DFB-Kicker Jerome Boateng: „Die Gegner haben großen Respekt vor uns“


Zweifelsfrei ist das Spiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Schweden im Olympiastadion zu Berlin für Jerome Boateng wahrlich ein Heimspiel. In Berlin geboren und aufgewachsen ist der Nationalmannschaftsverteidiger und hat auch fußballerisch seine ersten Erfahrungen in der Bundeshauptstadt erleben dürfen. Seine ersten Bundesliga-Spiele absolvierte er für Hertha BSC und erlangte den Profistatus. Seitdem hat er sich bei europäischen Topadressen wie dem Hamburger SV, Manchester City und dem FC Bayern München verdingen können.

Für den 24-Jährigen ist diese Begegnung in seinem Wohnzimmer ganz gewiss kein Spiel wie jedes andere. Dies erklärt er auch im Gespräch mit „DFB.de“, wo er zu verschiedenen Themen ausführlich Stellung bezieht. So beschreibt der Deutsch-Ghanaer seine Gefühle, die er mit der Stadt Berlin verbindet: „Es ist ja nicht so, dass ich eine Ewigkeit nicht hier gewesen wäre. Ich bin noch häufig in Berlin. Aber ich freue mich immer, wenn ich hier ankomme. Wenn wir dann durch die Straßen fahren, sehe ich viele Orte, die mich an meine Kindheit erinnern. Fußballplätze, auf denen ich in meiner Jugend gespielt habe, Ausflüge, die wir mit der Schule gemacht haben. Berlin ist für mich voller Erinnerungen, das ist doch klar.“
Er nennt auch Gründe, warum die historisch weltbekannte Stadt für ihn eine ganz besondere Bedeutung hat, die keine andere Stadt der Welt auf ihn ausstrahlen kann: „In erster Linie natürlich meine Kinder, die Familie und meine Freunde. Aber auch den Menschenschlag. Berlin ist einfach toll, in der Stadt tut sich viel, es gibt zahlreiche Möglichkeiten. Mir gefällt München auch sehr gut, aber Berlin ist einfach meine Heimat.“ Für den noch jungen Vater ist der Umstand, dass seine Zwillingstöchter in Berlin und damit weitab von seiner Wahlheimat München leben, ein wahrlich kein leichtes Unterfangen, wie er offen und ehrlich einräumt und konkreter in diesem Sachverhalt wird: „Ich versuche jede Möglichkeit zu nutzen, meine Kinder zu sehen. Für jeden Vater ist es schwer, wenn er seine Kinder nicht immer sehen kann. Aber auch, wenn meine Kinder in München wären, würde ich immer das Gefühl haben, dass ich zu wenig Zeit mit ihnen verbringe. Ich bin Fußballprofi, wir reisen viel, wir sind nicht immer zu Hause. Umso schöner ist es jetzt für mich, dass ich im Rahmen des Länderspiels Zeit mit ihnen verbringen kann.“
Auch wenn Boateng im Kreise der Nationalmannschaft im Hotel quartiert ist, so nennt er durchaus Gründe und Möglichkeiten, wie ein Kontakt zu seinen Zöglingen entstanden ist: „Ich habe die beiden am Samstag und am Sonntag gesehen. Auch morgen früh werde ich noch einmal dort sein. Natürlich wäre es schön, noch mehr Zeit mit ihnen zu haben. Aber wenn das Länderspiel nicht in Berlin wäre, dann würde ich die beiden wahrscheinlich gar nicht sehen.“
Auch Jerome Boateng hat an das Sommermärchen von 2006 eine ganz spezielle Erinnerung, da er damals als A-Junior von Hertha BSC zu einem Freundschaftsspiel gegen die deutsche Nationalmannschaft antreten durfte und in diesem Match so sehr auf sich aufmerksam machen konnte, dass einige Späher auf ihn noch intensiver aufmerksam geworden sind. Boateng beschreibt: „Wahnsinn. Wir haben vorher nichts gewusst. Wir wussten, dass die Nationalmannschaft auf den Plätzen von Hertha trainiert, haben aber allenfalls gehofft, dass wir mal beim Training zugucken dürfen. Und dann haben wir auf einmal gegen sie gespielt. Eigentlich war an diesem Tag Krafttraining angesetzt. Als wir in die Kabine kamen, lagen dann Trikots auf unseren Plätzen. Wir haben erst gedacht, dass wir ein normales Freundschaftsspiel haben. Als es dann hieß, dass es gegen die A-Mannschaft geht, waren wir natürlich alle aufgeregt, nervös und stolz.“
Über den Spielverlauf, der letztlich eindeutig zugunsten der Auswahlkicker ausging, meint der sympathische Abwehrspieler: „Lehrreich. Wir haben gesehen, dass Profis Profis sind. Als Jugendlicher hat man ja immer die Tendenz, sich zu überschätzen. Wenn wir die Spieler im Fernsehen gesehen haben, konnte es vorkommen, dass man dachte: "Das kann ich auch." Mit diesem Spiel hat sich das relativiert. Für uns alle war das eine gute Erfahrung.“
Über den oben erwähnten Punkt, dass er mit einer starken Leistung bundesweit auf sich aufmerksam gemacht hat, hat er rund sechs Jahre diese Meinung: „Das habe ich später auch gehört. Ich weiß, dass ich ganz gut gespielt habe. Mir hat das Spiel viel Spaß gemacht. Ich konnte locker aufspielen, wir hatten keinen Druck. Ich war dann abends mit ein paar Freunden unterwegs und musste alles ganz genau erzählen. Alle wollten wissen, wie es ist, gegen die deutsche Nationalmannschaft zu spielen.“
Die Fußballerkarriere ist bekanntlich enorm schnelllebig. Bestätigung findet diese These auch bei Boateng, der einen Rückblick auf seine eigene Laufbahn wagt: „Es ist alles einfach unheimlich schnell gegangen. 2009 kam der erste große Erfolg, als wir mit der U 21 die EM gewonnen haben, im selben Jahr habe ich schon mein erstes Spiel für die A-Mannschaft gemacht. Dann kam die WM in Südafrika, auf einmal ist man mittendrin. In diesem Tempo gehen selbst die Erfolge ein wenig unter. Natürlich freut man sich über jeden Titel, aber Zeit zum Verarbeiten, zum Genießen hat man nicht.“
Bescheidenheit und Bodenständigkeit sind zwei Komponenten, die den überaus talentierten Boateng auf den ersten Blick explizit auszeichnen. Diese guten Eigenschaften gab es jedoch nicht immer so. Arroganz hatte man ihm besonders zu seiner Hamburger Zeit nachgesagt. Auch darüber spricht der meinungsfreudige Defensivspezialist: „Das stimmt. Das war in Hamburg. Es war die Phase, in der ich Nationalspieler geworden bin. Ich hatte das Gefühl, schon alles zu können und nichts mehr annehmen zu müssen. Das hat dazu geführt, dass ich ein paar Sachen gemacht habe, die nicht gut waren.“ Er nennt Details aus dieser wenig vorteilhaften Charaktereigenschaft aus seiner HSV-Zeit: „Wenn wir geführt haben, habe ich versucht, die Gegner zu tunneln. Auch im Training habe ich mich nicht immer korrekt verhalten und den nötigen Respekt gehabt. Ich habe das aber zum Glück selbst gemerkt. Das war nicht ich.“
Da Boateng bekanntlich bei drei großen Vereinen auch mit Akteuren wie van Nistelrooy, Balotelli und Gomez zusammengespielt hat, wird er nach einem möglichen Vergleich gefragt, der ihm jedoch sichtlich schwer fällt, eben, weil diese Angreifer so unterschiedlich sind. Trotzdem versucht er zumindest sich ein Urteil zu bilden, indem er sagt: „Das geht nicht, dafür sind diese drei zu unterschiedliche Spielertypen, auch wenn es natürlich Gemeinsamkeiten gibt. Van Nistelrooy ist eine Tormaschine, genau wie Mario Gomez. Gomez macht häufig schwierige Tore, hat eine große Wucht und Präsenz. Mario Balotelli hat von den Anlagen her alles, bei ihm ist es leider häufig der Kopf, der abschaltet.“
Über die Gründe des ungewöhnlichen Verhaltens von Italiens Mario Balotelli sagt „Landsmann“ Boateng (beide haben ghanaische Vorfahren): „Ich habe ihn in meiner Zeit bei Manchester City auch privat kennen gelernt. Er ist ein lieber Junge, der vielleicht ein bisschen zu verwöhnt ist. Er wurde adoptiert und hat nicht gelernt, ein Nein zu akzeptieren. Ihm wurden keine Grenzen aufgezeigt. Er hat sich aber gebessert. Ich habe mit ihm auch noch Kontakt. Hin und wieder schreibt man sich, häufig ist es aber nicht.“
Auch der schwedische Nationalspieler Zlatan Ibrahimovic gilt nicht gerade als pflegeleicht. Möglicherweise kommt auf die deutsche Defensive eine ganze Menge Arbeit zu, wenn der Weltklasse-Stürmer aus Schweden im heutigen Länderspiel sein Potential ausschöpft. Jeromes Halbbruder Kevin-Prince spielte mit dem Angreifer zusammen beim AC Mailand. Der jüngere Jerome verrät „DFB.de“ Inhalte aus einem Gespräch zwischen den ehemaligen Mannschaftskameraden: „Dass er ein guter Typ ist, ein Familienmensch. Und dass er privat ganz anders ist als auf dem Platz. Dass ist aber nicht nur bei ihm so. Die Menschen glauben oft, dass sie das, was sie von einem Fußballer auf dem Platz sehen, eins zu eins auf den privaten Menschen übertragen können. Das haben wir Boatengs ja auch schon erlebt.“ Und sportlich hat er auch schon in Erfahrung bringen können: „Er hat erzählt, dass Zlatan unberechenbar ist. Ein Weltklassestürmer, der Spiele alleine entscheiden kann.“
Grundsätzlich sind die Schweden immer sehr hoch einzuschätzen. Dies weiß auch Jerome Boateng, der dem Gegner aus Skandinavien mit großem Respekt entgegentritt, aber dennoch auch an die eigenen Stärken appelliert: „Wir sind eine der weltbesten Mannschaften, unsere Gegner ändern deswegen oft ihre Spielweise gegen uns. Die Teams haben großen Respekt vor uns, mit Sicherheit auch die Schweden. Sie werden deswegen wohl eher defensiv spielen.“
Über die Freude auch tatsächlich vor „heimischer Kulisse“ spielen zu dürfen, sagt der Abwehrspieler von Bayern München. „Ich war damals vor dem Spiel Wochen zwei Monate lang verletzt und gerade erst wieder fit geworden. Natürlich würde ich mich freuen, wenn ich diesmal dabei wäre. Für mich wäre das etwas sehr Besonderes.“ Hoffentlich kann er in diesem Spiel seine Abwehrseite dicht machen, da der herausragende Angreifer Zlatan Ibrahimovic bekannt dafür ist, dass er oft weite Wege geht und auch versucht über diese Außenpositionen zu kommen. Neben seiner unglaublichen körperlichen Präsenz hat der Schwede mit bosnischen Wurzeln eine ausgereifte Technik und einen platzierten Torschuss.

Quelle: dfb.de
Autor: Henning Klefisch
Schlagworte: DFB-Elf; Boateng; Balotelli; van Nistelrooy; Ibrahimovic; Schweden
Datum: 16.10.2012 17:24 Uhr
Url: http://www.3-liga.com/news-fussball-dfb-kicker-jerome-boateng--„die-gegner-haben-grossen-respekt-vor-uns“-2496.html


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