Für Sandro Mazzola ist Deutschland der Favorit


Für viele Journalisten war nur wichtig zu erfahren, welchen Gegner die deutsche Mannschaft denn lieber als Gegner im Halbfinale haben wollte. Italien und England standen zur Auswahl. Fast alle Beteiligten, ob Trainer oder Spieler haben sich ganz klar für England als Gegner ausgesprochen. Die offizielle Begründung ist gewesen, dass in der Vergangenheit meistens Deutschland gewonnen hat und Italien taktisch und spielerisch als deutlich stärker betrachtet wurde. Bekanntlich ist das Leben kein Wunschkonzert. Italien hat im Elfmeterschießen gegen England gewonnen und steht im Halbfinale. Dennoch erscheint die DFB-Elf stark genug, um erstmals in der Turniergeschichte die italienische Mannschaft zu besiegen.

Vor der EM galt Italien als ein ganz heißer Kandidat für ein frühzeitiges Ausscheiden. Der Manipulationsskandal würde sich auch auf die sportlichen Leistungen auswirken. Die zahlreichen Kritiker wurden bestätigt, als das letzte Vorbereitungsspiel gegen Russland geradezu kläglich mit 0:3 verloren wurde. Auch die starke Gruppe mit Gegnern wie Spanien und Kroatien war ein weiterer Grund für das prophezeite Scheitern der „Squadra Azzurra“. Doch dieses Team ist selbstbewusst genug, um auf dem Rasen die ganzen Zweifel zu beseitigen. In der Vorrunde gab es fünf Punkte, womit sich als Zweiter für das Viertelfinale qualifiziert worden ist. Besonders das 1:1 im ersten Gruppenspiel gegen Welt- und Europameister Spanien ließ die Tifosi wieder hoffnungsfroh erscheinen. Nach einem 1:1 gegen starke Kroaten und einem 2:0 Sieg gegen Irland wartete im Viertelfinale England. Nach schwachen Anfangsminuten waren auch die „Three Lions“ für das italienische Team kein gleichwertiger Gegner. Vorweisen mussten sich die Italiener, dass sie nicht in der regulären Spielzeit das entscheidende Tor erzielt haben. Das Elfmeterschießen war einmal mehr ein Spiegelbild der italienischen Klasse, da Spielmacher Andrea Pirlo mit einem beeindruckenden Selbstvertrauen für die Wende im Elfmeterdrama gesorgt hat. Nach seinem lässigen Heber, der mit einer dreist anmutenden Geschwindigkeit die Torlinie überschritten hat, wirkten auch die nachfolgenden italienischen Elfmeterschützen deutlich selbstbewusster, während die englischen nervöser wurden.
Diese Souveränität und Gelassenheit ist es auch, die Respekt bei der deutschen Mannschaft verursacht. Die Historie ebenso, denn sowohl 1970 und 2006 im Halbfinale, wie auch 1982 im Finale erwiesen sich die Italiener bei einer WM als die stärkere Mannschaft. Sieben Spiele fanden gegen Italien statt. Gewonnen hat Deutschland kein einziges davon. Im Gespräch mit dem „Hamburger Abendblatt“ äußert sich nun der ehemalige Inter Mailand-Star und Nationalspieler Sandro Mazzola über die Chancen und Risiken in diesem aufregenden Duell.
So selbstbewusst, wie die Nationalmannschaft von Italien auf dem Platz auftritt, agiert er nicht im kommunikativen Bereich. Realistisch betrachtet räumt der 69-Jährige der deutschen Mannschaft bessere Siegchancen ein als seinem Heimatland: „Deutschland ist eine kompaktere Mannschaft. Sie hat einen kräftigen Stürmer wie Mario Gomez, der ein wahrer Eckpfeiler des Teams ist. Auch Spieler wie Lahm und Özil sind beeindruckend. Viel wird auch von Bastian Schweinsteiger abhängen, der ein absolut entscheidendes Element der Mannschaft ist. Deutschland darf jedoch nicht zu siegessicher sein. Oft war die DFB-Auswahl Favorit und ist dann Italien erlegen“.
Viele Experten unterhalten sich über das letzte Aufeinandertreffen bei der Heim-WM 2006, wo Deutschland unglücklich in der Verlängerung mit 0:2 gegen ausgebuffte Italiener verloren hat. Über die Entwicklung der deutschen Mannschaft sagt Mazzola: „Die Nationalmannschaft hat sich vom technischen Standpunkt sehr gebessert. Das Spiel ist fantasievoller und innovativer als in der Vergangenheit geworden. Dazu haben meiner Ansicht nach auch die Spieler mit ausländischen Wurzeln beigetragen.“
Die beiden National-Trainer Joachim Löw auf deutscher Seite und Cesare Prandelli auf italienischer gelten als die Baumeister dieses Erfolges. Der dreimalige WM-Teilnehmer stellt einen Vergleich an: „Es sind zwei verschiedene Persönlichkeiten. Ich habe Prandelli als Kicker kennen gelernt, als er noch bei Cremonese spielte. Er war immer ein sehr talentierter Fußballer, diese Fähigkeiten zeigt er auch als Coach. Er bereitet die Spieler nicht nur technisch und taktisch gut vor, sondern er motiviert sie auch bestens. Er ist ein sehr guter Psychologe, das ist für einen Trainer wichtig.“
Auf die Frage des „Hamburger Abendblatts“, was Italien noch fehlen würde, um die EM zu gewinnen, meint er: „Uns fehlt ein kräftiger Stürmer wie Gomez. Wir haben jedoch zwei Stars, Andrea Pirlo und Daniele De Rossi. Sie können für Deutschland gefährlich werden.“
Als das vermeintlich beste Spiel der Fußballgeschichte wird das Halbfinale der WM 1970 angesehen, in denen sich Deutschland mit Italien duellierte. Bei vielen Fernsehsendern gibt es Wiederholungen von diesem beeindruckenden Spiel der beiden Fußball-Großmächte. Mazzola erinnert sich: „Ich duellierte direkt gegen Beckenbauer. Er war ein großartiger Fußballer, nicht nur wegen seiner technischen Fähigkeiten, sondern auch wegen seines korrekten Verhaltens. Ich habe Beckenbauer später mehrmals getroffen. Er ist ein intelligenter Fußball-Manager, der großen Respekt für seine Mitmenschen hat. Beeindruckend war für mich auch Wolfgang Overaths linker Fuß. Er war einfach fantastisch.“
Viel wurde in letzter Zeit auch über die beiden verrückten italienischen Angreifer Mario Balotelli und Antonio Cassano gesprochen, die als unberechenbar auf und neben dem Platz gelten. Auch Mazzola hat im „Hamburger Abendblatt“ eine Meinung über die Spieler, die Italien ins Finale schießen sollen: „Balotelli hat großes Talent. Früher oder später wird er reifen und vernünftiger werden. Cassano spielt gut, vor allem, wenn man seine lange Pause berücksichtigt.“
Auch kritische Töne sind vom erfahrenen Ex-Profi zu hören, der besonders bei einem Spieler noch eine Leistungssteigerung erkennen kann: „Claudio Marchisio könnte meiner Ansicht nach mehr leisten. Er glänzt in dieser EM nicht, wie er könnte. In seiner Position könnte er sogar einige Tore erzielen.“

Quelle: abendblatt.de
Autor: Henning Klefisch
Schlagworte: Italien; Deutschland; Balotelli; Gomez; Cassano; Pirlo; de Rossi; Lahm
Datum: 27.06.2012 20:27 Uhr
Url: http://www.3-liga.com/news-fussball-fuer-sandro-mazzola-ist-deutschland-der-favorit-1812.html


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