Dänemark als Variable

Für die einen sind sie das Zünglein an der Waage in dieser Todesgruppe. Für die anderen könnten sie sogar die Überraschungsmannschaft des gesamten Turniers werden. An Dänemark scheiden sich die Geister, denn die Skandinavier sind absolut unberechenbar. Heute geht es gegen den Titelkandidaten Niederlande. Die kollektive Frage lautet: Kann die Olsen-Bande zum Stolperstein für „Oranje Boven“ werden?

Einige Tollkühne kramen immer wieder die Erinnerungen hoch, die sich in diesen Tagen zum 20. Mal jähren. Allerdings darf und kann man die Situation von 1992 in Schweden und in diesen Tagen in Polen und der Ukraine nicht näher vergleichen.
Sicherlich war damals der Druck nicht da auf die Mannen um Schmeichel oder die Laudrup-Brüder. Praktisch aus dem Urlaub kamen die Dänen und bereiteten sich auch mit Fast-Food auf den späteren Titelgewinn vor. Eine Lockerheit, die auch Jahre später als Paradebeispiel für die rot-weißen Nachfolger gegolten hat. Seitdem ist es jedoch sehr ruhig geworden. Dreimal konnte sich bisher für die europäische Endrunde qualifiziert werden. Jedoch ohne erkennbaren Erfolg, denn in den Jahren 1996, 2000 und 2004 gab es das Ende bereits nach den drei Vorrundenspielen.

Bei der WM 2006 und der EM 2008 musste man sogar gänzlich ohne „Danish Dynamite“ Vorlieb nehmen, die vor allem auf Spiele bauen, die in England und der Niederlande beschäftigt sind. Seit jüngster Zeit allerdings hat auch das französische Mittelklasseteam Evian Thonon Gaillard FC mehrere dänische Spieler unter Vertrag. Insgesamt ist das dänische Team ein Komplex aus vielen verschiedenen Ländern. Jeder Akteur bringt eine eigene Kultur aus dem Gastland mit, wo er fußballerisch aktiv ist.

Einen echten Star sucht man jedoch vergeblich. Genau dies scheint auch die Stärke von Olsens Mannschaft zu sein, der gebetsmühlenartig predigt: „Der Star ist die Mannschaft.“ Eine Mannschaft, die keine herausragenden Individualisten hat. Vielmehr ist die taktische Disziplin und vor allem die mannschaftliche Geschlossenheit eine Tugend. Selbstbewusst sind sie, denn insgeheim hoffen sie von einem überraschenden Einzug in das Viertelfinale. Folglich erklärt Stürmer Nicklas Bendter dazu: „Wir wollen Dänemark stolz machen.“ Und der dänische Rekordspieler gibt gegenüber Medienvertretern zu: „Das sind auch nur Menschen wie wir“, und ergänzt überzeugend vor dem schweren Duell gegen die klar favorisierten Niederländer: „Wenn wir einen guten Tag haben, können wir sie schlagen.“

Damit dies auch wirklich Realität werden könnte, müsste vieles für Dänemark laufen. Vor allem müsste die Niederlande einen schwachen Tag erwischen. Die jüngste Erinnerung aus Dänen-Sicht verleitet auch nicht gerade zur grenzenloser Euphorie, denn nach der 0:2 Niederlage bei der Vorrunde der WM 2010 in Südafrika schieden die Nordlichter erstmals in ihrer Historie in der Vorrunde einer Weltmeisterschaft aus.

Danach jedoch hat sich die Mannschaft sehr gut entwickeln können. Die Qualifikation schaffte man als Gruppenerster und konnte sogar die deutlich höher eingeschätzten Portugiesen hinter sich lassen. Auch die nordischen Kontrahenten aus Norwegen und Island wurden souverän distanziert.

Als Stars gelten der kunstvoll tätowierte Abwehrchef Daniel Agger vom FC Liverpool, Goalgetter Nicklas Bendtner und der Stuttgarter Mittelfeldstratege William Kvist. Der 27-jährige Kvist ist die Schaltzentrale im Team von Trainer Morten Olsen. Als Überraschung des Turniers wäre Christian Eriksen aufgrund seiner Fähigkeiten gut.

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