Arne Friedrich: „Für mich ist Deutschland der Top-Favorit“


Hinsichtlich der Gruppen für die kommende Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien ist bereits einiges geklärt. Deutschland bekommt es in der Gruppenphase mit Portugal, Ghana und den USA zu tun. Zudem ist das Quartier bereits auch ausgewählt und auch der Kader scheint zu großen Teilen bereits zu stehen. Im Gespräch mit „www.dfb.de“ äußert sich nun der 82-malige Nationalspieler Arne Friedrich zu den Aussichten des DFB-Teams. Beim letzten Weltturnier 2010 in Südafrika war der gebürtige Ostwestfale einer der großen Überraschungen und Leistungsträger zugleich.

Arne Friedrich: „Für mich ist Deutschland der Top-Favorit“
Bild: dfb.de
Vertrauen des Bundestrainers machte ihn bei der WM 2010 so stark

Zwischen 2004 und 2010 hat er zahlreiche Turniere als Stammspieler im Defensivbereich absolviert. Seine zweifelsfrei beste Performance konnte beim letzten Turnier in Südafrika abliefern, als er sämtliche sieben Partien von der ersten bis zur letzten Minute absolvierte und beim 3:0 gegen Argentinien zudem seinen ersten Treffer im 77. Länderspiel erzielte. Einige Experten waren sogar überzeugt davon, dass der langjährige Kapitän von Hertha BSC sogar mit dem Prädikat „Weltklasse“ geadelt werden kann. Der Gelobte selbst nennt nun mögliche Gründe für diese beachtlichen Leistungen auf dem Platz: „Ich durfte als Innenverteidiger spielen, nicht auf der rechten Seite, wie die Jahre zuvor. Ansonsten ging der WM ein schwieriges Jahr voraus. Als ich nach Afrika flog, war ich gerade mit Hertha BSC abgestiegen. Doch der Bundestrainer hatte meine Leistungen in der Vorbereitung gesehen und schenkte mir sein Vertrauen.“ Wie bereits erwähnt, hat er mit dem Hauptstadtklub den ersten Bundesliga-Abstieg seiner Karriere hinnehmen müssen. Um vor dem Weltturnier Sicherheit zu erhalten, hat er bereits vor dem Turnier seinen Vertrag beim VfL Wolfsburg unterschrieben.

„Mein Selbstvertrauen wuchs von Spiel zu Spiel“

Solch einen Abstieg als langjähriger Kapitän mitzuerleben, ist zweifelsfrei nicht gerade leicht gewesen. Friedrich macht kein Geheimnis daraus, dass dieser sportliche Schicksalsschlag für ihn nur sehr schwer zu verkraften gewesen ist: „Klar, ich hatte acht Jahre in Berlin gespielt, der Abstieg hatte mich sehr traurig gemacht. Wir haben damals 20 Niederlagen eingefahren, wurden ziemlich deutlich Tabellenletzter. Kritik wurde massiv beim Hertha-Kapitän abgeladen. Für mich war es ein echt langes Jahr, der Druck war immens. Kurz vor der WM aber, als der Wechsel feststand, fühlte ich mich eigentlich eher erleichtert. Ich kam dann sofort gut in die Zweikämpfe, mein Selbstvertrauen wuchs von Spiel zu Spiel.“

„Michael hätte uns sicher geholfen“

Nach einem bösen Foulspiel von Kevin-Prince Boateng ist mit Michael Ballack der unumstrittene Führungsspieler für die WM 2010 ausgefallen. Friedrich hat jedoch nun deutlich gemacht, dass die Nationalmannschaft diesen Ausfall sehr gut verkraften konnte: „Sehr gut, das hat man dann ja gesehen. Michael hätte uns sicher geholfen, vielleicht gerade auch im Halbfinale gegen Spanien. Aber insgesamt hat die Mannschaft die Sache hervorragend kompensiert. Philipp wurde Kapitän, die Verantwortung im Mannschaftsrat auf mehrere Spieler verteilt.“

„Khediras Rückkehr in die Mannschaft ist sehr, sehr wichtig“

Nun droht mit Sami Khedira Ballacks direkter Nachfolger mit einem Kreuzbandriss für das Turnier in Brasilien auszufallen. Beim Testländerspiel in Mailand gegen Italien hat sich der Spieler von Real Madrid diese schwere Verletzung zugezogen. Friedrich hat die Problematik durch den wahrscheinlichen Ausfall des Leistungsträgers bereits erkennen können: „Mit Sami Khedira ist jetzt ein unglaublich wichtiger Spieler ausgefallen. Er hat eine sehr starke Präsenz auf dem Platz, er hat technisch viele Möglichkeiten, kann aber auch mal dazwischen hauen und robuster einsteigen. Er deckt während eines Spiels eine große Fläche ab. Khedira ist sehr laufstark, und, wichtiger noch, sehr willensstark. Seine Rückkehr in die Mannschaft ist sehr, sehr wichtig. Auch bei den Temperaturen in Fortaleza und Recife wird unsere Mannschaft seine Willenskraft dringend brauchen. Gerade dieser Wille wird Sami aber auch helfen, rechtzeitig für die WM fit zu werden.“

„Per ist nicht nur ein starker Spieler, sondern auch ein wahnsinnig netter Kerl“

Bei der WM 2010 waren Arne Friedrich und Per Mertesacker ein starkes Innenverteidigerpärchen. Bei der letzten EM 2012 in Polen und der Ukraine musste Mertesacker mit der Ersatzbank Vorlieb nehmen. Derzeit hat er sich den Stammplatz wieder zurückerobern können. Friedrich ist erfreut über die positive Entwicklung seines langjährigen Mitspielers in der Nationalmannschaft: „ Pers Wechsel zu Arsenal London war ein wichtiger Schritt. Arsene Wenger ist ein ganz großer des Trainerfachs. Mit Wengers Hilfe hat Per sein Spiel noch mal weiter entwickelt, seine Fähigkeiten auf und neben dem Platz. Er ist ohnehin nicht nur ein starker Spieler, sondern auch ein wahnsinnig netter Kerl. Per ist seit fast zehn Jahren in der Nationalmannschaft, war eigentlich immer gesetzt. Diese kleine Schwächephase hat doch fast jeder Nationalspieler irgendwann…okay, bis auf Philipp Lahm.“

Friedrich erklärt die Wichtigkeit einer guten Unterkunft

In den Medien wird in diesen Tagen enorm viel über das Quartier der deutschen Nationalmannschaft gesprochen. Friedrich betont ausdrücklich, dass der äußere Rahmen für den Wohlfühlcharakter stets stimmig sein muss. Er begründet dies wie folgt: „Man ist so viele Tage am Stück zusammen, da ist es schon zu empfehlen, eine Atmosphäre für die Spieler zu schaffen, in der man sich wohlfühlt. Es kommt der Tag, an dem jeder mal den Kopf frei bekommen muss und mal nicht an Fußball denken will. Abwechslung ist wichtig, mal die Routine durchbrechen. Dafür muss das Hotel Möglichkeiten bieten. Wir hatten damals wirklich alles an Sport- und Freizeitmöglichkeiten. Immer wieder gab es Angebote, Veranstaltungen, auch außerhalb des Hotels. Nein, in dieser Beziehung sind der DFB und besonders Oliver Bierhoff bis ins Detail vorbereitet. Das läuft gut.“

„Ghana ist einfach schwer zu spielen“

Eine echte Nervenschlacht war nach der 0:1-Niederlage im zweiten Gruppenspiel gegen Serbien die dritte und letzte Partie gegen Ghana. Friedrich kann sich noch erinnern: „Das war ein Spiel auf Messers Schneide. Ich wusste, dass es sehr eng wird und ich weiß noch, wie hochkonzentriert ich beim Anpfiff war. Mesut Özil macht das 1:0 in der 60. Minute. Es gibt dieses Foto von mir, direkt nach dem Abpfiff, auf den Knien, geballte Fäuste. Da mussten die Emotionen schon raus. Es war schon sehr knapp. Ghana ist einfach schwer zu spielen. Mit Kevin Prince Boateng haben sie einen überdurchschnittlich talentierten Spieler. Er wird hoch motiviert in dieses Bruderduell gehen. Asamoah Gyan, der 2010 im Sturm spielte und wohl auch in Brasilien dabei sein wird, ist sicher noch ein absoluter Aktivposten. Leicht wird’s nicht. Andererseits hat unsere Mannschaft die Qualität, jeden Gegner zu besiegen.“ Und er fügt noch weiter hinzu: „Wir mussten in Johannesburg vor 80.000 Zuschauern in einem entscheidenden Gruppenspiel antreten. Uns reichte ein Punkt, Ghana musste gewinnen oder auf fremde Hilfe hoffen. Es stand lange 0:0. Dem Druck standzuhalten, war nicht so einfach. Ein hartes Stück Arbeit.“

„Je besser der Gegner, desto mehr konnte ich mich in diese Aufgabe verbeißen“

Im EM-Viertelfinale 2008 gegen Portugal wurde der ehemalige Spieler der ostwestfälischen Vereine SC Verl und Arminia Bielefeld mit der wichtigen Aufgabe übertragen, dass er Cristiano Ronaldo vollständig ausschalten sollte. Diese Order hat ihm gefallen, wie er „dfb.de“ verraten hat: „Da machst Du Dir vorher Gedanken, ob alles gut geht. Ich fand das immer gut, die klare Order, einen Spieler komplett auszuschalten. Je besser der Gegner, desto mehr konnte ich mich in diese Aufgabe verbeißen. Das hat mir gelegen.“

Friedrich ist für Ribery als Weltfußballer 2013

Bald wird der Weltfußballer des Jahres 2013 gewählt werden. Auch hier werden Ronaldo ausgezeichnete Chancen eingeräumt. Friedrich macht jedoch deutlich, dass nur Bayern Münchens Franck Ribery für diesen Titel tatsächlich in Frage kommen könnte: „Nein, den Titel hat ein Bundesliga-Profi verdient. Die Liga hat sich nach ganz oben in Europa gearbeitet und Franck Ribéry hat eine absolute Weltklasse-Saison gespielt. Ich darf nicht abstimmen. Wenn ich dürfte, wäre es für Ribéry.“

„Wir haben ein ganz anderes Potential als die USA“

Nach dem eher verkorksten Gastspiel beim VfL Wolfsburg ist er nach Chicago in die USA gewechselt. Deshalb kann er den dritten Gruppengegner auch sehr gut einschätzen und ist überzeugt davon, dass Deutschland keine Schwierigkeit mit diesem haben wird: „Viele US-Nationalspieler sind doch eher nicht in der Major League Soccer unter Vertrag, da ist vielleicht Clint Dempsey von den Seattle Sounders der bekannteste. Jürgen Klinsmann holt sich seine Spieler aus anderen Ligen. Ich traue ihm sicher zu, aus diesem zusammen gewürfelten Haufen zur WM eine Mannschaft zu formen. Laufen und kämpfen können sie alle. Aber wir haben doch ein ganz anderes Potential.“

„Chicago war eine meiner besten Entscheidungen“

Viele Fußballer beginnen am Ende ihrer Profikarriere ein kleines Abenteuer, indem sie in fußballerisch eher zweitklassige Länder wechseln. Friedrich tat dies ebenso und hat diese Entscheidung keineswegs bereut: „Sicher eine meiner besten Entscheidungen. Für mich war das mit die schönste Zeit im Fußball. Dort wird sehr professionell gearbeitet. Ich habe die Sprache gelernt, neue Freunde gefunden und ich hatte mein Haus direkt am Lake Michigan. Chicago ist für mich eine der schönsten Städte der Welt.“ Der gebürtige Ostwestfale hat sich mittlerweile in der deutschen Hauptstadt Berlin niedergelassen. Trotzdem schätzt er die Lebensqualität in seiner amerikanischen Wahlheimat doch etwas höher ein: „Berlin ist meine Heimat, aber die Lebensqualität in Chicago würde ich dann doch noch mal höher bewerten.“

Nach Karriereende hat sich Friedrichs Gesundheitszustand um rund 80 Prozent verbessert

Wenige Monate nach der WM 2010 in Südafrika hat sich Friedrich einen Bandscheibenvorfall zugezogen. Seitdem war für ihn Leistungssport nur unregelmäßig möglich. Nach seinem Karriereende im Sommer 2013 bei Chicago Fire gab es jedoch eine klare Verbesserung bei ihm zu konstatieren, wie er nun deutlich macht: „Viel besser. Vor rund einem halben Jahr habe ich bei Chicago Fire aufgehört, seitdem hat sich mein Gesundheitszustand um rund 80 Prozent verbessert. Die noch bestehenden Probleme sind marginal.“

Friedrich lässt nun vieles auf sich zukommen

Auf die Frage, was für ihn zukünftig anstehen könnte, möchte er jedoch keine konkreten Angaben machen, da er sich momentan noch in einer Findungsphase befindet: „Momentan lerne ich Spanisch, das mache ich fünfmal die Woche, jeweils drei Stunden per Lerneinheit. Ich treibe mittlerweile wieder viel Sport. Den konkreten nächsten Schritt gibt es noch nicht. Das lasse ich auf mich zukommen.“

„Der Titel ist für Deutschland drin“

Natürlich darf die Frage auch nicht fehlen, welche Mannschaft denn die höchsten Chancen auf den Weltmeistertitel 2014 haben wird. Arne Friedrich glaubt an sein Heimatland und seine ehemaligen Teamkameraden: „Jogi Löw hat vor einigen Tagen gesagt, Brasilien sei für ihn aufgrund der klimatischen Bedingungen und des Heimvorteils der Topfavorit. Für mich ist Deutschland der Topfavorit. Die Mannschaft hat in den vergangenen Jahren immer wieder bewiesen, dass sie auf einem unglaublich hohen Niveau Fußball spielen kann. Natürlich gehört auch Glück dazu. Italien hat 2006 auch nicht nur überzeugt und wurde am Ende Weltmeister. Jetzt sind wir soweit. Der Titel ist drin.“

Quelle: dfb.de
Autor: Henning Klefisch
Schlagworte: Arne Friedrich, WM 2010, WM 2014, Deutschland, USA, Portugal, Serbien, Ghana, Michael Ballack
Datum: 17.12.2013 11:42 Uhr
Url: http://www.3-liga.com/news-fussball-arne-friedrich--%84fuer-mich-ist-deutschland-der-top-favorit%93-9571.html


Kommentare

Die Kommentar-Funktion wird momentan überarbeitet und ist in Kürze wieder verfügbar!

Für diese News ist leider noch kein Kommentar vorhanden.

Für den Inhalt des Kommentars ist der Autor verantwortlich. Die Kommentare spiegeln nicht die Meinung von 3-liga.com wieder.



Diese 3. Liga News könnten Sie ebenfalls interessieren


Demnächst bekommen Sie die News auch als Homepagetool für Ihre eigene Webseite.
Sie möchten auch News für 3-liga.com schreiben? Dann werden Sie Fan-News-Schreiber. Mehr Informationen dazu bekommen Sie hier.