Lahm: „Spanien ist für mich eine Jahrhundertmannschaft“


Die Bundesliga hat nun also das nächste Wochenende eine kollektive Pause. Grund genug um die Nationalmannschaft vor den beiden Begegnungen gegen Kasachstan etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Im Gespräch mit „DFB.de“ äußert sich Nationalmannschaftskapitän Philipp Lahm zu verschiedenen interessanten Themen, die die Nationalmannschaft aber auch die eigene Person betreffen. Für ihn steht zumindest schon einmal fest, dass aus diesen beiden Spielen mit der Maximal-Punkteausbeute von zwölf gegangen werden sollte.

Fokus liegt auf eigener Leistung
Im Zusammenhang mit Lahm wird auch immer wieder über seine Lieblingsposition gesprochen. Nun nimmt er zu der immer wiederkehrenden Diskussion, ob er lieber rechts oder links verteidigen soll, Stellung: „Das stimmt. Ich spiele jetzt seit etlichen Jahren entweder auf der Position des linken oder des rechten Außenverteidigers. Ich meine, dass ich diese Position im Griff habe. Dies erlaubt mir, zunehmend Einfluss auf das gesamte Gebilde der Mannschaft zu nehmen.“ Und er versucht dies konkret zu erklären, wenn er sagt: „Das entwickelt sich im Laufe der Jahre. Es ist doch klar, dass man zu Beginn der Profikarriere zunächst mehr auf sich schaut und sich fragt: Wie kann ich mich verbessern? An welchen Schwächen muss ich arbeiten? Welche Fehler muss ich abstellen? Mit der Zeit, kommt dann die Erfahrung dazu und der Blick geht dann auch über den eigenen Tellerrand hinaus.“ Dennoch erachtet er seine Position als Außenverteidiger keinesfalls als Nebensache. Vielmehr macht er deutlich, dass sein primärer Fokus eindeutig auf seine angestammte Position gerichtet ist: „Nein, natürlich nicht. Ich muss mich auf dem Spielfeld immer noch mit meinem Spiel beschäftigen. Wenn man über Jahre auf der gleichen Position spielt und schon sehr viel erlebt hat, kann man sich mehr um das gesamte Mannschaftsgebilde kümmern.“

Mentale Stärke bei Länderspielen entscheidend
Es ist ein offenes Geheimnis, dass im internationalen Spitzenfußball zunehmend auch die mentale Komponente eine enorm wichtige Rolle spielt. Auf die getätigte Aussage von Vize-Kapitän Bastian Schweinsteiger angesprochen, der sich nach einigen wichtigen Spielen psychisch mehr ausgelaugt fühlt als physisch kann er folgendes preisgeben: „Es kommt immer auf das Spiel an. Zum einen natürlich auf die Intensität, man wird ja nicht in jedem Spiel gleichermaßen körperlich gefordert. Für den Kopf gilt dies ähnlich. Natürlich sind die K.o.-Spiele mental anstrengender als etwa "normale" Spiele zu Beginn der Bundesliga-Saison.“ Und er ist zufrieden damit, dass die Verantwortung von mehreren Spielern übernommen wird: „In jeder Mannschaft gibt es mehrere Spieler, die nicht nur das eigene Spiel im Blick haben. Es ist gut, wenn diese Verantwortung auf verschiedene Schultern verteilt ist.“

Bedeutung der Balance zwischen Defensive und Offensive
Philipp Lahm spielt zweifelsfrei in einer der interessantesten Teams, die es derzeit im Weltfußball zu bestaunen gibt. Sowohl mit seinem Verein, dem FC Bayern München wie mit der deutschen Nationalmannschaft strebt er die größtmöglichsten Titel an. Besonders die perfekte Mischung zwischen einem sicheren Defensiv- und Offensivspiel hat für ihn eine gewaltige Bedeutung: „Auf höchstem Niveau geht es genau darum. Wenn man sich die Spiele der Topmannschaften anschaut, sieht man, dass deren Spielweise immer geprägt davon ist, dass diese Balance stimmt. Es ist das Schwierigste im Fußball, offensiv zu agieren und in der Defensive trotzdem gut organisiert und sicher zu stehen. Davon lebt die Offensive ja auch. Defensive Stabilität gibt der Offensive die Sicherheit, die sie für ein kreatives und risikofreudiges Spiel benötigt. Diese Balance muss man sich erarbeiten, das ist sehr schwierig. Zumal für die Nationalmannschaft, die ja im Regelfall nur für ein paar Tage zusammen ist. Eine richtige Chance dazu haben wir in der Nationalmannschaft im Grunde nur in der Vorbereitung vor den großen Turnieren.“

Endspiel gegen Schweden in WM-Quali droht
Das 4:4-Unentschieden gegen die schwedische Nationalmannschaft ist äußerst bitter gewesen. Dies kann sich sogar für das Qualifikationsspiel im Oktober in Schweden auswirken, wenn es in diesem Match möglicherweise ein Endspiel um den Gruppensieg geben wird. Selbstbewusst äußert er sich zu den Chancen gegen das skandinavische Team um den Superstar Zlatan Ibrahimovic: „Wir haben es nicht in der Hand, das zu verhindern. Wenn Schweden alle Spiele gewinnt, dann ist die Konstellation eben so. Aber mir wäre vor ihr nicht bange. K.o.-Spiele sind immer interessant, ich sehe sie als Herausforderung. Allerdings müssen wir uns jetzt noch nicht mit dem Spiel gegen Schweden beschäftigen. Wir haben zuvor noch ein paar andere Aufgaben zu bewältigen, wir sollten nicht den zweiten Schritt vor dem ersten setzen. Wir schauen nur auf uns, und wenn wir unsere Leistung bringen, bin ich sicher, dass sich unsere Qualität durchsetzt.“

„Spanien bei WM 2014 der größte Favorit“
Wie schon bereits erwähnt spielt Lahm in zwei absoluten Spitzenteams. Neben Bayern, wo er das Tripple anstrebt, steht für ihn auch die Nationalmannschaft international auf einem ganz besonders hohem Level, wie er „DFB.de“ verraten hat: „Ja, ähnlich. Das haben die letzten Jahre gezeigt. Wir waren bei den großen Turnieren konstant mindestens im Halbfinale. Die meisten Mannschaften treffen wir auf Augenhöhe - mindestens. Man muss aber immer noch sagen, dass Spanien die vergangenen drei Turniere in Serie gewonnen hat. Aus meiner Sicht hat Spanien im Weltfußball noch immer eine exponierte Stellung. Spanien ist für mich eine Jahrhundertmannschaft. Deswegen ist dieses Team für mich bei einem Turnier auch immer noch der größte Favorit.“

Besondere Erinnerungen an Länderspielpremiere
Derzeit hat Lahm 96 Länderspiele für das DFB-Team absolviert. Schon in diesem Jahr wäre die magische Zahl von 100 Auswahleinsätzen möglich. Vor knapp zehn Jahren hat er zum ersten Nationalmannschaftsluft schnuppern dürfen. Nun teilt er seine Eindrücke von damals mit: „Das vergisst man nicht, das wird immer präsent sein. Die erste Einladung, die ersten Momente beim Team, das erste Spiel – ich weiß dies alles noch wie gestern. Das sind prägende Momente, die bleiben. Ich war damals gerade mal ein halbes Jahr Profi, dann wurde ich zum Länderspiel gegen Kroatien berufen. Für mich ging alles sehr schnell, binnen sechs Monaten wurde ich vom Amateurspieler zum Nationalspieler.“ Und seine Entwicklung zum Spielführer und dementsprechend Führungsspieler und der zunehmende Druck wird von ihm ebenfalls kommentiert, wenn der 29-Jährige sagt: „Am Druck würde ich das nicht unbedingt festmachen, auch als junger Spieler spürt man Druck. Die Situation von damals lässt sich dennoch nicht mit der heute vergleichen. Schon deswegen nicht, weil sich die Struktur der Nationalmannschaft erheblich gewandelt hat. Ich als Neuling war damals von sehr vielen deutlich älteren Spielern umgeben, die alle so um die 30 Jahre alt waren. Jetzt bin ich fast 30 - und auf einmal bin ich von sehr vielen Spielern umgeben, die sehr viel jünger sind.“

Kahns Worte wichtig für weiteren Karriereverlauf
Vor knapp neun Jahren hat Lahm bei der Europameisterschaft in Portugal 2004 sein erstes Turnier absolviert. Dieses verlief mit dem vorzeitigem Ausscheiden in der Vorrunde fast schon miserabel. Dennoch hat sich die damals unumstrittene Führungsfigur Oliver Kahn äußerst positiv über den damaligen Jungspund geäußert. Dies hat Lahm bekanntlich beflügeln können und er hat auch dadurch an Selbstvertrauen erhalten, welches ihm bei seinem weiteren Karriereverlauf sehr dienlich gewesen ist: „Olli hat das nebenbei zu mir gesagt. Ich glaube nicht, dass er sich daran erinnert. Aber für mich als junger Spieler war das etwas Großes. Natürlich habe ich mir damals viele Gedanken über meine Leistung und meinen Anteil am Misserfolg gemacht. Da haben mir diese Worte geholfen - in der Enttäuschung haben mich diese Geste und diese Anerkennung wieder aufgebaut. Und natürlich mache ich das jetzt in ähnlicher Weise... Zum Glück sind wir seit 2004 in keiner Vorrunde mehr ausgeschieden.“ Und er nennt zugleich aus dem heutigen Fußballgeschäft Personen auf, die eine besonders große Bedeutung für ihn besitzen: „Das sind in erster Linie natürlich die Trainer, also Jupp Heynckes und Joachim Löw. Trainer und Mannschaftskollegen wissen am besten, welche Aufgaben die einzelnen Spieler in dem jeweiligen Spiel hatten.“

Gefühlstäuschung vor EM-Halbfinale gegen Italien
Vom Gefühl wurde er ein wenig vor dem EM-Halbfinale gegen Italien getäuscht. Zuvor hat er bei Kenntnis der unglaublichen Qualität der Mannschaft mit einem Finaleinzug gerechnet. Bekanntlich hat Deutschland gegen den Angstgegner jedoch verdient mit 1:2 verloren. Und damit ist das DFB-Team zum wiederholten Male frühzeitig bei einem EM- oder WM-Turnier gescheitert, auch wenn immer zumindest die Halbfinalteilnahme stand. Lahm möchte jedoch nur einen kurzen Rückblick werfen, wie er „DFB.de“ verraten hat: „In den ersten Minuten eines Spieles bekommt man schon ein Gefühl, wie man selbst und auch die Mannschaft drauf ist. Vor dem Spiel gegen Italien hatte ich ein sehr gutes Gefühl. Weil unsere Mannschaft sehr viel Qualität hat und weil auch die Leistungskurve vor dem Spiel gestimmt hat. Leider kommt es vor, dass einen das Gefühl täuscht. Aber Italien und die EM sind abgehakt, wir haben jetzt 2013 und neue Ziele.“

Kein Fokus auf möglichen EM-Titel
Zugleich fällt es ihm jedoch sichtlich schwer, dass er schon über ein Jahr vor dem WM-Turnier über einen möglichen Titelgewinn der deutschen Nationalmannschaft spricht. Dies macht er deutlich. Sein Fokus ist auf die anstehenden Aufgaben gerichtet, die eine enorme Bedeutung haben werden. Mit dieser Methode wird er auch besser fahren: „Ich finde es zu früh, jetzt schon darüber zu reden, was im Sommer 2014 kommen könnte. Ich habe mich nach der EM über die WM geäußert, dazu stehe ich auch, weil eine deutsche Nationalmannschaft mit der Historie und der Qualität des aktuellen Kaders nicht ohne die größten Ambitionen zu einem Turnier fahren kann. Als Leistungssportler ist man immer sehr ehrgeizig, man will so viele Titel wie möglich gewinnen. Natürlich habe ich den Traum vom WM-Titel. Aber aktuell müssen wir uns auf unsere Ziele konzentrieren. Für uns gilt es, so schnell wie möglich die Qualifikation zu schaffen. Wenn wir das geschafft haben, muss es unser Ziel sein, eine Top-Vorbereitung auf die WM zu haben. Dann muss es unser Ziel sein, die Gruppenphase zu überstehen. Ein Schritt nach dem nächsten, aus vielen Zielen kann sich ein Traum ergeben. Deswegen ist das Wichtigste immer das nächste Ziel.“

Quelle: dfb.de
Autor: Henning Klefisch
Schlagworte: DFB-Team; Nationalmannschaft; Löw; Lahm; Heynckes; FC Bayern München
Datum: 19.03.2013 17:09 Uhr
Url: http://www.3-liga.com/news-fussball-lahm--„spanien-ist-fuer-mich-eine-jahrhundertmannschaft“-4616.html


Kommentare

Die Kommentar-Funktion wird momentan überarbeitet und ist in Kürze wieder verfügbar!

Für diese News ist leider noch kein Kommentar vorhanden.

Für den Inhalt des Kommentars ist der Autor verantwortlich. Die Kommentare spiegeln nicht die Meinung von 3-liga.com wieder.



Diese 3. Liga News könnten Sie ebenfalls interessieren


Demnächst bekommen Sie die News auch als Homepagetool für Ihre eigene Webseite.
Sie möchten auch News für 3-liga.com schreiben? Dann werden Sie Fan-News-Schreiber. Mehr Informationen dazu bekommen Sie hier.