Bierhoff möchte seine Belohnung haben


Oliver Bierhoff ist einer der großen Macher beim DFB. Schon seit 2004 ist er als Manager der Nationalmannschaft für den größten Fußballfachverband der Welt aktiv. Damals ging es darum, dass nach dem blamablen Ausscheiden bei der EM 2004 ein neues Team bis zur Heim-WM 2006 aufgebaut wird. Alles wurde kontrolliert und modernisiert, denn die Ziele waren klar. Ein Titel soll endlich wieder in Deutschland gefeiert werden. Schon seit 1996 wartet man vergeblich auf eine gewonnene EM oder WM. Bei dieser EM kann der Traum vielleicht realisiert werden.

Bei „DFB.de“ erklärt der Siegtorschütze des Golden Goals 1996, was beim EM-Turnier in Polen und der Ukraine noch möglich ist für das deutsche Team. Immer wieder wird thematisiert, dass es einen Zusammenhang zwischen Politik und Sport geben könnte. So vermuten einige Boulevardzeitungen, dass die Motivation bei den Spielern enorm ist, weil die Finanzkrise in der Heimat angeblich durch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel noch weiter verschärft worden ist. Man fühlt sich unterschätzt an der Akropolis. Für die stolzen Hellenen eine absolute Respektlosigkeit. Auch Bierhoff hat dazu im Gespräch mit „DFB.de“ eine eigene Meinung: „Das griechische Volk hat in den vergangenen Monaten viel Kritik einstecken müssen, es hat viel Druck erfahren. Die Griechen müssen jetzt viele Entbehrungen hinnehmen für Dinge in ihrem Land, die nicht so gut gelaufen sind. Viele von ihnen empfinden die aktuellen Maßnahmen als ungerecht. So etwas schweißt zusammen. Die Menschen in Griechenland - und damit auch die Nationalmannschaft. Die sportliche Motivation ist aber ohnehin groß, wenn man die Chance hat, das EM-Halbfinale zu erreichen.
Dabei spielt das Wort eine besonders große Rolle. So kann es durchaus ein Team stärker machen. Zugleich jedoch könnte aber auch eine Blockade auftreten, weil es sich um eine Übermotivation handelt und die klaren Gedanken auf dem Platz nicht mehr gefasst werden können.“ Dazu erklärt der 44-Jährige: „Zu große Motivation kann zur Überreaktion und Verkrampfung führen. Darauf würde ich für morgen aber nicht setzen. Das griechische Team spielt bislang sehr selbstbewusst seinen Stil, es weiß, was es kann. Die Mannschaft besticht durch ihre Effizienz. Die Griechen wissen, dass sie in diesem Spiel Außenseiter sind, aber in dieser Rolle haben sie sich bisher ganz wohl gefühlt. Unsere Aufgabe wird sein, sie nicht unnötig durch mangelnde Konzentration oder Fehler aufzubauen und von Anfang an deutlich zu machen, das wir Herr des Spiels sind.“
Viel wurde auch vor dem Spiel geredet, dass der Kontrast zwischen den offensivstarken Deutschen und dem Abwehrbollwerk Griechenland enorm ist. Einige spitzfindige Journalisten erwarten eine Art Handballspiel, ähnlich wie beim 2:1 Erfolg im letzten Gruppenspiel gegen Dänemark. Der Konter wird ein mögliches Erfolgsrezept für die Südländer sein, die technisch und spielerisch den Deutschen unterlegen sind. Trotzdem warnt der ehemalige Nationalspieler eindringlich vor dem Gegner: „Beide Teams haben konträre Philosophien, das stimmt. Beide sind aber auch mit ganz unterschiedlichen Erwartungshaltungen in das Turnier gegangen. Griechenland hat mit dem Einzug ins Viertelfinale sein Soll bereits übererfüllt. Sie haben die Gruppenphase überstanden und mit viel Engagement und Leidenschaft eine kleine Sensation geschafft. Es ist ihnen damit gelungen, erfolgreich Fußball zu spielen, das zeichnet sie aus.“
Auch weil er selbst auf eine fast zwanzigjährige Profikarriere zurückblicken kann, wo er häufig wichtige Spiele bestreiten musste. Über eine mögliche Anspannung kann er folgendes erzählen: „Auch ich merke an Spieltagen den Druck. Ich spüre die Intensität, ich blende viele andere Dinge aus. Mit dieser Situation geht jeder anders um. Thomas Müller beispielsweise ist immer entspannt und locker und macht bis kurz vor Spielbeginn noch seine Späße. Ich selber bin am Tag des Spiels eher schweigsam und konzentriert.“
Es gibt dieses bekannte Sprichwort „einmal Spieler immer Spieler.“ Für Bierhoff gilt dies jedoch nicht, weil er sich bewusst auf seine derzeitige Aufgabe konzentriert. Er handelt nach dem Motto, dass alles seine Zeit und sein Ende hat, denn ein Nachtrauern wäre in der jetzigen Situation völlig unnötig. Er ist vernünftig, deshalb stellt er klar: „Ich durfte als Stürmer viele Tore erzielen, auch entscheidende. Daran erinnere ich mich manchmal zurück, ich weiß, wie toll es ist, wenn man mit einem Treffer die Mannschaft und eine ganze Nation erfreuen kann. Aber, den Drang, auf den Platz zu gehen, den spüre ich nicht mehr.“
Immer wieder ist davon die Rede, dass es gegen Griechenland einen „Matchplan“ geben wird, der konsequent umgesetzt werden muss. Mit einer cleveren Taktik versucht man die Schwachstellen des Gegners ausfindig zu machen, um zu möglichst vielen Torchancen zu kommen. Bierhoff beschreibt sein Aufgabengebiet in diesem Bereich so: „Ich bin bei den Trainergesprächen häufig dabei, auch oft, wenn unsere Scouts sich unterhalten. Ich höre zu, für mich ist das toll, weil ich von den Fachleuten unglaublich viel lernen kann. Ich gebe aber auch meine Eindrücke wieder, vom Training und von den Spielen. Von der Tribüne aus habe ich eine andere Perspektive als die Trainer. Dabei geht es häufig um Körperhaltung und andere Reaktionen der Spieler. Auch Andreas Köpke macht das. Wir haben beide während unseren aktiven Karrieren an einigen großen Turnieren teilgenommen, sowohl als Stammspieler als auch als Ersatzspieler. Wir können deswegen viele Dinge, die die Spieler empfinden, aus eigenem Erleben nachvollziehen und unsere Erfahrungen einbringen. Was die Trainingsgestaltung und die unmittelbare Spielvorbereitung angeht - da halte ich mich raus. Ich habe inzwischen gelernt, dass es besser ist, wenn ich da ruhig bin - trotz Trainerschein.“
Man kann gewiss nicht davon ausgehen, dass jetzt ein Relaxprogramm auf den Team-Manager wartet. Dennoch ist die Hauptarbeit schon erledigt worden. Der gebürtige Essener nennt Aufgaben, die auf ihn zugekommen sind und noch auf ihn zukommen werden: „Für mich ist jetzt die schönste Phase. Im Vorfeld musste viel organisiert und geplant werden, die ganze Vorbereitung, Teammaßnahmen, Personalplanung. Beim Turnier ist es für mich das Wichtigste, nah bei den Trainern und Spielern zu sein. Außerdem bin ich natürlich Ansprechpartner für alle Mitarbeiter. Äußerst positiv ist wieder, dass hier in allen Abteilungen des Teams hinter dem Team alles reibungslos funktioniert. Mein Credo ist immer, dass ich für alle da sein will, ohne jemandem im Weg zu stehen. Wir sind ein Team von vielen Fachleuten, in deren Arbeit ich volles Vertrauen habe. Priorität hat für mich aber die Unterstützung der Trainer. Vor diesem Hintergrund wurde die Position des Nationalmannschafts-Managers ja einst geschaffen. In einer druckvollen und stressigen Phase wie der EM ist es am Wichtigsten, den Trainern den Rücken freizuhalten, damit sie sich optimal auf ihre sportliche Aufgabe konzentrieren können.“
Sein erstes Turnier, die WM 2006, in verantwortlicher Position vergleicht er mit der jetzigen Europameisterschaft: „Bei der WM in Deutschland kamen viele Dinge zusammen. Es war die Heim-WM, für die Verantwortlichen an der Spitze der Nationalmannschaft war es das erste große Turnier. Jetzt ist es so, dass das gesamte Team eingespielt ist, die Sportliche Leitung mit Jogi, Hansi und Andi, und auch das Team hinter der Team. Und man muss zudem sagen, dass die Spieler absolut pflegeleicht sind. Für mich sind die Turniere also weniger stressig. Dennoch ist die EM für alle Beteiligten eine hohe Belastung, zeitlich und mental. Ich werde das aber erst hinterher spüren, wenn die notwendige Anspannung nachlässt. Dann kommt die Müdigkeit, dann merkt man, dass man über sieben, acht Wochen ständig unter Strom war.“
Auch durch die Heim-WM hat er einen sehr guten Überblick und kann folglich eine differenzierte Aussage über das sportliche und organisatorische Niveau dieser EM tätigen. Bierhoff äußert sich bei „DFB.de“ sichtlich zufrieden: „Es passt, alles läuft bisher ohne Reibungen. Die Organisation ist super, die Stadien sind top. Für mich sind die Begegnungen mit den Menschen immer schön. In der Ukraine und in Polen tritt man uns sehr positiv entgegen. Alle freuen sich, dass wir da sind. In der Stadt und auf den Straßen spürt man Begeisterung, allerdings nicht in den Dimensionen, die es insbesondere bei der WM in Deutschland gegeben hat. Man muss auch sagen, dass die Qualität der Spiele gut, aber nicht überragend ist. Vom technischen Niveau hat die EM nicht alles gehalten, was man sich im Vorfeld von ihr versprochen hat.
Die Begeisterung in Deutschland scheint bei dieser EM immer mehr anzusteigen. Dies bemerkt auch die Nationalmannschaft, wie der ehemalige Italien-Legionär „DFB.de“ anvertraut: „In der Heimat muss sehr viel los sein. Wir bekommen das rational mit, über Zahlen, über Bilder. 27 Millionen Menschen vor den Fernsehern, 500.000 Fans beim Public Viewing, das ist Wahnsinn. Aber man kann es irgendwie nicht greifen. Wir leben hier in unserer eigenen abgeschlossenen Welt. Das ist aber gut so, dass muss so sein. Wir sind dadurch total fokussiert.“
Oft ist davon die Rede, dass die Marke deutsche Fußball-Nationalmannschaft auch weiterhin gestärkt werden muss. Man möchte „des Deutschen liebstes Kind“ bekannter und besser machen. Auf die Frage, ob der Erfolg oder das Auftreten des Teams wichtiger erscheint, antwortet Bierhoff: „Es gab deutsche Nationalmannschaften, die Vizeweltmeister geworden sind, die aber in der Wahrnehmung von heute nicht so hoch in der Gunst der Fans stehen. Im Idealfall verbindet man alles: Attraktive Spielweise, Erfolg und eine positive Ausstrahlung. Das wollen wir aktuell schaffen. Unsere Mannschaft kommt sympathisch rüber, sie hat ein gutes Auftreten. Und wenn dann der sportliche Erfolg hinzukommt, haben wir die Idealkonstellation.“
Wie bereits erwähnt, wartet die deutsche Fußball-Nationalmannschaft bereits seit 16 langen Jahren auf einen EM-Titel. Die Sehnsucht steigt, weil vor allem auch die spielerische Qualität vorhanden ist, um jeden Gegner dieses Turniers schlagen zu können. Mit beeindruckenden zehn Siegen in zehn EM-Qualifikationsspielen wurde sich als erstes Team souverän qualifiziert. Auch die EM-Gruppenphase wurde mit drei Siegen in den Spielen gegen Portugal, die Niederlande und Dänemark erfolgreich gemeistert. Ein Titel wäre für alle Beteiligten ein großer Erfolg, auch für die Marke Nationalmannschaft, wie Bierhoff bestätigen kann: „Für die Mannschaft wäre es eine große Bestätigung. Es wäre eine Auszeichnung für den deutschen Fußball. Die nationale Premium-Marke Nationalmannschaft wäre dann das Premium-Produkt in Europa. Im Blick auf die Vermarktung des Teams wäre es noch einmal ein Schub, weil Partner und Sponsoren sich dann mit dem ersten Titelgewinn seit 1996 schmücken könnten.“
Auf die Frage von „DFB.de“, was solch ein Erfolg bei ihm persönlich aussehen würde, sagt er: „Absolute Zufriedenheit. Und es wäre auch für mich die Belohnung von acht Jahren Arbeit, die wir in dieses System investiert haben.“

Quelle: team.dfb.de
Autor: Henning Klefisch
Schlagworte: Deutschland; DFB-Team; Bierhoff; Löw; Köpke
Datum: 22.06.2012 19:26 Uhr
Url: http://www.3-liga.com/news-fussball-bierhoff-moechte-seine-belohnung-haben-1779.html
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