Aki Schmidt: „Finale hat für den deutschen Fußball eine große Bedeutung“


Es gibt zahlreiche Texte, die einen Vorgeschmack auf das wahrscheinlich größte Spiel im deutschen Klubwettbewerb wecken wollen. Das samstägliche Champions League-Finale zwischen Borussia Dortmund und dem FC Bayern München spaltet Fußball-Deutschland. Um einen authentischen Eindruck von diesem kontinentalen Endspiel zu erhalten, führt „DFB.de“ ein Gespräch mit Alfred Schmidt, der mit Borussia Dortmund 1957 und 1963 die Deutsche Meisterschaft geholt hat und 1965 den DFB-Pokal. Den unweigerlich größten Triumph erreichte er jedoch mit dem Sieg im Europapokal der Pokalsieger im Jahr 1966. Dies war der erste europäisch Triumph eines Bundesligisten überhaupt.

„Wir sind die Nummer eins in Europa“
Zuletzt hat im Jahr 2011 eine deutsche Mannschaft mit dem FC Bayern München die Champions League gewinnen können. Nun steht schon fest, dass es definitiv wieder eine deutsche Mannschaft sein wird, die den wichtigsten europäischen Vereinswettbewerb für sich entscheiden kann. Die deutsche Bundesliga wird nicht nur wegen dieser Tatsache weltweit gelobt. Auch die DFB-Mannschaft profitiert sichtlich davon, wie „Aki“ Schmidt deutlich macht: „Das hat für den gesamten Fußball in Deutschland eine große Bedeutung. Wir sind die Nummer eins in Europa. Borussia Dortmund ist schon bekannt in der Welt, aber wird dadurch noch bekannter. Und unsere Spieler, die mit zur WM fahren, kriegen noch einen Schub, wenn sie Champions-League-Sieger werden.“

Teamgeist ist die große Gemeinsamkeit
Über die Parallelen zwischen der siegreichen Dortmunder-66er-Mannschaft und dem heutigen Team weiß er zu berichten: „Die Jungs heute sind natürlich viel schneller. Aber die Mannschaft ist in den letzten beiden Jahren gewachsen und kommt wie wir damals über den Teamgeist. Bei uns kamen ja fast alle direkt aus Dortmund, die Eltern waren richtige Malocher - das hat uns einen wahnsinnigen Zusammenhalt gegeben. Sigi Held war unser einziger "Ausländer". Der kam aus Offenbach, 200 Kilometer weit weg. Und Klopp heute ist ja authentisch, der könnte auch hier geboren sein.“ An die Spielweise von vor fast einem halben Jahrhundert kann er sich ebenfalls noch erinnern: „Sehr effektiv. Bei uns ging es nicht lange im Mittelfeld hin und her, wir waren ruckzuck vorm gegnerischen Tor. Wir haben damals schon in einem 4-3-3 gespielt, ganz vorne Stan Libuda als Rechtsaußen, Sigi Held Mittelstürmer, Lothar Emmerich links und ich zentral dahinter. Wir waren in der Spitze vorne die Kreativsten der Bundesliga, Herberger war begeistert von unserer Spielart.“ Und er erzählt interessante Geschichten über die damaligen Anfangsjahre der Dortmunder „Europa-Abenteuer“: „Wir hatten nach der Meisterschaft 1964 im Cup der Landesmeister unsere Europaerfahrungen gesammelt. Da sind wir im Halbfinale gegen Inter Mailand ausgeschieden, die damals eine Ausnahmemannschaft waren. Diese Erfahrung kam uns 1966 zugute. Wir hatten viel Erfahrung und viele Nationalspieler mit Hans Tilkowski im Tor, Theo Redder, Libuda, Held, Emma und mir.“

Vergleich zwischen 1966 und heute
Ähnlich wie 1966 gegen den FC Liverpool und 1997 gegen Juventus Turin sind die Dortmunder auch in diesem europäischen Endspiel Außenseiter. Über die Ausgangslage vor dem Endspiel im Londoner Wembleystadion kann er sagen: „Der BVB ist jetzt auch wieder Außenseiter. Außenseiter sein - das liegt uns. Vielleicht liegt das an der Mentalität, an unserem ganzen Verein und den Fans. Die wollen gar nicht, dass man haushoher Favorit ist. Sollen die da unten im Süden ruhig auf den Putz kloppen. Das Volk hier ist bescheiden und immer bescheiden geblieben. Liverpool war damals die Topmannschaft in England und sehr überheblich. Der Trainer Bill Shankly hatte uns vorher nicht einmal beobachtet. Die Mannschaft kam uns entgegen. Wir kamen vom Spielerischen, die kamen von der Kraft und vom Tempo. Ausspielen konnten sie uns nicht.“ Solche besonderen Ereignisse bleiben immer ganz besonders in der Erinnerung. Schmidt bildet dabei keine Ausnahme, denn auch er kann sich noch genau an die damaligen Treffer zum 2:1-Sieg erinnern: „Das erste Tor von Sigi Held war aus einem Konter heraus. Ich hatte Emma auf der linken Seite angespielt, der kam gut vorbei und brachte eine Maßflanke auf Sigi Held, der den Ball direkt nahm. Das 1:1 durfte eigentlich nicht gegeben werden, weil der Ball vor der Flanke im Aus war. Beim 2:1 in der Verlängerung hat Libuda den Ball an den Innenpfosten geschossen, ein Engländer ist mit dem Ball ins Tor gefallen, ich weiß gar nicht, ob der sonst reingegangen wäre. Danach kamen die schlimmsten acht Minuten meines Lebens. Die Liverpooler haben uns noch schön in die Mangel genommen. Was wir da alles rausgedonnert haben. Wir haben’s dann über die Zeit gebracht - Wahnsinn!“

Historische Feierlichkeiten
Dortmund gilt bekanntlich als extrem fußballbegeisterte Stadt, die ihre lokale Borussia sehr innig in ihr Herz geschlossen hat. Die große Intensität der Begeisterung ist auch für den heutigen Stadionführer von Borussia Dortmund unvergessen: „Der war wie noch nie - bis heute. Was sich da abgespielt hat, da war ganz Dortmund unterwegs. Wir sind in Köln gelandet, schon am Flugzeug standen die Leute, das ist normal gar nicht möglich. Die ganze Autobahn von Köln bis Dortmund war von Menschen übersät. Dann sind wir in Dortmund rein, zum Borsigplatz, da sind wir aus dem Bus in die kleinen offenen Autos umgestiegen und ein paar mal um den Borsigplatz herum. Dann ging es zum Friedensplatz, also zum Rathaus - das hat Stunden gedauert. Wir kamen überhaupt nicht durch.“ Die Stimmung hatte fast schon südländische Dimensionen, wie sich Schmidt erinnern kann: „Die war riesig. Uns haben sie die Klamotten vom Leib gerissen. Wir waren am Tag nach dem Spiel natürlich richtig kaputt, ich hatte die Nacht überhaupt nicht geschlafen, weil ich einen Schlag gegen den Kiefer bekommen hatte. Der Kiefer stand etwas schief, und ich konnte gar nichts essen, sondern nur trinken - und das war gut so.“

Kosteten Europapokalfeierlichkeiten die Meisterschaft
Der Krieg war gerade einmal rund 20 Jahre vorbei. Ein echtes Bewusstsein für den Stolz war noch nicht ganz so stark ausgeprägt. Dennoch erhielten die Dortmunder-Spieler bundesweit eine enorme Anerkennung, die sich letztlich kontraproduktiv auf die Leistungsfähigkeit im Rennen um die Deutsche Meisterschaft ausgewirkt hat: „Wir waren die Könige. Das war ja das Schlimme dabei, das man uns in den Himmel gehoben hat. Wir kamen überhaupt nicht mehr runter. Wir hatten ja noch die deutsche Meisterschaft vor der Brust. In Dortmund haben wir gegen 1860 München 0:2 verloren. Das Spiel hätten wir normal nie verloren. Aber wir kamen überhaupt nicht mehr zur Ruhe. Bei mir war jede Nacht Zirkus. Da kamen die Fans aus der Kneipe, haben uns wach gemacht - und dann musstest du noch ein Bier oder einen Wein ausgeben. Da war die Hölle los, das war unglaublich.“ Die Prämie war für heutige Verhältnisse absolut bescheiden. Für die damaligen Zeiten war diese Summe fast schon eine Sensation, wenn man dies mit den Gehältern in der Bundesliga verglichen hat. So erinnert sich der heute 77-Jährige: „6000 Mark Gewinnprämie. Das war damals gut. Liverpool hätte 15.000 gekriegt, das haben wir alles gewusst. In der Bundesliga gab es damals 1200 Mark im Monat. Ich habe mehr gekriegt, weil ich 25 Länderspiele hatte. Auch die anderen Nationalspieler - Libuda, Held, Emmerich, Ridder, Tilkowski - haben mehr gekriegt.“

Emotionale Abschiedsrede für Sepp Herberger
Als Leistungsträger beim deutschen Spitzenverein Borussia Dortmund hat Schmidt auch in der deutschen Nationalmannschaft eine herausragende Position spielen dürfen, wie er bestätigen kann: „Nur gute, natürlich! Ich habe damals als Kapitän der Nationalmannschaft die Abschiedsrede von Sepp Herberger halten dürfen. Da sind mir schon die Tränen gekommen. Ich war einer seiner Freunde, er hat mich öfter angerufen, war bei mir zu Hause zu Besuch und ich bei ihm. Herberger war für mich wie ein väterlicher Freund.“

Schmidts-Akkordeon-Solo
Der Song „Rubbeldikatz am Borsigplatz“ war 2011 das Meisterlied von Borussia Dortmund. In diesem hat er das Akkordeon spielen können. Über die Bedeutung dieses Musikinstruments bei früheren Spielen mit dem DFB-Team hat er folgendes zu berichten: „Nicht immer. Herberger hatte mal den Wunsch geäußert, ich solle doch das Akkordeon mitnehmen. Er hat mir dann auch von sich aus eins geschenkt, damit ich meins nicht mitzunehmen brauchte. Er hat immer gerne gemeinsame Lieder gesungen, das hat der Mannschaft noch mal einen Impuls gegeben. Bevor wir zum Training fuhren oder zurückgekommen sind, habe ich dann gespielt. Fritz Walter und Hans Schäfer wollten damals immer die gängigen Lieder hören, unter anderem "Hoch auf dem gelben Wagen". Herberger mochte besonders gerne "Fliege mit mir in den Himmel“.“

Quelle: dfb.de
Autor: Henning Klefisch
Schlagworte: Aki Schmidt; Borussia Dortmund; FC Bayern München; Champions League Finale
Datum: 22.05.2013 20:54 Uhr
Url: http://www.3-liga.com/news-fussball-aki-schmidt--„finale-hat-fuer-den-deutschen-fussball-eine-grosse-bedeutung“-5637.html


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