Klefisch spricht Klartext: Die Bundesliga braucht Hoffenheim nicht


Die Umfragen vor den beiden Relegationsspielen waren eindeutig. Die deutliche Mehrheit drückte dem Zweitligisten 1. FC Kaiserslautern die Daumen im Duell gegen den Bundesligisten 1899 Hoffenheim. Letztlich hat sich die größere Qualität und Cleverness jedoch durchgesetzt und die Kraichgau-Kicker haben nach einem 3:1-Hinspielsieg auch im Rückspiel auf dem gefürchteten Betzenberg relativ souverän mit 2:1 gewinnen können. Damit gehen die Schützlinge von Erfolgstrainer Markus Gisdol in ihr sechstes Bundesligajahr in Folge. So richtig freuen kann sich darüber keiner. Bis auf die geringe Anzahl an 1899-Sympathisanten. Der renommierte Sportjournalist Henning Klefisch nennt die Gründe für diese Antipathie:

Provinzieller Kommerzverein
Beschaulich liegt dieser 3.000 Seelen-Ort Hoffenheim im idyllischen Kraichgau. Ein romantisches Dorf in der Rhein-Neckar-Region. Nur die skurrilsten Personen können bei vollem Verstand auf die Idee kommen, dass aus diesem Provinzposten ein Bundesligist kommen könnte. Das 5.000 Zuschauer fassende Dietmar Hopp-Stadion liegt etwas oberhalb des Dorfes und dient den viertklassigen Amateuren als Spielstätte. Auch das alte Trainingsgelände neben den Kuhställen vom lokalen Landwirt gelegen, ist verwaist, denn „Hoffe“ will hoch hinaus. Geld scheint dank SAP-Mäzen Dietmar Hopp reichlich da zu sein. Weit mehr als 300 Millionen hat er schätzungsweise in dieses „Projekt“ gepumpt. Ein 15 Millionen Euro teures Trainingszentrum im benachbarten Zuzenhausen ist ebenso entstanden wie die schmucke Rhein-Neckar-Arena, deren blaue Sitzschalen besonders häufig bei Spielen des vielleicht unbeliebtesten Teams der Bundesliga schimmern.

Wo ist deine Fankultur?
Dieser massive Zuschauerschwund ist einer der Kritikpunkte, der sich an diesem Verein erzürnt. Anfang 2009 wurde diese hochmoderne 30.000 Zuschauer fassende Arena erbaut. Im ersten Jahr weckte dieses Bauwerk und auch der Verein echte Neugierde in der Rhein-Neckar-Region. Meist war das Stadion ausverkauft. Ein echtes Eventpublikum hat sich breitgemacht, denen zuweilen die Stadionqualität wichtiger erschien als die leidenschaftliche Unterstützung des eigenen Teams. Selbst die eigene Fankurve weist große Lücken auf, was einzigartig in der Bundesliga ist und zeigt, dass der Verein in der Region nicht angenommen wird. Die Fanbasis ist nicht stabil genug, um tatsächlich auch in schlechten Vereinen zum Verein zu stehen. Es wird sich schon selbst auf die Schulter geklopft, wenn beim alles entscheidenden letzten Saisonspiel bei Borussia Dortmund über 3.000 Fans mitkommen, um zumindest den Oberrang des Signal-Iduna-Parks zu füllen. Meist dominieren leere Plätze, wenn sich die TSG auf Reisen macht. Eine echte Fankultur hat sich noch nicht entwickelt bei einem Verein, der vor zwanzig Jahren noch in der Kreisliga spielen musste. Selbst bei Viertligist RW Essen kommen zu den meisten Auswärtsspielen mehr Fans mit, als bei 1899, wo oft nur maximal wenige Hundert den Gästeblock bevölkern.

Hoffenheim kauft sich den Aufstieg
Dann kam Selfmade-Millionär Dietmar Hopp und hat umfassend investiert. Es ist ein Märchen, wenn erzählt wird, dass er sich diesem Verein tief verbunden fühlt. Ursprünglich sollte Waldhof Mannheim und der SV Sandhausen die finanzielle Förderung des ehemaligen Hoffenheim-Spielers erhalten. Erst als diese dankend abgelehnt haben, kam sein Heimatverein ins Spiel. Sensibel und empfindlich wird reagiert, wenn von Wettbewerbsverzerrung im Zusammenhang mit der TSG 1899 Hoffenheim gesprochen wird. Genau das ist es nämlich. Gern erinnert man sich beispielhaft an die Spielzeit 2007/08, als der traditionsreichere FSV Mainz 05 unter der Ägide vom derzeitigen BVB-Trainer Jürgen Klopp auf Aufstiegsrang drei gestanden hat. Während der Saison verstärkte sich die TSG mal eben so mit Spielern wie die Brasilianer Carlos Eduardo, Luis Gustavo, die Afrikaner Chinedu Obasi und Demba Ba und dem Schweden Per Nilsson und holte sich dank dieser massiven Qualitätszufuhr den Aufstiegsplatz drei unter Trainer Ralf Rangnick. Auch der Hochmut nach der überraschenden Herbstmeisterschaft 2008/09 bei einigen euphorisierten TSG-Anhängern haben viele Fußballfans in Deutschland noch nicht vergessen können.

Hoffenheims „Wilderei“ bei Jugendspielern
Oft spricht die Vereinsführung der TSG 1899 Hoffenheim davon, dass man schon seit 1899 existiert und damit über deutlich mehr Tradition als Vereine wie Dortmund, Schalke oder Köln verfügt. Im Jahr der Vereinsgründung wurde allerdings die Turnabteilung des Vereins gegründet. Von Fußball konnte da noch keine Rede sein. Dies wird ebenso verschwiegen wie die Tatsache, dass bei traditionsreichen Vereinen in der Nähe wie beim VfB Stuttgart, Eintracht Frankfurt und dem 1. FC Kaiserslautern in der Jugendabteilung mächtig „gewildert“ worden ist. Schon Jugendspieler wurden mit monetären Anreizen und einer vielversprechenden Schulbildung in die allerdings exzellenten Jugendinternate gelockt. Geld ist der dominierende Faktor bei den „Blauen“, da andere Attribute wie Fankultur, Tradition und Europacup schmerzlich vermisst werden. Nun hält man sich jedoch nach deutlichen Ansagen durch die anderen Vereine merklich zurück, um sich nicht noch unbeliebter zu machen.

Dortmund verpasst den Todesstoß
Borussia Dortmund muss man einfach mögen. Wenn man nicht gerade Fan des Erzrivalen FC Schalke 04 ist. Was der BVB allerdings im letzten Bundesligaspiel gegen TSG 1899 Hoffenheim im heimischen Stadion veranstaltet hat, hat nicht nur den Verantwortlichen von Fortuna Düsseldorf die Zornesröte ins Gesicht getrieben. Nach total überlegenen 70 Spielminuten, wo ein Kantersieg möglich gewesen wäre, beendete der Champions League-Finalist den Spielbetrieb abrupt und verlor völlig unnötig noch mit 1:2 gegen Hoffenheim. Ein Dortmunder-Unentschieden hätte für den Abstieg des polarisierenden Vereins gesorgt. Man muss kein Prophet sein, um zu wissen, dass der investitionsfreudige Dietmar Hopp reichlich Geld in den Kader stecken wird. Noch so eine Saison wollen sie nicht noch einmal erleben. Sie werden die Lehren daraus ziehen. Borussia Dortmund hat viel Ansehen durch diesen Auftritt verspielt und hätte auch bei vielen Ultra-Fans, die Hoffenheim sehr kritisch beäugen, fast schon einen Heldenstatus erspielen können.

Quelle: Privat
Autor: Henning Klefisch
Schlagworte: TSG 1899 Hoffenheim; Gisdol; Hopp; Kraichgau
Datum: 28.05.2013 18:32 Uhr
Url: http://www.3-liga.com/news-fussball-klefisch-spricht-klartext--die-bundesliga-braucht-hoffenheim-nicht-5710.html


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