Bundestrainer Löw: „Dortmund ist in der Champions League alles zuzutrauen“


Die Bundesliga biegt auf ihre Zielgerade ein. Auch die beiden deutschen Champions League-Vertreter Borussia Dortmund und Bayern München kämpfen im Viertelfinale um internationale Ehren. Da gerät die deutsche Nationalmannschaft ein wenig in den Hintergrund, wenn es am 22. und 26. März in den WM-Qualifikationsspielen gegen den Fußballzwerg Kasachstan gehen wird. Erst folgt das Auswärtsspiel in Astana, bevor das Rückspiel im Nürnberger Stadion steigen wird. Mit sechs Punkten sollte bei der hohen Qualität des DFB-Teams schon gerechnet werden. Im Gespräch mit „DFB.de“ äußert sich Joachim Löw nun zu verschiedenen Themen.

Mit zehn Punkten aus vier Spielen steht die deutsche Nationalmannschaft mit drei Zählern Vorsprung vor Schweden, die allerdings eine Begegnung weniger ausgetragen haben. Gegen den Tabellevorletzten, der in seinen vier Begegnungen nur einen Punkt ergattern konnte, ist die Zielsetzung klar. Am Ende dieses Duells sollen 16 Zähler auf dem Konto der deutschen Elitekicker vermerkt sein. Dies hat auch der selbstbewusste Löw so erkannt: „Wir stehen jetzt vor zwei wichtigen Spielen mit Blick auf die WM, unser Fokus und unsere ganze Konzentration gelten in diesem Jahr der Qualifikation. Ich erwarte, dass wir die beiden Spiele gegen Kasachstan gewinnen. Wir nehmen die Rolle des Favoriten an, es liegt an uns, wie wir diese beiden Spiele gestalten. Wir haben mit Kasachstan und den Gegebenheiten dort schon im Rahmen der EM-Qualifikation Erfahrungen gemacht, mit dem Kunstrasen, mit der Zeitverschiebung, mit der etwas beschwerlichen Anreise. Kasachstan hat eine Mannschaft, die von einer guten Physis lebt, von einer guten Defensive. Zuletzt haben sie einige ganz ordentliche Ergebnisse erzielt, gegen Schweden haben sie nicht hoch verloren, gegen Irland zu Hause war es knapp, gegen Österreich haben sie unentschieden gespielt. Das Spiel gegen Deutschland ist für sie das Spiel des Jahres, die Spieler wollen sich gegen uns auch für das Ausland empfehlen. Mein Eindruck ist, dass sie in der Defensive kompakter agieren und intelligenter in der Zweikampfführung geworden sind als dies noch im Laufe der EM-Qualifikation der Fall war. Aber wenn wir unser Potenzial abrufen, dann werden wir diese Spiele gewinnen. Die sechs Punkte haben wir fest eingeplant.“

Der derzeit weltbeste Verein, der FC Barcelona, hat es in vielen Spielen eindrucksvoll demonstrieren können. Ebenfalls die spanische Nationalmannschaft, die ihr taktisches System gänzlich ohne einen klassischen Angreifer aufgebaut hat. Dieses Prinzip ist vielleicht sogar zukunftsfähig, da häufig mit einem kleinen technisch starken Spieler agiert wird, der das Kombinationsspiel forcieren kann. Flankenbälle auf einen großgewachsenen, wuchtigen Angreifer sind bei dieser Variante sicherlich nicht angebracht. Auch der moderne Fußballlehrer Löw findet an dieser taktischen Option durchaus Gefallen, wie er „DFB.de“ verraten hat: „Im November haben wir gegen die Niederlande mit Mario Götze vorn gespielt. Ich beschäftige mich mit diesem Gedanken schon lange, wir haben die Spieler dafür: Marco Reus, Mario Götze oder Mesut Özil. Das sind Spieler, die immer wieder in den Abschluss kommen. Wenn variabel gespielt wird, muss nicht immer ein Zentrumsstürmer auf dem Platz stehen. Diese Flexibilität im Spiel - mit technisch guten Spielern - kann den Gegner überraschen. Als Variante haben wir es mit der Mannschaft immer wieder durchgespielt. Ich bin davon überzeugt, dass es in Zukunft sehr wichtig sein kann, Spieler vorne zu haben, die auf engem Raum die besten Lösungen finden und den Gegner vor Probleme stellen.“

Vor wenigen Tagen erst hat der deutsche Vorzeigeverein FC Bayern München sein Champions League-Achtelfinalrückspiel in der heimischen Allianz-Arena gegen den FC Arsenal London fast schon blamabel mit 0:2 verloren. Ein Gegentreffer mehr hätte das Ausscheiden für den selbsternannten Titelfavoriten auf den Titel in der Königsklasse bedeutet. Nicht dabei war Bastian Schweinsteiger, dessen Präsenz und Bedeutung für die Mannschaft wahrlich exorbitant ist. Dies hat auch Löw erkannt, der über seinen Vize-Kapitän urteilt: „Ich erwarte viel von ihm. Er hat in München zuletzt gezeigt, dass er wieder eine sehr gute Form hat. Die Bayern sind in dieser Saison insgesamt sehr stabil und fußballerisch gut. Er ist ein Führungsspieler, von daher sind meine Erwartungen an ihn immer sehr hoch.“

Im Oktober 2009 hat die deutsche Nationalmannschaft beim wichtigen WM-Qualifikationsspiel in Russland schon einmal das Vergnügen gehabt, auf Kunstrasen spielen zu dürfen. Ebenso ein Jahr später beim EM-Quali-Match im kasachischen Astana. Für Löw stellt dieses Faktum dennoch ein Problem dar, wie er offen einräumt: „Unsere Mannschaft ist es nicht gewohnt, auf Kunstrasen zu trainieren oder zu spielen. Wir müssen uns den Gegebenheiten anpassen, das ist aber nicht neu. Schon 2009 haben wir in Russland Erfahrungen auf Kunstrasen gemacht, und natürlich auch beim letzen Mal in Kasachstan. Damals haben wir es gut gemacht, wir haben das Spiel fußballerisch gut gestaltet, auch wenn wir erst in der zweiten Halbzeit die Tore geschossen haben. Wir haben uns davor aber schon fünf oder sechs große Chancen herausgespielt. Man muss den Ball in den Fuß spielen, man muss den Ball flach halten. Wenn der Ball aufspringt, wird er unheimlich schnell, dann kann man nicht in die Tiefe spielen. Daran werden wir uns in der kommenden Woche in der einen oder anderen Trainingseinheit gewöhnen.“

Ebenso suboptimal gestaltet sich die Zeitumstellung in Kasachstan, welche sich als konträr zu Deutschland darstellt. Auch dieses Thema hat der umtriebige und bestens vorbereitete Löw schon eingehend analysiert und versucht mit dem Arzt der deutschen Nationalmannschaft eine praktikable Lösung dafür zu finden: „Wir haben mit Nationalmannschaftsarzt Tim Meyer alle möglichen Varianten besprochen und abgewogen. Die Zeitumstellung von plus fünf Stunden ist schon heftig. Nach internen Diskussionen und den Erfahrungen vom letzten Mal haben wir uns dazu entschieden, erst einen Tag vor dem Spiel anzureisen und im deutschen Rhythmus zu bleiben. Wenn man den Rhythmus verändern will, hätten wir drei bis vier Tage vor dem Spiel anreisen müssen. Wir hätten dann aber das Problem, dass wir uns nach der Rückkehr nach Deutschland wieder an den deutschen Rhythmus gewöhnen müssten.“

Nach der Vorrunde in Champions League und Europa League wurde die Qualität der Bundesliga in den höchsten Tönen gelobt, weil sämtliche sieben Bundesliga-Vertreter sich in der Gruppenphase durchsetzen konnten. Nun stehen mit den beiden deutschen Vorzeigevereinen Bayern und Dortmund nur noch zwei Teams aus der deutschen Eliteklasse im Viertelfinale eines europäischen Wettbewerbs. Auch Löw hat dazu eine Meinung: „Natürlich sind wir alle ein wenig enttäuscht, dass die deutschen Vereine in der Europa League nicht länger dabei geblieben sind. In der Champions League hat Schalke einen großen Kampf geliefert, leider hat es nicht geklappt. Auf der anderen Seite haben mir Bayern und Dortmund wahnsinnig viel Freude bereitet. Mit welcher fußballerischen Klasse die beiden Mannschaften ihre Aufgaben gelöst haben, gefällt mir sehr. Mit Bayern und Dortmund haben wir die beiden absoluten Spitzenmannschaften in Deutschland, das zeigt sich in der Bundesliga, das zeigt sich vor allem aber auf dem ganz hohen Niveau der Champions League. Die anderen deutschen Mannschaften stehen in ihrer Qualität ein bisschen dahinter. Bayern und Dortmund traue ich zu, dass sie noch sehr weit kommen, möglicherweise auch die Champions League gewinnen.“

Gedanken hat er sich auch schon über den Favoritenstatus in der kontinentalen Königsklasse gemacht. Den deutschen Mannschaften räumt er durchaus Chancen auf den Triumph im prestigereichsten europäischen Wettbewerb ein. Seine Begründung dafür lautet wie folgt: „Egal, wie die Konstellation in den Viertelfinals sein wird – diese Spiele werden wahnsinnig eng. Wer ins Halbfinale einziehen will, muss in beiden Spielen seine Topverfassung erreichen. Barcelona hat in Mailand nicht gut gespielt, im Rückspiel dann überragend. Bei Bayern war es umgekehrt, sie haben auswärts überragend gut gespielt, zuhause dann weniger. Auf diesem Niveau hängt viel von der Tagesform ab. Barcelona ist nach wie vor ganz schwer auszuschalten. Aber Bayern hat in etwa die gleiche Stärke, auch Dortmund ist alles zuzutrauen. Ich schätze auch Juve sehr stark ein. Paris und Malaga sind mehr Außenseiter. Wenn man die gesamte Saison betrachtet, waren Barcelona, Juve, Bayern und Dortmund die Mannschaften mit der größten Klarheit in ihrem Spiel.“

Oft war es die Blockbildung von bestimmten Vereinen, die bei Titelgewinnen der deutschen Nationalmannschaft eine ganz besondere Bedeutung gehabt haben. Dies könnte beim kommenden Weltturnier mit mehreren Spielern von Bayern München und Borussia Dortmund der Fall sein, wie Löw einräumt: „2010 in Südafrika gab es keinen Verein, dessen Spieler in der deutschen Nationalmannschaft dominiert haben, auch wenn schon damals einige Spieler von Bayern München dabei waren. Für mich ist weniger entscheidend, für welchen Verein ein Spieler spielt, für mich ist seine Qualität maßgeblich. Wir haben jetzt aber die Situation, dass viele Nationalspieler in Dortmund und München spielen. Das kann ein Vorteil sein, muss es aber nicht. Auf keinen Fall ist es ein Problem, dass wir ein zu großes Konkurrenzdenken hätten. Beide Mannschaften treiben sich in der Liga an. Das ist für die Entwicklung der Spieler gut, auch für mich als Bundestrainer. Es ist ähnlich wie in Spanien, wo Barcelona und Real Madrid die meisten Nationalspieler stellen. Die Rivalität dort ist wahnsinnig groß, insbesondere bei den Clasicos. Aber bei der Nationalmannschaft herrscht immer die nötige Harmonie. So ist es auch bei uns.“

In den letzten Wochen und Monaten ist enorm viel über die deutschen Torhüter gesprochen worden, die zweifelsfrei zu den besten Goalies der Welt gehören. Über seine Rangliste bei den Keepern sagt Löw folgendes: „Manuel Neuer hat in den vergangenen Jahren überragende Leistungen gezeigt. Er gehört zu den besten Torhütern auf der Welt. Er war 2010 und in vielen Spielen danach der große Rückhalt. Er ist unsere Nummer eins. René Adler hat gegen Frankreich eine Leistung gezeigt, die absolute Klasse war. Nach einer langen Pause hat er ganz souverän agiert und viel Ruhe ausgestrahlt. Ich denke, dass er wieder ein fester Bestandteil bei der Nationalmannschaft wird. Ron Robert Zieler und Marc ter Stegen sind junge Torhüter, bei denen wir nach der EM gesagt haben, dass wir sie weiter voranbringen wollen. Im Moment hat Ron Robert Zieler die Nasenspitze ein kleines Stück vorn, aber die Qualität von beiden ist gut. Wir haben dahinter auch noch Torhüter, die absolut überzeugt haben. Zum Beispiel hat Kevin Trapp von Eintracht Frankfurt jede Menge überragende Spiele gemacht.“
Lange Zeit wurde einzig die deutsche Offensivabteilung eminent gelobt. Wegen der Mischung aus Kreativität, Kunst und Effektivität gab es weltweite Beachtung für dieses Prunkstück des DFB-Teams. Auch die Defensive hat jedoch mit Akteuren wie Holger Badstuber und Mats Hummels international renommierte Akteure, die leider derzeit verletzt sind. Löw spricht offen über die Möglichkeiten im deutschen Abwehrverbund: „In der Zeit nach der EM und bei den letzten Qualifikationsspielen habe ich wieder den Per Mertesacker gesehen, der bei uns lange fest gesetzt war. Mit seiner Leistung gegen die Niederlande und Frankreich war ich sehr zufrieden. Er war sehr stabil. Er organisiert, er redet, er gibt wichtige Anweisungen, er ist Führungsspieler. Per ist für uns ein wahnsinnig wichtiger Spieler. Er hat ab Oktober bei der Nationalmannschaft Klasseleistungen gezeigt. Ich glaube, dass die Entscheidung daneben zwischen Boateng und Höwedes fallen wird. Beide sind jung, beide sind körperlich stark, beide sind schnell. Ich weiß, dass ich mich auf beide verlassen kann, genauso wie auf Heiko Westermann.“

Sehr unglücklich ist der Abschied vom verdienten Nationalspieler Michael Ballack aus dem DFB-Team gelaufen. Wegen einer Verletzung musste er auf die WM 2010 in Südafrika verzichten. Danach gab es medial erhebliche Dissonanzen zwischen den Parteien zu erkennen. Im Juni wird der vielleicht beste deutsche Spieler der letzten zehn Jahre sein offizielles Abschiedsspiel in Leipzig bestreiten, zu dem etwas überraschend auch der Bundestrainer eingeladen worden ist. Zu dieser Tatsache kann Löw folgendes erklären: „In den letzten Monaten war Funkstille zwischen uns. Gestern Abend hat er mich dann angerufen und offiziell eingeladen. Wir hatten ein gutes Gespräch, und ich habe mich wahnsinnig gefreut, dass er mich zu seinem Abschiedsspiel einlädt. Wir haben vereinbart, dass wir vor dem Abschiedsspiel mal einen Kaffee zusammen trinken gehen und über ein paar Dinge reden, die noch im Raum stehen.“

Quelle: dfb.de
Autor: Henning Klefisch
Schlagworte: DFB-Team; Löw; Kasachstan; Champions League; Borussia Dortmund; FC Bayern; Hummels; Höwedes; Adler; Neuer; Schweinsteiger; Ballack
Datum: 15.03.2013 20:13 Uhr
Url: http://www.3-liga.com/news-fussball-bundestrainer-loew--„dortmund-ist-in-der-champions-league-alles-zuzutrauen“-4560.html


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