Englischer Ligapokal-Sieger Tremmel: „Es war das größte Spiel in meiner Karriere“


Es gibt Fußballspieler, die ihr fußballerisches Glück erst im Ausland so richtig zu finden scheinen. Ein durchaus prominentes Beispiel gab der ehemalige „Golden Goal-Torschütze“ Oliver Bierhoff ab, der erst durch seine Engagements in Österreich und Italien in seinem Heimatland richtig anerkannt wurde. Nun konnte Torwart Gerhard Tremmel durch den Ligapokaltriumph mit Swansea City seinen ersten Titel als Profi gewinnen. Und das im stolzen Alter von 34 Jahren. 5:0 konnte das Premier League-Team über den Viertligisten Bradford City gewinnen und somit die Teilnahme an der Europa League für die nächste Spielzeit sichern.

Die Freude bei den „Swans“ Schwänen war nach dem ersten bedeutenden Pokal in ihrer 100-jährigen Vereinshistorie geradezu überschwänglich. Stolz war eine ganz besondere Tugend bei diesem Triumph, der auch bei Trainer Michael Laudrup für wahre Begeisterungsstürme gesorgt hat. Dazu meint der ehemalige, dänische Weltklassespieler gegenüber der Medienschar: „Als Trainer ist das ganz oben bei meinen Erfolgen - der erste Pokal in 100 Jahren. Ich bin sehr stolz auf mein Team.“ Ähnlich argumentierte der gebürtige Münchner Gerhard Tremmel, der sogar vom „größten Spiel meiner Karriere“ gesprochen hat. Ursprünglich ist Tremmel nur Ersatztorhüter hinter Michel Vorm. Der Ligapokal ist jedoch der Wettbewerb des ehemaligen Cottbus- und Herthakeepers, der zum Publikumsliebling bei den treuen Swansea-Fans aufgestiegen ist. Dazu beigetragen haben sicherlich auch die hervorragenden Premier-League-Leistungen, mit denen er beste Eigenwerbung für sich betreiben konnte.
Mehr als 82.000 Zuschauer waren im ausverkauften Wembleystadion Zeuge, wie Mittelfeldmann Nathan Dyer in der 16. und 47. Spielminute sowie der iberische Goalgetter Michu und abermals zweimal der Belgier Jonathan de Guzmann konnten die Treffer für den Favoriten erzielen. Gegen die Bantams (Zwerghühner) aus Bradford musste Torwart Matt Duke das Spielfeld verlassen, weil er de Guzmann elfmeterreif gefoult hatte. Es war schon wahrlich eine echte Überraschung, dass der Viertligist aus Bradford in das Endspiel dieses prestigeträchtigen Wettbewerbs einziehen konnte. Fast schon sensationell konnte Bradford im Verlauf dieses Wettbewerbs prominente Erstligateams wie Wigan Athletic, FC Arsenal und Aston Villa aus dem Pokal schmeißen und damit fast schon historische Werte aufstellen, denn einzig im Jahr 1962 konnte es mit Rochdale ein Viertligist in das prestigeträchtige Ligapokalendspiel schaffen. Der krasse Außenseiter hat für dieses vielleicht wichtigste Spiel ihrer Vereinsgeschichte alles Erdenkliche in die Wege geleitet, damit der Erfolg kommt. So wurde sogar der weltberühmte Dalai Lama angesprochen, der in seinem Schreiben „jeden Erfolg für das große Match“ postuliert hat. Ein möglicher Grund für die Sympathie könnte sein, dass die weinroten und goldenen Vereinsfarben von Bradford den traditionellen Roben der tibetanischen Mönche ähneln.
Auf dem Platz spielte jedoch der Deutsche Gerhard Tremmel eine Hauptrolle. Im Gespräch mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ gibt der ehemalige Bundesligakeeper über verschiedene Themen Auskunft. Ersichtlich ist die Tatsache, dass er im Vergleich zu den deutschen Nationalspielern wie Lukas Podolski und Per Mertesacker beim FC Arsenal London, sehr dezent beachtet wird. Für den routinierten Keeper stellt dies kein allzu großes Problem dar: „Nein, gar nicht. Es ist doch völlig normal, dass zwei Nationalspieler für die Leute viel interessanter sind als einer, der schon seit einem Jahr in Österreich gespielt hat.“
Völlig überraschend kann sein Verein Swansea City um die Europa League Plätze mitmischen. Tremmel versucht einen möglichen Grund für diese Erfolgsserie herauszufinden, wenn er sagt: „Wir sind selbst überrascht, dass es so gut läuft. In dieser Liga ist Selbstvertrauen extrem wichtig. Das haben wir uns beim Sieg im Ligapokal gegen Liverpool geholt, welches auch mein erstes Spiel war. Wir kommen an die Anfield Road und hauen die 3:1 weg. Für den Klub war das ein unglaublicher Erfolg.“ Gegen die Spitzenteams aus der Premier League konnte mit teils herausragendem Fußball nationale Anerkennung eingeheimst werden. Die bekannt kreative, englische Presse hat Swansea sogar respektvoll als „Swanselona“ bezeichnet, um die beeindruckende Spielkultur deutlich werden zu lassen. Für Tremmel hat diese Lobeshymne auch eine Bedeutung, wenn er der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ verraten hat: „Das hat vor allem mit unserem Kurzpassspiel zu tun. Man hat es sich im Klub zur Aufgabe gemacht, nicht englisch spielen zu wollen und den Ball nach vorne zu kloppen, sondern mit schönem Spiel zum Erfolg zu kommen. Begonnen hat das mit dem spanischen Trainer Roberto Martinez vor ein paar Jahren und wurde seitdem von allen Trainern weiterentwickelt.“ Diese Spielweise ist jedoch auch höchst erfolgreich. So ist Swansea City der erste walisische Verein in der Historie der Premier League, der es in die englische Eliteliga geschafft hat. Deshalb stellt für Tremmel die Außenseiterrolle keine allzu gewaltige Problematik dar, wie er ehrlich einräumt: „Ich habe das vor allem an den Reaktionen des Umfelds und der Fans gemerkt. Man hat schon das Gefühl, dass man als Mannschaft nicht so wertgeschätzt wird, wie die englischen Teams. Aber das schweißt umso mehr zusammen. Die Kameradschaft hier ist bombastisch. Fans, Klub und Spieler - das ist eine Riesengemeinschaft. Das liegt vermutlich auch am extrem großen Stolz der Leute hier. Sie müssten einmal unsere Fans bei Heimspielen erleben. Einen unglaublichen Lärm machen die, das ist Wahnsinn. Das pusht so richtig.“
Etwas ungewöhnlich kommt sein Wechsel nach Swansea daher. Tremmel nennt die Gründe und den Weg zum walisischen Kultklub: „Es war immer mein Traum, in der Premier League zu spielen. Mich hat schon immer die Atmosphäre in den Stadien fasziniert. Also habe ich mich ein bisschen umgeschaut, was es denn für Möglichkeiten gibt und bin auf Swansea gestoßen, die gerade, aufgestiegen waren. Ich kannte den Klub gar nicht, aber ich sah, dass sie nach Torhütern Ausschau hielten. Irgendwann habe ich erfahren, dass Swansea ein Trainingslager in Österreich hat, gerade einmal vierzig Minuten von meiner Wohnung in Salzburg entfernt. Über ein paar Ecken habe ich Kontakt zum Torwarttrainer hergestellt, der mich ins Training einlud. Nach zwei Trainingseinheiten hat mir Trainer Brendan Rodgers dann gesagt, er würde mich gern sofort mitnehmen. Ich hab nur kurz überlegt und dann gedacht: „Gut, ich mach’s.“ Aber ich musste das dann natürlich noch meiner Frau klar machen: „Du Schatz, ich fahr jetzt nach Wales.“ Und sie meinte nur: „Na gut, viel Spaß.“ Also bin ich rein in den Mannschaftsbus.“
Es ist ein offenes Geheimnis, dass Briten ganz gerne feiern. Deshalb war Tremmel nach dem Trainingslager neben Trainer Rodgers und dem Busfahrer der einzige im Mannschaftsbus gewesen, der noch nüchtern gewesen ist. Für Tremmel stellte dies kein allzu großes Problem dar, wie er deutlich macht: „Das stimmt, die waren alle voll. Für mich war das etwas völlig Neues. Das kennt man aus Deutschland so nicht. Aber hier ist es normal, dass die Mannschaft am letzten Abend des Trainingslagers ausgeht. Und wenn die Engländer das Trinken anfangen, völlig egal ob Fußballer oder normale Leute, dann geht’s rund.“
Die Tatsache, dass mit Michel Vorm ein niederländischer Klassekeeper als klare Nummer Eins verpflichtet worden ist, ist für Tremmel nicht so einfach zu verkraften gewesen. Dennoch schätzt er die Situation realistisch ein: „Das war natürlich ärgerlich. Aber das Bild, dass die deutschen Torhüter die besten der Welt sind, haben die Deutschen exklusiv. Während in der Bundesliga von 18 Mannschaften bestimmt 16 einen deutschen Torwart haben, bedient sich die Premier League einfach an den besten Torhütern, die in Europa so rumschwirren.“ Gleichzeitig stieg bei Tremmel die Hoffnung, dass durch den Trainerwechsel zu Michael Laudrup sich seine Spielzeit beträchtlich steigern würde. Von der eigenen Stärke zeigt sich der rothaarige Keeper aber absolut überzeugt: „Natürlich habe ich mir Chancen ausgerechnet. Ich bin ja nicht nach England gekommen, um in zwei Jahren drei Spiele zu machen. Dann gab es aber so viele Umstellungen im Team, dass der Trainer nicht auch noch den Torhüter austauschen wollte. Ich wusste aber, dass ich auf jeden Torwart Druck machen kann und dass ich meine Chance bekommen werde.“
Im Juni diesen Jahres wird sein Vertrag auslaufen. Über eine mögliche Vertragsverlängerung bei Swansea City weiß er folgendes zu berichten: „Ich muss abwarten, was der Verein und der Trainer entscheiden. Fakt ist: Ich fühle mich hier pudelwohl und genieße zurzeit jeden Moment. Eigentlich gibt es keinen Grund zu gehen.“ Einer möglichen Rückkehr nach Deutschland ist er ganz gewiss auch nicht abgeneigt, wie er der „faz“ verraten hat: „Man kann nichts ausschließen. Wenn man mal im Ausland war, sieht man erst, wie gut es uns in Deutschland geht. Außerdem würde ich gerne mal wieder eine Leberkässemmel essen.“

Quelle: faz.de
Autor: Henning Klefisch
Schlagworte: Europa League; Tremmel; Swansea; Matt Duke; Oliver Bierhoff; Jonathan de Guzmann; Nathan Dyer
Datum: 25.02.2013 11:00 Uhr
Url: http://www.3-liga.com/news-fussball-englischer-ligapokal-sieger-tremmel--„es-war-das-groesste-spiel-in-meiner-karriere“-4314.html


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