Vertreter auf der Pressetribüne von Lemberg war am Samstagabend der Beweis erbracht worden, dass Manuel Neuer endgültig in die Kategorie der Weltklasse gerückt ist. Der einstige Stammtorwart Rene Adler ist längst in Vergessenheit geraten und auch den einst übermächtig erscheinenden Torwarthelden Oliver Kahn und Jens Lehmann wird keine Träne nachgeweint.

Mit Bayern hat er sich den unzweifelhaften Ruf als Vize-Bayern erarbeitet. Nun möchte er unbedingt mit Deutschland den EM-Titel holen. Mit einem Sieg gegen die Niederlande kann der vorzeitige Einzug ins Viertelfinale gefeiert werden. Die Offensivkünstler von „Oranje Boven“ mit Arjen Robben, Wesley Sneijder, Klaas-Jan Huntelaar, Ibrahim Affelay, Rafael van der Vaart und Robin van Persie sind vielzählig und qualitativ äußerst ansprechend. Im Interview mit „dfb.de“ äußert er sich zu unterschiedlichen Themen. Irgendwie lernt man in dieser Frage-Antwort-Runde den Menschen Manuel Neuer besser kennen, so scheint es. Über die bundesweiten Lobeshymnen nach seinen grandiosen Paraden gegen Portugal kann Neuer folgendes berichten: „Ich bleibe immer ganz entspannt. Ich kann meine Leistungen ganz gut einschätzen. Und wichtig ist für mich nicht, was Zeitungen schreiben, sondern was meine Trainer und meine Torwarttrainer von meiner Leistung halten. Ich spreche mit ihnen über die Spiele und analysiere, ob ich mich in der einen oder anderen Szene hätte anders verhalten können, ob ich immer die richtige Entscheidung getroffen habe. Im Spiel gegen Portugal war ich nicht permanent gefordert.“
Konkret angesprochen auf den flatterhaften Ball von Portugals Superstar Cristiano Ronaldo, den der 26-Jährige mit einer absoluten Glanzparade aus dem Toreck abwehren konnte, sagt er: „Es gab auch vorher bei Standards für mich schwierige Situationen. Teilweise kam ich nur mit einer Faust an den Ball. Aber bis zum Schuss von Ronaldo kam kein gefährlicher Ball auf mein Tor. Es ist für einen Torhüter nie leicht, wenn er erst so spät im Spiel den ersten schwierigen Ball halten muss.“
Viele deutsche Fans im Stadion von Lemberg sahen den Ball von Silvestre Varela schon im Tor der deutschen Mannschaft. Das Herzklopfen und die Enttäuschung in den Augen einiger Anhänger war schon erkennbar, denn der Ausgleich hätte eine völlig andere Ausgangsposition beschert. Neuer jedoch hat den Schuss, des vor ihm frei auftauchenden portugiesischen Stürmers sehr gut abwehren können. Über die Schwierigkeit berichtet er dem „dfb.de“: „Schwierig war vor allem, dass die Situation schon längst hätte geklärt sein können. Ronaldo hatte Glück, dass er den Ball überhaupt in die Mitte geben konnte. Es war eigentlich nicht damit zu rechnen, dass der Ball wirklich durchgeht. Aber als Torwart muss man immer auf alles gefasst sein. Ich habe dann versucht, den Winkel so klein wie möglich zu machen. Varela hatte dann wenig Optionen. Er hat mir den Ball in die Weichteile geschossen, das tat zwar weh, aber wenigstens war der Ball nicht im Tor.“
Neben Talent muss ein guter Torhüter sicherlich auch eine gewisse Erfahrung mitbringen können, um zu erkennen, wie er in einer bestimmten Situation reagieren muss. Nach seiner einjährigen Zeit in München kam ihm zugute, dass er nicht oft gefordert wurde, aber in den entscheidenden Momenten präsent war. Seine Sicht dazu: „Daran musste ich mich auch erst gewöhnen. Ich habe das auf Schalke und natürlich auch bei der Nationalmannschaft gegen schwächere Gegner mitunter erlebt. Spiele, bei denen ich kaum gefordert war, waren für mich früher aber eher die Ausnahme. In München ist es eher die Regel. Gerade in der Hinrunde war es so, dass wir Spiele hatten, in denen ich kaum die Möglichkeit hatte, mich auszuzeichnen oder erst spät im Spiel gefordert wurde.“

Diese Europameisterschaft in Polen und der Ukraine ist sein erstes Turnier als unumstrittene Nummer Eins. Bei der vergangenen WM in Südafrika vor zwei Jahren war Neuer erst durch die langwierige Verletzung von Stammkeeper Rene Adler zwischen die Pfosten gerückt. Vor dem tragischen Selbstmord von Robert Enke war der damalige Schalke-Keeper gar nur die Nummer Drei im Tor der deutschen Nationalmannschaft. Letztlich wurde er durch eigenes Zutun zur Nummer Eins. Den Konkurrenzkampf mit Tim Wiese konnte er dann für sich entscheiden. Über seine persönliche Entwicklung sagt er: „Ich denke, dass ich mich persönlich nicht verändert habe. Was sich verändert hat, ist mein Status. Ich habe jetzt einen anderen Stellenwert in der Mannschaft. Mein Wort hat mehr Gewicht, das ist der größte Unterschied. In meinem Spiel hat sich nicht viel geändert. Ich versuche, meiner Mannschaft Sicherheit zu geben und - wenn es die Situation erlaubt - im richtigen Zeitpunkt das Spiel schnell zu machen und im Spielaufbau zu helfen.“
Angesprochen, ob er das eigene Spiel „lies“, kann er keine klare Antwort geben, denn dafür ist das Spiel doch zu unberechenbar, wie der Bayern-Torwart zugeben muss: „Das lässt sich pauschal nicht beantworten. Es gibt Situationen, in denen ich weiß, dass es nicht sinnvoll wäre, das Spiel schnell zu machen. Dann konzentriere ich mich nur auf den Ball. Es gibt aber auch Szenen, wo ich ganz sicher bin, dass ich den Ball bekomme. Und dann habe ich immer die Spielsituation im Blick. Ein gutes Beispiel ist dafür unser Spiel gegen die Türkei. Da habe ich gesehen, dass der Linksverteidiger der Türken sehr offensiv stand und dass Thomas Müller vorne gelauert hat. Ich habe den Ball bekommen, dann ging es ratz-fatz und Mario Gomez hat das Tor gemacht. Natürlich denke ich als Torwart stets daran, wie sich das Spiel weiterentwickeln könnte. Aber das Wichtigste ist immer, dass ich den Ball erstmal sicher in meinen Händen halte. Das ist die Pflicht, alles was danach kommt, ist die Kür.“
Manuel Neuer hat ohne Frage das moderne Torwartspiel in den letzten Jahren massiv geprägt. Er gibt eine kleine Vorschau, wie das Torwartspiel in 30 Jahren aussehen könnte: „Gravierende Änderungen wird es nicht geben. Aber ich kann mir durchaus vorstellen, dass der Torhüter dann noch weiter vorgezogen spielt und noch mehr als Anspielstation und als Ballverteiler agiert. Dass er also nicht mehr im 16er steht, sondern vielleicht 25,30 Meter vor dem Tor. Ich mache das ja teilweise schon, aber es geht noch mehr. Es wird jedoch nie so kommen, dass der Torwart komplett als 11. Feldspieler agiert und zu Dribbling oder permanent zu Aktionen in der Offensive ansetzt.“
Am morgigen Mittwochabend steht das eminent wichtige zweite EM-Gruppenspiel gegen den ewigen Rivalen, die Niederlande, an. Der nahe der niederländischen Grenze aufgewachsene Neuer beschreibt seine besondere Beziehung zum Land des Kontrahenten: „Ja. Ich bin ja in Buer groß geworden. Wir Westfalen haben es nicht weit zur niederländischen Grenze, ich habe dort auch teilweise Urlaub gemacht. Außerdem habe ich auf Schalke mit vielen Niederländern zusammen gespielt. Und jetzt in München spielt mit Arjen Robben wieder ein niederländischer Nationalspieler in unserer Mannschaft. Es gibt also einige Bezugspunkte.“
Der Blondschopf wird von Einigen auch als absoluter Fan wahrgenommen. Die Tatsache, dass er enge Beziehungen zur Schalker Ultra-Vereinigung Buerschenschaft pflegt, wurde für ihn in seiner Anfangszeit beim FC Bayern München zu einem Problem. An ein Länderspiel im ehemaligen Gelsenkirchener Parkstadion im November 1998, hat er spezielle Erinnerungen. „Ich weiß noch, dass ich im Parkstadion mal ein Vorspiel vor einem Länderspiel zwischen Deutschland und den Niederlande gemacht habe. Da war ich in der C- oder D-Jugend. Damals habe ich die besondere Atmosphäre auf den Rängen und auf dem Platz mitbekommen. Für die Fans war dieses Spiel ganz offenkundig sehr speziell.“
Über seine Zeit als Fan erzählt er „dfb.de“ folgendes: „In der Kurve sind alle gleich: Akademiker, Hauptschüler, Reiche, Arme, Alte, Junge. Ich habe diese Atmosphäre immer sehr genossen, es gab keine Hierarchien, es hat niemand gemeint, dass er aufgrund seines Status mehr zu sagen hat. Ich war generell im "normalen" Leben eher der Zuhörer, es war aber nicht so, dass ich in der Kurve der Einpeitscher gewesen bin. Ich bin eher mitgeschwommen.“
Wie schon eingangs erwähnt ist die Offensive das große Prunkstück der Niederlande. Trotzdem demonstriert Neuer Selbstvertrauen, wenn er sagt: „Natürlich wissen wir um ihre Stärke in der Offensive, aber ganz unabhängig davon freue ich mich generell, dass wir jetzt bei einem Turnier auf die Niederlande treffen.“

Quelle: dfb.de
Autor: Henning Klefisch
Schlagworte: Neuer; Nationalmannschaft; Niederlande
Datum: 12.06.2012 22:52 Uhr
Url: http://www.3-liga.com/news-fussball-neuer--„ich-freue-mich-auf-die-niederlande-“-1712.html


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