Lewis Holtby: „Premier League sollte sich an der Bundesliga orientieren“


Lewis Holtby spielt in der englischen Premier League für die Tottenham Hotspurs und hat sich damit einen lang gehegten Traum erfüllt. Für viele Fußball-Profis gilt die englische Eliteklasse immer noch als die beste Liga der Welt, weil dort die meisten europäischen Topstars kicken und auch die finanziellen Verhältnisse am lukrativsten erscheinen. Mit dem FC Chelsea London gibt es jedoch nur eine Mannschaft aus der Premier League, die reale Finalchancen im europäischen Wettbewerb besitzt. Und dies in der prestigeträchtig eher als zweitklassig angesehenen Europa League. Im Gespräch mit „fussball.de“ äußert sich der Deutsch-Engländer nun über sein Team, aber auch das Ansehen der deutschen Bundesliga in England.

„Auf dem Transfermarkt wird es in der Premier League mächtig abgehen“
Bekanntlich spielt keine englische Mannschaft in den Halbfinals der Champions League mit. Für Holtby ein Indiz, dass der Investitionswille auf der Insel wieder neu aufleben wird: „Meiner Meinung haben sich in dieser Saison einfach die vier besten und attraktivsten Teams durchgesetzt. Gerade die deutschen Mannschaften Borussia Dortmund und Bayern München werden hier schon lange als Favoriten auf den Titel gehandelt, die stehen vollkommen verdient im Halbfinale. Man merkt überall in England, dass der Respekt vor der Bundesliga immer größer wird. Das ist wiederum aber auch ein Warnzeichen für uns. Ich glaube, dass es hier im Sommer auf dem Transfermarkt mächtig abgehen wird und die Premier League wieder zu Spanien und Deutschland aufschließt.“

Spanien und Deutschland als Vorbild für England
Und er räumt freimütig ein, dass sich der englische Fußball auch an der Bundesliga orientieren sollte, damit die Spielklasse, die noch vor wenigen Jahren mit vier Mannschaften das Halbfinale in der europäischen Königsklasse komplett allein gestellt hat, wieder zu alten Erfolgen zurückkehren kann. Der oftmals gelobte schnelle Fußball scheint in England nicht mehr wirklich praktiziert zu werden, wenn man den Worten von Holtby lauschen darf: „Der Spielstil der deutschen und spanischen Teams - vor allem der von den Bayern - ist momentan sicherlich das Nonplusultra. Hier in England gibt es das System des schnellen One-Touch-Fußballs fast gar nicht. Die Mannschaften verteidigen sehr tief, meistens sogar direkt vor dem Sechzehner. Deswegen wird hier oft der Ball von einem Spieler durchs Mittelfeld getragen - und dann wird geschaut, was man macht gegen die zwei Viererketten, die da stehen. Ich habe früher gelernt, dass Fußball am besten mit zwei Kontakten gespielt wird. Warum das hier anders ist, verstehe ich ehrlich gesagt auch nicht.“ Und er nennt die frappierenden Unterschiede zwischen Bundesliga und Premier League: „Generell ist das Spiel kraftraubender. Da das Mittelfeld einfach viel schneller überbrückt wird, geht es oft 90 Minuten lang in vollem Tempo hin und her. Die einzige Zeit zum Verschnaufen gibt es, wenn der Ball mal auf die Tribüne fliegt. In der Premier League gibt es pro Spiel nur einen Spielball, deswegen sind die Unterbrechungen vor Einwürfen oder Eckbällen länger als in Deutschland. Ich freue mich da richtig, wenn ich mal tief durchatmen kann.“

„Egal, ob die mich feiern oder beleidigen – das gibt mir unheimlich Kraft“
Auch zu der vielfach diskutierten englischen Härte kann er eine interessante Anekdote erzählen: „Das ist so eine Sache für sich. Ich habe hier bereits zwei Gelbe Karten gesehen für Zweikämpfe, die in der Bundesliga vermutlich kein Schiedsrichter abgepfiffen hätte. In der nächsten Aktion wurde ich dann mit einer zweibeinigen Grätsche umgesäbelt und die Partie lief einfach weiter. Das ist die Ironie des Spiels hier. Oder die Ironie des Deutschen in der Premier League.“ Als sehr vorteilhaft nimmt er hingegen die große Nähe zu den Anhängern wahr, die direkt am Spielfeldrand sitzen und für eine beeindruckende Atmosphäre sorgen können: „Nein, ganz im Gegenteil. Ich finde das geil. Egal, ob die mich feiern oder beleidigen - das gibt mir unheimlich Kraft. Wenn ich auf dem Platz einem Spieler hinterherjage und ich merke, dass die Zuschauer das honorieren und mitgehen, bekomme ich die zweite Luft und gebe noch einmal mehr. Die Zuschauer jubeln hier fast wie bei einem Tor, wenn ein Ball gewonnen wird. Ich bekomme immer noch richtige Gänsehaut, ich liebe diesen Kontakt mit den Fans.“

„Bale hat auf jeden Fall das Potential, der nächste Ronaldo zu werden“
In seinem Verein bei den Tottenham Hotspurs spielt mit Gareth Bale ein walisischer Nationalspieler, der über ungeahnte Qualitäten verfügt. Für Holtby gibt es überhaupt keinen Zweifel, dass er auch das Potential für einen absoluten Weltklasseklub haben könnte: „Bale hat auf jeden Fall das Potenzial, der nächste Ronaldo zu werden. Der Junge ist ein absoluter Kracher, ein Riesen-Kicker. Er geht immer absolutes Risiko und versucht aus allen Lagen Tore zu schießen. Ich stehe oft auf dem Platz und denke, was macht der denn jetzt schon wieder?! Von zehn Aktionen gehen zwar auch mal sieben daneben, aber dann greift er halt dreimal in die ganz große Trickkiste und entscheidet das Spiel. Im Endeffekt wird der Mutige belohnt - und dieser Mutige ist bei uns Bale.“ Zugleich weiß der Ex-Schalker jedoch auch, dass die Qualifikation für die Champions League sehr wichtig für die Entwicklung des Vereins aber auch als Anreiz für einen Verbleib von Bale ist, der sich mit den besten Fußballern auf diesem Kontinent messen möchte: „Das ist richtig. Aber ich glaube fest daran und bin absolut überzeugt, dass wir das schaffen. Ich will unbedingt in die Champions League, unser Ziel ist Platz vier. Um das zu erreichen, müssen wir unter anderem den FC Chelsea hinter uns lassen. Eins unserer nächsten Spiele an der Stamford Bridge steigt gegen die Blues. Das wird ein Derby mit Pokalfinal-Charakter, in dem es um die Champions League geht. Solche Spiele machen den Fußball aus, das wollen die Fans sehen. Und solche Partien will man als Spieler erleben. Ich freue mich jetzt schon darauf.“

Auslandserfahrung ist vor allem wichtig für Persönlichkeitsentwicklung
Lewis Holtby hat keinerlei Sorge, dass er durch sein England-Abenteuer möglicherweise aus dem Blickfeld von Bundestrainer Joachim Löw rücken könnte. Davor ist das Bewusstsein in die eigene Stärke doch zu stark ausgeprägt: „Diese Angst habe ich nicht. Neben mir spielen ja mit Per Mertesacker und Lukas Podolski noch zwei weitere Nationalspieler in London, mit André Schürrle kommt vielleicht bald noch ein weiterer hinzu. Da lohnt es sich dann auch für Joachim Löw mal, sich ein Premier-League-Spiel anzugucken. Zudem war unser Co-Trainer Steffen Freund früher U-17-Trainer beim DFB. Der Kontakt ist also immer da, und ich habe auch vor meinem Wechsel nach England lange mit dem Bundestrainer geredet. Er weiß also, wo ich bin.“ Der 22-jährige gebürtige Erkelenzer macht auch deutlich, dass nicht nur sportlich ein Wechsel ins Ausland absolut lohnenswert erscheint. Auch für die persönliche Entwicklung stellt dieser Schritt eine sehr wichtige Erfahrung dar: „In erster Linie ist es gut für die Spieler, die diesen Schritt wagen. Im Ausland zu wohnen, eine neue Kultur kennen zulernen, und einfach mal aus dieser Wohlfühl-Oase der Heimat auszubrechen, ist vor allem für die Persönlichkeitsentwicklung Gold wert. Ich bin überzeugt, dass sich das auch positiv auf die sportliche Leistung auswirkt. Das letzte Mal, dass so viele deutsche Nationalspieler im Ausland gespielt haben, war wohl 1990. Und wie die WM in diesem Jahr ausgegangen ist, wissen wir wohl alle.“ Im Juni gibt es in Israel die U-21-Europameisterschaft. Dort wird auch Holtby spielen, weil es für ihn eine absolute Ehre ist für sein Geburtsland aufzulaufen. Dies macht er auch gegenüber „fussball.de“ nun deutlich, wenn er begründet: „Weil ich den Fußball liebe. Außerdem kann ich dort für mein Land spielen und einen Titel gewinnen. Es gibt nichts Schöneres.“

Quelle: fussball.de
Autor: Henning Klefisch
Schlagworte: Lewis Holtby; FC Chelsea London; Europa League
Datum: 26.04.2013 19:43 Uhr
Url: http://www.3-liga.com/news-fussball-lewis-holtby--„premier-league-sollte-sich-an-der-bundesliga-orientieren“-5196.html


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