Die Analyse: Deutschlands Team drei Tage vor EM-Start


So ganz langsam steigt immer mehr die Vorfreude auf das kontinentale Großereignis. Die Frage muss jedoch erlaubt sein, mit welcher Aufstellung die deutsche Mannschaft das Projekt Europameister 2012 erreichen möchte und ob der berühmte Schalter umgelegt werden kann. Berechtigte Zweifel sind nach den jüngsten Testspielen angebracht, auch wenn Bundestrainer Jogi Löw großen Optimismus verbreitet.

Die beiden Niederlagen gegen Frankreich (1:2) und gegen die Schweiz (3:5) lassen auch die Optimisten ein wenig verhaltener vom Wunsch Titelgewinn träumen. Ein Selbstläufer wird die Erreichung dieses ambitionierten Ziels gewiss nicht. Die Abwehr bereitet große Sorgen. Neuer gilt zwar als Weltklassetorwart, doch sein Spiel ist durchaus von einigen Schwankungen unterworfen. Leichtsinnsfehler, die von einigen sogar seiner Überheblichkeit zugeordnet werden, sind bei ihm nicht gänzlich auszuschließen.

Vor ihm werden wahrscheinlich Holger Badstuber und Mats Hummels in der Innenverteidigung gegen Portugal starten. Badstuber ist über jeden Zweifel erhaben, da er zweikampfstark und sicher im Spielaufbau ist. Im Interview mit „dfb.de“ erklärt er über seine persönliche Entwicklung in den letzten beiden Jahren: „Ich finde, dass ich eine ganz normale Entwicklung genommen habe. Ich bin zwei Jahre älter, zwei Jahre gereift. Menschlich - und auf dem Platz. Die WM in Südafrika war mein erstes großes Turnier, jetzt verfüge ich über erheblich mehr Erfahrung. Wesentlicher Unterschied ist für mich auch, dass ich wahrscheinlich auf meiner Lieblingsposition in der Innenverteidigung spielen kann.“
Über den Fakt, dass er angeblich gesetzt ist, kann er folgendes mitteilen: „Mich lässt dies kalt. Der Trainer entscheidet, wie es am Samstag aussehen wird. Alles andere ist nicht relevant. Natürlich will jeder spielen, natürlich ist der Konkurrenzkampf groß. Die Qualität im Kader ist sehr hoch, wir haben viele Positionen doppelt gut besetzt. Aber insgesamt sind wir ein sehr homogenes Team, das ist in jedem Training zu spüren. Jeder hängt sich voll rein, aber niemand kämpft mit unfairen Mitteln.“

Er ist sich der Situation durchaus bewusst, dass jedes Spiel entscheidend sein wird. Dazu sagt er der verbandseigenen Homepage: „Man muss sich ja nur die Konstellation in unserer Gruppe anschauen, um zu wissen, dass man sich keinen Ausrutscher erlauben darf. Wir sind topmotiviert, wir wissen, dass es schon im Spiel gegen Portugal um sehr viel geht. Ich finde das persönlich sehr gut. Wir sind von Anfang an gefordert, dass kann im weiteren Verlauf ein Vorteil sein.“

Immer wieder werden die Spanier und die deutsche Nationalmannschaft genannt, wenn es darum geht, welche Nation den EM-Titel holen kann Badstuber hat dazu eine eigene Meinung: „Ich glaube, dass man auch mit den Franzosen rechnen muss. Sie haben sich verändert, im Vergleich zu vor zwei Jahren hat sich im französischen Spiel einiges getan. Die Handschrift des Trainers ist zu erkennen. Das Team ist als Mannschaft nicht schlecht und hat sehr viele gute Einzelspieler. Für mich gehören die Franzosen auf jeden Fall zu den Anwärtern auf den Titel.

Hummels hingegen konnte seine teils überragenden Leistungen in der Bundesliga für Borussia Dortmund international nicht eindrucksvoll unter Beweis stellen. Seltsam fahrig und unsicher wirkt der eigentlich so souveräne BVB-Spieler.
Per Mertesacker wirkt auf den ersten Blick langsam und ein wenig tapsig. Speziell nach seiner viermonatigen Verletzungspause haben die unzähligen Kritiker diesen Schwachpunkt einmal mehr ausmachen können. Wenn Hummels gegen die Portugiesen schwächeln sollte, wird der erfahrene Arsenal-Akteur in die Startelf rücken. Dies gilt als gewiss.

Auf den Außenpositionen ist Philipp Lahm unumstritten. Mit seiner Zweikampfstärke, seinem hervorragenden Antizipationsverhalten und seinen präzisen Flanken gehört er zu den weltbesten Außenverteidigern. Allerdings muss der mentale Aspekt bei ihm berücksichtigt werden. So weiß man nicht, wie er in den Drucksituationen einer Europameisterschaft mit den Nachwirkungen des verlorenen Champions-League-Finals in der heimischen Allianz Arena zurechtkommt.

Auf Boateng wird auf der rechten Abwehrseite Verlass sein. Der 23-Jährige überzeugt durch Eleganz, eine feine Technik und körperlicher Robustheit. Als Manko wird jedoch häufig die Unkonzentriertheit in einigen Situationen genannt. Von den Anlagen jedoch ist er ein sehr guter Verteidiger, der eine Überraschung dieser EM werden kann.

Im defensiven Mittelfeld sind Schweinsteiger und Khedira gesetzt. Schweinsteiger ist trotz seiner langen Verletzungsprobleme und spürbar fehlenden Fitness der Taktgeber im deutschen Spiel. Über ihn laufen die meisten Angriffe im deutschen Spiel. Kein Spieler kann diesen aggressiven, aber zugleich feinen Fußballer ersetzen. Khedira ist durch seine Zeit bei Real Madrid deutlich selbstbewusster geworden. Seine Stärken sind die Zweikämpfe, sein sicheres Passspiel und das Pressing. Kroos ist mit herausragenden Anlagen gesegnet. Ihm war jedoch in den letzten Spielen anzumerken, dass er auf dem Platz zu oft die falschen Entscheidungen getroffen hat. Viele Pässe waren schlampig und fehlerhaft gespielt, seinen Schüssen fehlte die notwendige Präzision.

Auf den Außenpositionen haben derzeit Lukas Podolski und Thomas Müller die Nase vorn. Links offensiv wirbelt der gebürtige Pole, der mit seiner Dynamik und Schusskraft eine echte Waffe im Spiel des DFB-Teams ist. Technisch und körperlich macht der ehemalige Kölner auch einen sehr guten Eindruck, sodass der erfahrene Offensivspieler gegen die flinken Portugiesen von Beginn an spielen dürfte. Sein Konkurrent Andre Schürrle sitzt ihm jedoch im Nacken und hat in den letzten Spielen mit starken Leistungen auf sich aufmerksam gemacht. Besonders die Schnelligkeit und der Zug zum Tor sind als die ausgeprägten Stärken des Youngsters anzusehen.

Auf der rechten Außenbahn hat sich Thomas Müller mit seiner Raffinesse und dem Tordrang einen Stammplatz erobert. Der Torschützenkönig der WM 2010 gilt für viele Fachleute europaweit als der interessanteste junge Spieler, der bei diesem Turnier auftreten wird. Auch die Hoffnungen von Bundestrainer Löw ruhen auf den schmalen Schultern des 22-Jährigen.

Im Zentrum führt an Mesut Özil kein Weg vorbei. Technisch nahezu perfekt, mit einer ungeheuerlichen Kreativität ausgestattet, Zauberpässe und ein gefährlicher Schuss. Bis auf das ausbaufähige Kopfballspiel verkörpert der junge Spielmacher absolute Weltklasse. Bei Real Madrid ist er zum Publikumsliebling emporgestiegen. Die Fans verehren ihn wegen seiner eleganten Spielweise. Ohne Frage kann Özil zu einem der Stars dieses Turniers werden. Als Gefahr gilt jedoch, dass der schmächtige Deutsch-Türke zu häufig abtaucht, wenn es in seinem Team nicht läuft. Als Alternativen gelten Mario Götze, Ilkay Gündogan aber auch Marco Reus, die aufgrund ihrer Kombinationsfreudigkeit, Wendigkeit und Technik, Ähnlichkeiten zu Özil aufweisen. Auch in der Hinterhand hat Löw großes Potential.

Der Sturm ist auf einen Mann beschränkt. Deshalb lautet die Frage: Gomez oder Klose? Beide sind große Torjäger. Dies haben sie in der abgelaufenen Saison in der Serie A und in der Bundesliga bewiesen. Der fast 34-jährige Klose hat für Lazio Rom häufig überragende Leistungen geboten und ist seit zehn Jahren schon der Sturmführer im DFB-Team. Seine Technik, Kombinationsfreudigkeit und dem starken Tordrang ist er eigentlich aus der Startelf nicht mehr wegzudenken, wenn er denn fit ist. Genau dieses Manko gab es jedoch in den letzten Wochen, da der Deutsch-Pole wegen einer Verletzung wochenlang ausgefallen ist.
Mario Gomez gilt als wahre Tormaschine. Ob in der Bundesliga, wo er 26 Tore erzielte oder in der Champions League, wo er zwölf Tore schoss. Auch wenn der Deutsch-Spanier ein wenig schlaksig wirkt, so ist er ein brandgefährlicher Strafraumstürmer, der auch auf engstem Raum brillieren kann.

Quelle: dfb.de
Autor: Henning Klefisch
Schlagworte: Nationalmannschaft; Deutschland; Löw; Badstuber; Hummels; Mertesacker; Lahm; Boateng; Schweinsteiger; Khedira; Podolski; Müller; Kroos; Schürrle; Özil; Reus; Klose; Gomez; Götze
Datum: 07.06.2012 11:49 Uhr
Url: http://www.3-liga.com/news-fussball-die-analyse--deutschlands-team-drei-tage-vor-em-start-1677.html


Kommentare

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Kommentar von Klaus Steiner (07.06.2012 12:26 Uhr)
Leider setzt die Nationalmannschaft viel zu sehr auf das Multikulti-Thema. Wo bleibt da die Identifikation mit urdeutschen Tugenden wie Fleiß, Härte, Willenskraft und Kampf bis zur letzten Patrone? Diese Elf muss, wenn es gerecht zugeht, rasch ausscheiden. Nur dann wird die Lehre in unserem Vaterland auch verstanden.


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