Badstuber: „Der Hunger auf den Titel wächst“

Holger Badstuber ist der Spieler im Kader der deutschen Nationalmannschaft, der vielleicht den größten Sprung seit der WM 2010 erlebt hat. Früher war er noch Linksverteidiger und lief oft hinterher. Mit Grauen erinnern sich einige deutsche Fans an das zweite Gruppenspiel gegen Serbien, als Gegenspieler Krasic ihn regelrecht schwindelig gespielt hat. Fortan konnte er beim Siegeszug des DFB-Teams nur noch von der Bank aus zusehen. In den letzten beiden Jahren hat er viel an sich gearbeitet. Er hat zugelegt, nicht nur an Muskelmasse. Vor allem Präsenz und Spielvermögen sind deutlich verbessert beim 23-jährigen Bayern-Spieler.

Im Gespräch mit „nw-online.de“ gibt er einen Einblick in seine Gefühlswelt einen Tag vor dem eminent wichtigen Duell gegen den Erzrivalen aus den Niederlanden.
So bilanziert er das Auftaktspiel, welches nur mit einer gehörigen Portion Glück schmeichelhaft mit 1:0 gewonnen wurde: „Ich bin sehr erleichtert, dass wir gewonnen haben. Obwohl wir Bayern-Spieler eine kürzere Vorbereitung hatten, war ich froh, dass das Turnier für uns angefangen hat. Insgesamt habe ich ein gutes Gefühl, weil wir gegen eine super starke Offensivmannschaft mit Spielern wie Ronaldo oder Nani zu null gespielt und das Ding gewonnen haben. Das zählt. Andererseits: Wir können uns noch steigern. Je mehr Spiele wir machen, desto besser kommen wir in den Rhythmus.“

Viel wurde im Vorfeld dieser Europameisterschaft darüber diskutiert, dass die Defensive letztlich der Schlüssel zum Erfolg sein wird. Viele Medienvertreter machten sich Gedanken, wer neben dem als gesetzt geltenden Holger Badstuber in der Innenverteidigung verteidigen soll. Wenige Stunden vor dem Spiel sickerte durch, dass nicht der langjährige Stammspieler Per Mertesacker, sondern Dortmunds Doublesieger Mats Hummels von Beginn an spielen wird. Dazu erklärt Badstuber gegenüber der Neuen Westfälischen folgendes: „Bei einer Europameisterschaft ist es sehr, sehr wichtig, dass man einen Partner hat, mit dem man schon häufiger zusammengespielt hat. Das trifft sowohl auf Per Mertesacker als auch auf Mats Hummels zu. In der Abwehr darf man sich keine Fehler und keine Unstimmigkeiten erlauben, denn ein Tor kann entscheidend sein. Deswegen muss man kompakt stehen, sich gut absprechen und ein Vertrauen aufbauen – das geht nur, wenn man häufiger zusammenspielt.“

Die für seine Verhältnisse vielen Foulspiele beschreibt er wie folgt: „Ich bin ein Spieler, der versucht ohne Fouls auszukommen. Andererseits bin ich auch Verteidiger. Da schadet es gar nicht, wenn man mal zupackt.“

Experten wie Fans waren nach dem Spiel gegen Portugal schwer enttäuscht von der spielerischen Darbietung, vor allem in der Offensive. Wenig Mut im Spiel nach vorne, kaum Präzision und Entschlossenheit. Vieles blieb Stückwerk im Team von Bundestrainer Joachim Löw. Angesprochen, ob dieses EM-Auftaktspiel nicht ein Rückschritt gewesen ist, antwortet Badstuber: „Aber die Grundvoraussetzung für unser Spiel ist doch, dass die Defensive gut steht. Nach vorne haben wir unglaubliche Möglichkeiten und super Spieler mit vielen guten Ideen. Dass man das im ersten Spiel noch nicht so gesehen hat, darf uns nicht belasten. Da brauchen wir keinen Druck aufbauen, wir wissen um die enorme Qualität unserer Offensive.“

Immer wieder gab es Gerüchte, dass Deutschland den vierten Titel in diesem Jahr verdienen würde. Schon Sechszehn lange Jahre ist es her, dass die deutsche Fußballnationalmannschaft den letzten Titel geholt hat. Die letzten Turniere waren stets der Beleg dafür, dass Deutschland zur internationalen Spitze gehört, aber noch etwas fehlt, um auch einen Titelgewinn feiern zu können. So wurde bei den vergangenen Weltmeisterschaften 2006 und 2010 jeweils der dritte Platz bejubelt. Bei der WM 2002 wurde man ebenso Zweiter, wie bei der EM 2008. Irgendwie ist Deutschland jetzt dran. Badstuber kann „nw-online.de“ bestätigen, dass auch die Mannschaft sich nach einem Titel sehnt: „Nach dem Auftaktspiel hat man gespürt, wie jedem ein Stein vom Herzen gefallen ist. Jetzt wächst der Hunger. Er ist da, ich spüre ihn. In der Mannschaft ist auch deutlich zu sehen, wie jeder für den Titel an einem Strang zieht. Aber das geht nur, wenn wir immer von Spiel zu Spiel denken. Nur dann sind wir stark.“

Einen kleinen Ausblick gibt er noch auf das vorentscheidende Spiel gegen die Niederlande, wo sich die deutsche Nationalmannschaft schon vorzeitig für das Viertelfinale qualifizieren kann, aber ebenso ein absolutes Finalspiel gegen Dänemark haben könnte. Für die Niederlande ist es die letzte Chance. Ein Sieg muss unbedingt her für Oranje Boven. Dazu kann der Führungsspieler folgendes der Neuen Westfälischen erklären: „Zunächst: Ich freue mich darauf, das ist ein Prestigeduell und es geht um einiges. Durch die Niederlage gegen Dänemark hat die Niederlande einen enormen Druck. Wir hingegen können mit einem Sieg einiges klar machen. Deshalb wird es heiß hergehen und mit Sicherheit ein interessantes Spiel werden.“

Man kann nur hoffen, dass die DFB-Kicker eine enorme Leistungssteigerung hinlegen. Mit solch einer spielerisch dürftigen Vorstellung wie gegen Portugal wird es eine Niederlage geben. Die Holländer werden hochmotiviert sein, denn das letzte Testspiel hat Deutschland mit 3:0 gewinnen können.

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