DFB-Keeper Adler: „Neue Spieler erweitern die Möglichkeiten“


Bekanntlich ist der Fußball ein sehr schnelllebiges Geschäft. Dies hat auch Rene Adler erkannt, der das Jahr 2012 zweifelsfrei als Wendejahr in seiner erlebnisreichen Karriere bezeichnen kann. Im Jahr 2010 ist der Nationalkeeper zur neuen Nummer eins für die WM 2010 in Südafrika berufen worden. Kurze Zeit später jedoch brach er sich das Kahnbein, wodurch er später auch seinen Stammplatz bei Bayer Leverkusen verloren hat. Seit seinem Wechsel im Sommer 2012 zum Hamburger SV hat er sich jedoch leistungsmäßig beachtlich entwickeln können und wird bei der derzeit stattfindenden USA-Reise die Nummer eins im DFB-Team sein. Am heutigen Mittwoch gegen Ecuador und am kommenden Sonntag gegen Gastgeber USA wird er seine großartigen Qualitäten unter Beweis stellen. Im Gespräch mit "DFB.de" äußert er sich zu verschiedenen Themen.

„Es ergeben sich dann Situationen, in denen man mit den Stürmern ein bisschen spielen kann“
So hat Adler beim gestrigen Dienstagstraining seinem Namen alle Ehre gemacht, als er zahlreiche Bälle gehalten hat und die Feldspieler damit fast schon zur Verzweiflung getrieben hat. Über seine Leistung bei der Trainingseinheit weiß er nun zu berichten: „Ich mag diese Übungen, Spielformen an deren Ende Flanken und Torschuss stehen. Es ergeben sich dann Situationen, in denen man mit den Stürmern ein bisschen spielen kann, eins gegen eins. Gestern hat es das eine oder andere Mal geklappt, das stimmt. Ganz generell habe ich hier einfach sehr viel Spaß im Training. Wir können bei 30 Grad trainieren, der Platz ist in einem Topzustand. Und wenn man seine Arbeit mit Freude erledigen kann, dann wirkt sich das auch auf die Leistung aus.“ Und er macht zugleich deutlich, dass Leistungen im Training sehr wichtig für sein persönliches Wohlbefinden sind, da er auch in diesen Einsätzen stets das Maximum seiner Leistungsfähigkeit abruft: „Ich gehe in jedes Training mit der Ambition, mein Bestes zu geben. Es wäre für mich völlig undenkbar, während der Woche nur mit halber Kraft zu trainieren und dann am Wochenende zu versuchen, den Schalter umzulegen. Mein Ziel ist es bei jeder Einheit, mich ein kleines Stück weiterzuentwickeln. Das klappt nicht immer, manchmal hat man einfach einen schlechten Tag. Aber die Intention bei jeder Einheit ist es, das eigene Spiel zu verbessern. Deswegen arbeite ich immer sehr konzentriert und bemühe mich um die richtige Einstellung. Nur wenn man mit der richtigen Einstellung trainiert, kann man auch mit der richtigen Einstellung ins Spiel gehen.“

„Die Philosophie und die Anforderungen an die Torhüter sind beinahe gleich“
Zugleich macht er auch deutlich, dass die Unterschiede zwischen Nationalmannschaft und Vereinstraining nicht ganz so extrem sind. Einige Elemente sind jedoch unterschiedlich, wie er "DFB.de" verraten hat: „Es gibt Unterschiede, aber es ist nicht so, dass wir im Verein nach Schema X trainieren und bei der Nationalmannschaft nach Schema Y. Mit Ronny Teuber arbeite ich beim HSV über einen langen Zeitraum jeden Tag intensiv zusammen. Wir haben unser Repertoire an Übungen, das zwar variiert wird, sich aber doch wiederholt. Bei aller Abwechslung, die Ronny wirklich sensationell gestaltet - diese Wiederholungen sind ein wichtiger Aspekt des Torwarttrainings. Neben der klassischen Abwehr von Schüssen und dem Verhindern von Toren liegen die Schwerpunkte auf der Spieleröffnung, auf Ballan- und mitnahme, auf Beidfüßigkeit und Athletik. Diese Inhalte gehen wir einzeln durch. Bei der Nationalmannschaft ist es ähnlich, nur dass wir meistens viel weniger Zeit haben und sich dies natürlich auf die Trainingsgestaltung auswirkt. Aber ganz grundsätzlich ist es nahezu identisch, was im Verein und in der Nationalmannschaft vom Torwartspiel erwartet wird. Die Philosophie und die Anforderungen an die Torhüter sind beinahe gleich.“

„Andi schafft es sehr gut, den Torhütern Sicherheit zu geben“
Bekanntlich ist mit Andreas Köpke ein Ex-Nationalspieler und sogar Weltmeister im DFB-Team sein Torwarttrainer. Über die Arbeit mit dem erfahrenen Ex-Keeper weiß er zu berichten: „Er präpariert uns, er bereitet uns vor. Andi schafft es sehr gut, den Torhütern Sicherheit zu geben. Ich arbeite jetzt schon lange mit "Köppi" zusammen, und das funktioniert hervorragend. Er sorgt dafür, dass wir immer top auf die Gegner vorbereitet sind. Das Training ist abwechslungsreich, macht Spaß und bringt mich weiter. Grundsätzlich kann man sagen, dass die Nationalmannschaft die Spieler, die sie erleben dürfen, verbessert. Schon weil das Trainingsniveau extrem hoch ist. Wir haben uns zu einer der weltbesten Mannschaften entwickelt, eine Mannschaft, in der viele Spieler stehen, die schon jetzt Weltklasse verkörpern oder auf dem Weg dorthin sind. Losgelöst vom Torwarttraining, ist dies in vielen kleinen Spielformen zu sehen. Das bedeutet für alle Spieler, dass sie sich extrem konzentrieren und immer fokussiert bleiben müssen. Das ist ein Unterschied zum Verein, beim DFB trainiert und spielt man mit den besten Spielern des Landes Fußball. Für die Torhüter bedeutet dies, dass sie gedanklich, mental, in jedem Training voll präsent sein müssen. Und das ist gut für die Entwicklung.“

Adler begründet Vorbilderwahl
2006 gab Adler sein Debüt in der Bundesliga. Zu diesem Zeitpunkt ist er als junger Keeper häufig gefragt worden, welche Torhüter er als Vorbilder sieht. Häufig hat er die Namen von Peter Schmeichel und Rinat Dassajew genannt. Gegenüber "DFB.de" erklärt er nun, warum er sich für die Beiden entschieden hat: „Es ist nicht so, dass ich mich nicht für den Fußball in Deutschland interessiert hätte. Natürlich habe ich die Bundesliga verfolgt und speziell auf die Torhüter geachtet. Wie sie reagieren, welche Art des Torwartspiels sie verkörpern. Auch von deutschen Torhütern habe ich mir einiges abgeschaut und versucht, in mein Spiel zu integrieren. Und dennoch würde ich die beiden nennen. Schmeichel ist zwar ein komplett anderer Torhütertyp, und ich werde nie so spielen wie er. Aber mir haben seine Kraft, seine Aggressivität und seine Power imponiert. Er war wahrlich nicht leicht und konnte trotzdem enorm springen. Auf die Sprungfähigkeit habe ich immer besonders geachtet, weil sie den Unterschied ausmacht. Deswegen schaue ich, ob ein Torhüter springen kann oder ob er sich nur fallen lässt. Mir hat auch Schmeichels Strafraumbeherrschung imponiert, genauso wie seine Bereitschaft, Risiken einzugehen.“ Über Dassajew weiß er zu berichten: „Seine Zeit war ja noch ein bisschen früher. Und doch war und bin ich immer noch von ihm begeistert. Noch heute schaue ich mir auf "Youtube" Videos mit seinen Spielen an. Es ist faszinierend zu sehen, mit welcher Ruhe, mit welchem Selbstverständnis und welcher Eleganz er gespielt hat.“

„Im Fußball geht es um Ergebnisse, und daran wird die Reise gemessen werden“
Die derzeit stattfindende USA-Reise wird von Fans wie Medien wegen ihres Sinns allzu häufig kritisiert. Für Adler ist auch das Faktum ein echtes Problem, dass bei diesen beiden Länderspielen häufig ein wenig despektierlich von Urlaub gesprochen wird, was seiner Ansicht der Ernsthaftigkeit dieser Reise nicht gerecht wird. Adler sieht diese Reise jedoch durchweg positiv, was er wie folgt auch begründen kann: „Im Fußball geht es um Ergebnisse, und daran wird die Reise gemessen werden. Wir sollten uns ein bisschen davon freimachen, dass es Kritik im Vorfeld gegeben hat. Ich kann diese auch nicht nachvollziehen, denn es ist doch ausschließlich positiv, dass zwei deutsche Mannschaften das Champions-League-Finale erreicht haben. Das ist für den gesamten Fußball in Deutschland gut, auch für die Nationalmannschaft. Dies gibt Spielern eine Chance, sich in dem Kreis hier zu bewähren, die sonst eventuell nicht dabei wären. Und wer das Training hier beobachtet, hat gesehen, dass das Niveau sehr hoch ist. Neue Spieler erweitern die Möglichkeiten - auch im Hinblick auf die WM, bei der man viele Spieler braucht. Daran kann ich nichts Negatives finden.“

„Rivalität ist gut und wichtig“
Zusammen mit Ron-Robert Zieler und Marc-Andre ter Stegen gehört er dem Torwarttrio der deutschen Nationalmannschaft an. Über die Zusammenarbeit der DFB-Keeper kann er folgendes sagen: „Absolut positiv, wobei ich im Verhältnis der Torhüter untereinander bei der Nationalmannschaft noch nie Probleme hatte. Nicht mit Manuel neuer, auch nicht mit Tim Wiese oder früher mit Jens Lehmann. Dass wir miteinander konkurrieren, ist völlig klar und muss auch so sein. Wir schenken uns nichts und sind alle extrem ehrgeizig. Diese Rivalität ist wichtig und gut, sie fördert jeden einzelnen von uns. Das geht aber nicht auf Kosten des Spaßes, der Fairness und der Kollegialität. Wichtig ist, und darauf legen die Trainer auch großen Wert, dass wir alle ein gemeinsames Ziel verfolgen.“

Anspannung und Entspannung wichtig
Es ist ein offenes Geheimnis, dass Adler sich immer sehr intensiv auf die Spiele vorbereitet, gleichzeitig jedoch auch genügend Entspannung einbaut. Dies gibt er auch unumwunden gegenüber "DFB.de" zu und nennt Entspannungsmethoden: „Gar nicht, weil Entspannung und Regenration Teil der Vorbereitung sind. Dazu gehört es auch, mal abzuschalten, mal an andere Dinge zu denken, mal rauszugehen und einen Spaziergang zu machen. Für mich ist all das ein Bestandteil, um eine gute Leistung zeigen zu können. So wie eben auch, sich am Vorabend des Spiels noch einmal mit seinen Zielen und Aufgaben für das Spiel zu beschäftigen.“ Und er sagt auch, dass die Befindlichkeiten wie auch Ziele und Aufgaben in jeder Begegnung unterschiedlich sind: „Nein, schon deswegen nicht, weil man sich nicht in jedem Spiel und auch nicht vor jedem Spiel gleich fühlt. Mal ist man nervöser, dann muss man Methoden finden, mit der Nervosität umzugehen. Mal ist man euphorischer und fühlt sich sehr stark. Dann nehme ich mir vor, möglichst einfach zu spielen und den Impuls zu unterdrücken, etwas Besonderes zu machen. Mal hat man das Gefühl, alles läuft von selbst, dann muss man verhindern, die Konzentration zu verlieren. Wenn man sich mit diesen Konstellationen befasst, kann man im Vorfeld steuern, wie man sich im Spiel verhalten wird.“

Ausreichende Vorbereitung auf Ecuador
Seinen Stand der Vorbereitungen über den unangenehm zu bespielenden Gegner aus Ecuador nennt er wie folgt: „Man darf es mit der Vorbereitung auch nicht übertreiben. Es ist nicht so, dass ich schon Tage vorher alle erdenklichen Informationen haben will und damit alle verrückt mache. Wir haben am Sonntag angefangen, die Mannschaft Ecuadors zu studieren. Am Montag hatten wir die intensive Videoanalyse mit Urs Siegenthaler, die immer sehr detailliert und aufschlussreich ist. Und ich habe mein Playbook dabei, auf dem Videosequenzen aufgespielt sind mit Standardsituationen, Elfmeterschützen und anderen Informationen. Die werde ich mir heute im Bus auf dem Weg nach Boca Raton das erste Mal intensiv anschauen. Für mich ist es wichtig zu wissen, wie sich die Stürmer bewegen, ob sie irgendwelche typischen Abläufe haben. Und ganz generell, wie sich die Mannschaft bei Standardsituationen verhält, auch bei Flanken und in Kontersituationen.“

„In der Regel bin ich so konzentriert, dass das Drumherum keine große Bedeutung hat“
Im Februar hat Adler ein grandioses Comeback im Tor der Nationalmannschaft geben können, als er vor 80.000 Zuschauern im ausverkauften Stade de France gegen Frankreich gespielt hat und gewinnen konnte. Der heutige Rahmen wird jedoch etwas kleiner ausfallen, denn in der amerikanischen Mittagshitze muss vor einer bescheidenen Zuschauerkulisse gespielt werden. Über dieses etwas andere Spiel meint er: „Unter dem Strich spielt es für mich keine große Rolle, ob ich vor 8000 oder vor 80.000 Zuschauern spiele. In der Regel bin ich so konzentriert, dass das Drumherum keine große Bedeutung hat. Mir ist wichtig, dass mein Siel stimmt, darauf konzentriere ich mich in gleicher Intensität, unabhängig von der Bedeutung und der Kulisse des Spiels. Das fällt vielleicht ein bisschen leichter, wenn das Ambiente stimmt. Aber gerade bei einem Länderspiel müssen wir uns nicht darüber unterhalten, ob es schwer ist, sich für das Spiel zu motivieren.“

Druck vor Frankreich-Spiel enorm
Über den enormen Druck vor dem Frankreich-Spiel hat er sich auch umfassend Gedanken gemacht. Genießen konnte er sein Comeback keineswegs, wie er dem "DFB.de" verraten hat. Vor allem eine fehlerfreie Vorstellung war vor diesem Länderspiel-Klassiker sein gestecktes Ziel, welches er eindrucksvoll einhalten konnte: „Ich hoffe das sehr. Der Druck im Frankreich-Spiel war aus vielen Gründen sehr groß. Es war mein Comeback, und wenn ich schon die Möglichkeit bekomme, wieder für Deutschland zu spielen, dann sollte ich auch einigermaßen passabel agieren. Hinzu kam die besondere Situation mit der langen Durststrecke gegen Frankreich. Im Spiel gelingt es, diese Gedanken beiseite zu schieben. Aber: Es kostet Energie, das alles von sich fernzuhalten. Und daran muss man sich erst wieder gewöhnen. Wenn man im Alltag ein Spiel pro Woche auf "normalen" Bundesliganiveau bestreitet, ist das etwas anderes, als wenn man - wie gegen Frankreich - auf eine Mannschaft mit Weltklasseformat trifft. Nach dem Schlusspfiff habe ich gemerkt, wie platt ich war.“

Quelle: dfb.de
Autor: Henning Klefisch
Schlagworte: DFB-Team; Adler; USA; Ecuador; Deutschland; Köppke; Zieler; ter Stegen; Neuer
Datum: 29.05.2013 19:46 Uhr
Url: http://www.3-liga.com/news-fussball-dfb-keeper-adler--„neue-spieler-erweitern-die-moeglichkeiten“-5721.html


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