Klefisch-Exklusiv trifft Ex-Bundesligakeeper Stefan Wessels


Früher stand Stefan Wessels im Bundesligator und spielte in der Champions League und Bundesliga. Er war ein gefeierter Bundesliga-Profi, den die Fans huldigten. Bereits im Alter von 32 Jahren hat der ehemalige Bayern-Keeper seine Fußballerkarriere beendet und konnte einen völlig anderen Bereich für sich entdecken. Nicht mehr im Fußballzirkus dabei, arbeitet er gegenwärtig mit Kindern in der Osnabrücker Ballschule, um den 3 bis 10-Jährigen sämtliche Komponenten des Ballsports beizubringen. Rund-Magazin-Reporter Henning Klefisch hat den 34-Jährigen in der Ballschule besucht und ihm einige Fragen zu diesem völlig anderen Berufsleben gestellt.

Wie bist Du zur Ballschule gekommen? Was waren die Gründe für diesen etwas ungewöhnlichen Job?

„Mein Sohn war drei Jahre alt und wollte Fußball spielen. Er hat dann hier in der Ballschule damit angefangen. Nach kurzer Zeit haben mich die entsprechenden Verantwortlichen der Ballschule gefragt, ob ich denn das Fußballtraining übernehmen möchte. Das war exakt in der Phase, wo mein Vertrag beim VfL Osnabrück ausgelaufen gewesen war. Ich war damals auf der Suche nach einem neuen Verein. Ich habe zugesagt, habe allerdings auch eingeräumt, dass ich die Dauer nicht abschätzen kann. Wenn ich einen neuen Verein gehabt hätte, hätte ich diesen Job kurzzeitig aufgeben müssen. Seit rund drei Monaten hab ich diese Aufgabe übernommen. Ich habe mich damit intensiv auseinandergesetzt. Sicherlich wusste ich, wie man Fußball spielt und trainiert. Mit Kleinkindern ist dies jedoch schon noch etwas anderes. Sehr schnell wurde bemerkt, dass es sehr einseitig ist, wenn man ausschließlich Fußball mit den Kindern spielt. Ich habe dann geschaut, welche Möglichkeiten es gibt. Durch Zufall bin ich dann auf die Ballschule aus Heidelberg gestoßen. Dort wurde gelehrt, dass die Kinder in einem jungen Alter eben nicht nur Fußball spielen. Der Ansatz ist, dass viel gespielt wird, aber mit verschiedenen Arten von Bällen. Meistens gibt es unterschiedliche Materialien und Designs, ob Handball, Fußball, Basketball oder Volleyball. Die Kinder sollen alles erst einmal kennenlernen. Auf spielerische Art und Weise soll dadurch ihre Motorik und Koordination geschult werden. So werden sie für die Ballsportarten vorbereitet.“

Wie sieht es mit den sozialen Komponenten aus?

„Das ist grundsätzlich so. Ich habe bekanntlich eine Gruppe. Dort geht es immer darum, wie ich mich dort verhalte. Der Unterschied zum normalen Fußballtraining besteht darin, dass die Teilnehmer alles Mögliche kennenlernen. Wir haben 3 bis 10-jährige Kinder. Die Idee, die dahinter steckt, ist, dass sie nicht nur Fußballspielen sollen. Sie sollen vorbereitet werden und selbstständig eine Entscheidung fällen, was sie später intensiver ausüben möchten. Sie sollen erkennen, was man mit einem Ball durchführen kann. Sie müssen selber entscheiden, was ihnen gefällt. Es geht darum, dass die Kinder erst einmal spielen lernen. Früher gab es bei uns noch Spiele wie Völker- oder Brennball. Heutzutage schauen die meisten Kids mit großen Augen, aber wissen überhaupt nicht, worum es geht. Die Ballschule ist wissenschaftlich entwickelt, es ist jedoch keine Weltrevolution. Viele bekannte Spiele mit sinnvollen Übungen sind aufeinander abgestimmt.
Wir haben den Verein gegründet, weil die Ballschule etwas Gemeinnütziges hat. Wir haben Herzblut die Kinder zu erreichen, die man sonst eben nicht so erreicht, auch sozial Schwächere. Wir sehen uns als Dienstleister und gehen in Kindergärten und Schulen und bieten dieses Angebot für die Vereine an. Dann kommt das Interesse. Wenn sie daran teilnehmen wollen, schauen wir welche Zeiten wir anbieten können und dann können sie am jeweiligen Kurs gerne teilnehmen. Sie müssen dann eine Wahl treffen. Wir sind zwar eigenständig, arbeiten aber in Kooperation mit Heidelberg zusammen. Das kostet auch relativ viel Geld. Die Ballschule ist kein günstiges Produkt. Es steckt zweifelsfrei Qualität dahinter. Die Eltern müssen hierfür entsprechend zahlen. Das Gemeinnützige ist, dass auch sozial Schwächere eine Chance zur Teilnahme erhalten. Aus finanziellen Gründen soll es daran gewiss nicht scheitern.“

Ist es eher der Idealismus?

„Ich möchte den Kindern helfen. Die Organisation, die dahinter steckt, finde ich wirklich unglaublich spannend. Es sind derzeit über 100 Kinder, die daran teilnehmen. Die Ballschule entwickelt sich immer weiter. Ein gutes halbes Jahr läuft nun dieses Programm, eine erstaunliche Entwicklung. Derzeit ist diese Aufgabe einfach nur großartig. Jeden Monat kommen einige Kinder dazu. Es gab auch einige Leute, die mich ansprechen, ob dies nicht auch im Kindergarten und in der Schule möglich erscheint. Das muss
Stück für Stück wachsen. Ich habe derzeit den Hauptteil der Stunden übernommen. Inzwischen habe ich zwei, drei Kollegen, die mich unterstützen. Das bedeutet eine kleine Umstrukturierung. Das sind Lehramtstudenten, die den pädagogischen Hintergrund haben und zudem sportbegeistert sind. Bei mir finden viele Eltern und auch Kinder es wunderbar, dass ein ehemaliger Leistungssportler diese Aufgabe übernimmt. Um allerdings mit Kindern spielen zu können, muss ich gar kein Leistungssportler sein. Dieses Konzept muss ich auch leben. Das Programm bei der Ballschule ist ausgezeichnet, aber man muss auch Leute haben, die dieses umsetzen können.“

Was sagen Freunde und Ex-Kollegen zu dieser ungewöhnlichen Tätigkeit?

„Mit vielen Ex-Profis habe ich keinen intensiven Kontakt mehr. Für einige ist dies jedoch ungewohnt. Mir macht es sichtlich Spaß mit Kindern etwas zu machen. Durch meinen eigenen Sohn bin ich dazu gekommen. Deshalb ist dies für mich auch noch etwas spezieller als für manche andere Übungsleiter.“

Ist auch medial mehr möglich auf Dauer?

„Wir haben schon relativ viele Artikel in der Umgebung von Osnabrück in den Medien gehabt. Heidelberg hat 2.000 bis 3.000 Kinder, die in dieser Ballschule aktiv sind. Allerdings besteht diese auch schon seit 15 Jahren.
Das ist sensationell, weil die Kinder einfach Spaß haben. Die Kinder sind es von zu Hause aus gewohnt, dass ihnen bestimmte Sachen vorgegeben werden. Ich lasse die Kinder bei der Spielauswahl auch selbstständig entscheiden. Die Kinder sollen eigene Ideen entwickeln, besonders, wenn es um Kindergartenkinder geht. Wir haben einen Lehrplan respektive eine Stundensystematik, an die wir uns halten. Ein roter Faden ist sicherlich immer da. Dennoch kommt es oft vor, dass die Stunde etwas anders verläuft als geplant. Die Kreativität wird explizit gefördert. Die Kinder haben Ideen und bringen sie mit ein. Letzte Woche habe ich eine Reifenbahn aufgebaut. Da sollten Bälle durchrollen. Die Kids fanden das langweilig und sind von Reifen zu Reifen gesprungen. Das wollen wir auch erreichen, dass die Kinder sich eigene Gedanken im Spiel machen und eigene Lösungen entwickeln können. Das ist auch eine Kreativitätsfrage. Zuerst kommen sie damit noch nicht richtig klar. Irgendwann sie sind stolz.“

Ist dies für Jedermann?

„Wir versuchen homogene Gruppen zu finden. Es gibt spezielle Beispiele für adipöse Kinder. Es gibt Ballschulen für Kinder mit ADHS. Wenn man Babys anschaut, krabbeln auch sie dem Ball hinterher. Jedes Kind hat Spaß mit dem Ball. Nur der richtige Zugang muss dazu gefunden werden.
Ich habe mich viel damit beschäftigt. Es gibt einen Trend und Statistiken, dass 16 Prozent der Kinder bei der Einschulung übergewichtig sind. In der vierten Klasse sind es sogar 25 Prozent. Ich habe in Heidelberg einige Fortbildungen durchgeführt. Männer sind selten in dieser Arbeitsgruppe. Es ist eine etwas andere Ansprache, aber sie gewöhnen sich daran. Die Eltern finden das gut. Die Kinder haben Spaß und sind hochmotiviert. Viele gehen nach der Stunde heraus und sagen sich: „Es war eine coole Stunde. Ich habe Spaß gehabt. Die Zahlen sprechen auch dafür. Das Allerbeste ist Mundpropaganda.
Auch die schulischen Leistungen werden durch Sport besser. Da gibt es definitiv einen Einfluss. Mit kognitiven Lernen gibt es deutliche Stärken. Von keinem Beteiligten habe ich bisher etwas Negatives gehört. Immerhin ist es auch wissenschaftlich erarbeitet.“

Quelle: Klefisch-Exklusiv
Autor: Henning Klefisch
Schlagworte: Stefan Wessels, Bayern München, 1. FC Köln, VfL Osnabrück
Datum: 09.07.2013 11:09 Uhr
Url: http://www.3-liga.com/news-fussball-klefisch-exklusiv-trifft-ex-bundesligakeeper-stefan-wessels-6296.html


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