Löw sieht Steigerungspotential


Die Stimmung bei den mitgereisten Journalisten war gespalten nach dem äußerst glücklichen 1:0 EM-Auftaktsieg gegen Portugal. Die einen sprachen von der deutschen Cleverness und der enormen Defensivstärke, die insbesondere durch Mats Hummels, Holger Badstuber und Jerome Boateng auf dem Feld und Manuel Neuer im Tor symbolisiert wurde. Die anderen sprachen vom unattraktivem Duselfußball, den das Löw-Team an diesem Abend in Lemberg der negativ überraschten Weltöffentlichkeit präsentiert hat.

Fakt ist nun einmal, dass sich enorm gesteigert werden muss vor dem wichtigen Aufeinandertreffen mit dem Erzrivalen Niederlande, da die spielerisch dürftige Leistung auf Dauer nicht belohnt werden wird. Die deutsche Mannschaft muss unbedingt wieder zu ihrer alten Spielfreude und dem angstfreien Kombinationsfußball zurückkehren, will man auch den geplanten EM-Titel realistisch ins Auge fassen können.
Im Gespräch mit „dfb.de“ beschreibt Bundestrainer Jogi Löw den ersten Auftritt seiner Mannschaft bei der Europameisterschaft in Polen und der Ukraine wie folgt: „Der Start in eine EM ist wie ein Formel-1-Rennen, nur ohne eine Warm-up-Runde. Es geht sofort in die Vollen, man muss sofort da sein, ohne dass man sich vernünftig warm machen kann. Gegen Portugal ging es für uns nach der etwas holprigen Vorbereitung in erster Linie um das Ergebnis, um die drei Punkte. Wichtig für das Turnier ist es, dass wir nicht der Musik hinterherlaufen müssen.“
Es war auffällig, dass die Unsicherheit bis unters Tribünendach regelrecht spürbar gewesen ist. Das besonders in der EM-Qualifikation und in einigen Freundschaftsspielen gegen Brasilien und die Niederlande gezeigte Selbstvertrauen war nur bei einigen Defensivakteuren erkennbar. Angst machte sich breit. Das Passspiel war nicht präzise genug und das Laufvermögen nicht ausreichend. Der letzte Mut und Entschlossenheit die Situation richtig zu lösen, hat ebenfalls gänzlich gefehlt. Löw begründet dies: „Nach dem Ergebnis zwischen den Niederlanden und Dänemark waren beide Mannschaften etwas angespannt, denn der Verlierer hätte dann gleich eine K.o.-Situation vor sich gehabt. Deshalb ging es auch darum, ein Gegentor unbedingt zu vermeiden. Keiner wollte in Rückstand geraten. Zudem gehört Portugal zu den besten Mannschaften in Europa, das haben sie auch gegen uns gezeigt. Das Spiel war insgesamt sehr vom Taktischen geprägt, beide Teams haben gut verteidigt.“
Als Stärke seines Teams hat er eine Thematik angesprochen, die augenscheinlich gewesen ist. „Wir haben in der Defensive viel kompakter gestanden als zuletzt in den Testspielen, wir waren insgesamt sehr wachsam. Die Innenverteidigung stand sehr sicher, auch Jerome Boateng und Philipp Lahm auf den Außenpositionen haben ihre Sache sehr gut gemacht. Boateng hat Cristiano Ronaldo weitestgehend im Griff gehabt. Aber alle Abwehrspieler waren sehr präsent in den Zweikämpfen.“
Zugleich fand er hingegen auch kritische Worte. Dennoch ist er optimistisch, dass sich die Probleme im Laufe des Turniers abstellen lassen. Möglichst schon bis zum kommenden Spiel gegen die Niederlande: „Wir hätten einige Angriffe besser durchspielen können, aber das wird noch kommen. Wir müssen insgesamt noch zielstrebiger werden und uns noch mehr Chancen herausarbeiten. Da bin ich aber zuversichtlich, denn für uns hat das Turnier jetzt richtig begonnen. Der Sieg wird uns auch Sicherheit in unserem Spiel nach vorne geben.“
Vor dem Spiel gab es eine intensive Personaldiskussion. Das Rätselraten der Medien war enorm, welche Spieler das Vertrauen des Bundestrainers erhalten würden. Löw nennt Gründe für die vollzogenen Personalentscheidungen: „Die Entscheidung zugunsten von Gomez stand schon zwei, drei Tage fest. Darüber hatte ich auch mit Miroslav Klose gesprochen. Ihm fehlten zuletzt noch einige Prozent, obwohl er ähnlich wie Mertesacker im Training sehr gut gearbeitet hat und jetzt wieder voll auf der Höhe ist. Aber Gomez hat das ganze Jahr gespielt und sehr viele Tore gemacht. Und seine Klasse hat er auch gegen Portugal bewiesen. Eine Chance, ein Tor - das spricht für seine besondere Qualität. Hummels hat den Vorzug erhalten, weil er mit Rückenwind und Spielpraxis aus der Saison kam. Per fehlte zuletzt die Wettkampfpraxis.“
Besonders im Fokus der öffentlichen Kritik stand Mario Gomez, der sich nur spärlich am deutschen Kombinationsspiel beteiligt hat und größtenteils im Strafraum verweilte. Völlig richtig daher die Idee von Löw den unglücklich agierenden Deutsch-Spanier auszuwechseln. Glücklicherweise köpfte er sich in der 72. Spielminute zum Matchwinner. Löw bestätigt bei „dfb.de“ seine Idee der Auswechslung: „Ja, das stimmt. Das war so die Zeit zwischen der 70. und 75. Minute, wo man als Trainer was machen will. Mario hatte viel Laufarbeit verrichtet, hatte Pepe ständig unter Druck gesetzt. Er schien mir etwas müde. Wir wollten ihn in der Tat zwei Minuten vor seinem Tor auswechseln. Ich muss mit dem vierten Schiedsrichter noch mal hart ins Gericht gehen. Aber er hat so lange gebraucht, das anzuzeigen. Mario hat dann das Tor gemacht, so dass wir noch ein bisschen gewartet haben.
Über die Leistung von Bastian Schweinsteiger, der ohne die notwendige Spielpraxis agiert hat fällt Löw folgendes Urteil: „Bastian ist sehr wichtig für die Mannschaft. Er war von Beginn an der Organisator und war gemeinsam mit Sami Khedira sehr präsent im Mittelfeld. Man darf nicht vergessen, dass er in der Endphase der Saison sehr viel gespielt hat, zuletzt sogar noch 120 Minuten im Finale der Champions League.“
Negativ sieht Löw die völlig überraschende Niederlage des kommenden Gegners Niederlande gegen den Außenseiter aus Dänemark. Nun muss der westliche Nachbar der Bundesrepublik unbedingt gegen das DFB-Team gewinnen, will man auch weiterhin dem Ziel EM-Titel nachgehen. Löw hätte sich ein anderes Ergebnis gewünscht: „Mir wäre es lieber gewesen, wenn dieses Spiel unentschieden geendet hätte. Die Niederlande stehen jetzt mit dem Rücken zur Wand, sie müssen voll auf Sieg spielen. Das macht die Partie nochmal ein Stück brisanter und für uns noch schwieriger als ohnehin schon erwartet.“

Quelle: dfb.de
Autor: Henning Klefisch
Schlagworte: DFB-Team; Löw; Gomez; Klose; Schweinsteiger; Badstuber; Hummels; Mertesacker; Khedira
Datum: 10.06.2012 18:05 Uhr
Url: http://www.3-liga.com/news-fussball-loew-sieht-steigerungspotential-1696.html
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