Guus Hiddink: „Deutschland ist ein Vorbild“


Auf jedem Kontinent hat Weltenbummler Guus Hiddink gearbeitet. Fast jeden, um ganz ehrlich zu sein, denn einzig ein afrikanisches Team hat der 66-jährige Niederländer noch nicht trainiert. Mit den Nationalmannschaften von den Niederlanden, Südkorea und Australien hat er an den Weltmeisterschaften 1998 in Frankreich, 2002 in Südkorea und Japan und 2006 in Deutschland teilgenommen. Besonders große Erfolge konnte er mit den Halbfinalteilnahmen mit den Niederlanden und Südkorea erreichen. Nun äußert er sich im Gespräch mit „dfb.de“ zu verschiedenen Themen und gibt einen Einblick in seine Denkweise.

„Seine Vorstellung vom Fußball sollte man versuchen durchzusetzen“
Der niederländische Erfolgstrainer macht deutlich, dass Mut und Risiko zwei ganz wesentliche Komponenten in seinem Spiel darstellen. Der defensivgeprägte Fußball besitzt für ihn keine exorbitante Bedeutung: „Im Allgemeinen habe ich keine Angst davor, auch mal negative Erfahrungen zu machen. Als Zuschauer möchte ich mich für meine Mannschaft begeistern, und so versuche ich auch zu spielen. Das können Sie romantisch nennen, aber ich finde, dass man einen Fußball spielen lassen sollte, in dem man sich auch erkennt. Und dazu gehört auch Mut, ein gewisses Risiko, neben den taktischen Vorgaben. Wer Angst hat, Fehler zu machen, kann sich nicht verbessern.“ Er macht zugleich deutlich, dass diese Eigenschaft enorm wichtig für ihn ist. Er begründet seine Meinung wie folgt: „Ich halte sie für wichtig. Wenn man eine Vorstellung vom Fußball hat, sollte man auch versuchen, sie durchzusetzen. Die grundsätzliche Frage ist doch: Warum spielen wir Fußball? Weil wir Tore schießen wollen, das ist das Entscheidende. Und die nächste Frage ist: Wie machen wir das? Das heißt nicht, dass ich naiv bin. Natürlich muss man auch die Defensive im Auge haben, da muss man eine Balance finden.“

„Man muss bereit sein, sich für Neues zu öffnen“
Ein gewisses Risiko sollte jeder Trainer durchaus gehen. Allerdings hängt dies auch von verschiedenen Komponenten ab, die diesbezüglich als ausschlaggebend erscheinen. Hiddink lobt ausdrücklich das DFB-Team, wenn er die Nationalmannschaft für diesen neu eingeschlagenen Weg im Bereich des attraktiven Fußballs nennt: „Nun, bequem ist das sicher nicht. Es ist wichtig, dass man im Verein oder Verband Rückhalt verspürt, dass man dort einen neuen Weg nicht scheut. Wir neigen dazu, dass wir das, was wir haben, festhalten wollen. Das ist auch nicht unbedingt schlecht. Aber man muss bereit sein, sich für Neues zu öffnen. Deutschland ist in dieser Hinsicht ein Vorbild, wenn man sieht, was sich hier in den vergangenen Jahren getan hat. Ich komme gerne dorthin und schaue mir Spiele an. Der Fußball in Deutschland war immer schon gut organisiert, aber die Attraktivität ist viel größer geworden. Fußball kann auch Abenteuer sein.“

Die Mär vom perfekten Fußball
In den letzten Jahren haben immer mehr Trainer von einem Wunsch nach dem perfekten Fußball gesprochen, den es allerdings nicht gibt, wenn man den Worten vom Trainer von Anschi Machatschkala Glauben schenken darf: „Fußball ist ein Spiel von Fehlern. Es gibt immer mal wieder Aktionen im Spiel, bei denen man sagt: Das war perfekt. Aber ständige Perfektion gibt es im Fußball nicht.“ Und er nennt konkrete Merkmale von einem Fußball, der sein Gefallen finden könnte: „Ich kann mich dafür begeistern, wenn Spieler so mit dem Ball umgehen, dass es ganz einfach aussieht und dann auch noch in hohem Tempo. Das kann ich genießen. Und eine Mannschaft muss einen Plan haben, nicht nur, wenn sie in Ballbesitz ist, sondern auch, wenn sie ihn wieder zurückholen will. Man muss bei jedem Spieler sehen, dass er an diesem Plan beteiligt ist, im Spielaufbau, im Angriffsspiel. Keiner ist heute mehr nur Stürmer oder nur Abwehrspieler.“

„Fußball ist Evolution“
Eine klare Entwicklung hat er im Fußball bereits erkennen können, denn auch die körperlichen Eigenschaften der einzelnen Spieler haben sich nach Einschätzung des langjährigen Weltenbummlers deutlich verändern können: „Nicht verändert, aber entwickelt. Fußball ist Evolution. Das Spiel ist athletischer geworden, schneller. Das verlangt natürlich auch von den Spielern mehr, gerade in der Koordination und in der Ballbehandlung. Umso wichtiger ist es, dass die Jungen und Mädchen schon so früh wie möglich auf hohem Niveau trainieren. Das hat man in vielen Ländern verstanden, auch in Deutschland.“
Der internationale Fußball ist nicht mehr so leicht zu unterscheiden.
Durch seine weltweite Tätigkeit als Fußball-Lehrer scheint er dafür bestens prädestiniert zu sein, um die verschiedenen Spielsysteme bekannt geben zu können. Dazu meint er nun: „Früher konnte man sehr einfach Unterschiede erkennen zwischen deutschem Fußball, britischem, spanischem, italienischem oder brasilianischem, in Bezug auf Tempo, Technik, Taktik. Das ist heute nicht mehr so. Der Weltfußball ist transparent geworden, er hat keine großen Geheimnisse mehr. Ich mache den Fernseher an, und sofort habe ich ein Live-Spiel von irgendwo auf der Welt. Das bedeutet natürlich auch, dass man viel sieht, dass man Vorbilder findet, an denen man sich orientiert. Das war früher vor allem die Premier League, später Spanien, inzwischen ist auch Deutschland dazugekommen.“ Zugleich betont er auch, dass es derzeit einen Unterschied zwischen modernen und unmodernen Fußball gibt: „Ja, das kann man sagen. Das fängt ja schon im Training an. Wenn ich mich an meine Zeit als Spieler erinnere: Da gab es Einheiten, in denen wir gar keinen Ball gesehen haben, Hügel rauf, Hügel runter, in den Wald hinein und wieder raus. Ich übertreibe ein bisschen, aber wenn man ein Billard- oder Tennisspieler ist, dann rennt man doch auch nicht nur um den Tisch oder den Platz herum, wenn man besser werden will. Natürlich ist Fußball auch ein Laufsport, aber er ist auch ein Denksport. Wenn ich laufe, dann ist das mit einer Idee verbunden.“

Der Fan in Guus Hiddink
Hiddink liebt den Fußball zweifelsfrei. Und zugleich hat er auch „DFB.de“ verraten, dass er auch weiterhin ein Fußballfan geblieben ist, wie er wie folgt begründet: „Das bin ich ganz sicher. Wie gesagt, heute kann man fast jederzeit irgendein Spiel sehen. Und das mache ich auch ziemlich oft. Wir haben in Russland ja andere Zeitzonen, und meine Kollegen und ich schalten dann alle Kanäle durch, bis wir ein Spiel gefunden haben. Dann bleiben wir oft bis drei, vier Uhr in der Nacht wach, um ein Spiel aus England, Deutschland, Spanien oder einem anderen Land zu schauen.“

Quelle: dfb.de
Autor: Henning Klefisch
Schlagworte: Guus Hiddink; DFB-Team; Nationalmannschaft
Datum: 01.04.2013 22:24 Uhr
Url: http://www.3-liga.com/news-fussball-guus-hiddink--„deutschland-ist-ein-vorbild“-4791.html


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