1899 Hoffenheim und die Gleichgültigkeit eines Abstiegs


Die TSG 1899 Hoffenheim hat es schon wieder getan. Verloren. Diesmal mit 0:1 im Derby gegen den VfB Stuttgart. Insgesamt gab es das bittere Erlebnis einer Niederlage nun schon zum 14. mal, bei jeweils vier Siegen und Remis. Eine enttäuschende Bilanz für einen Verein, der vor der Saison sogar von der Champions League als klares Ziel gesprochen hat. Doch die Zeiten haben sich beim Kraichgau-klub gewaltig verändert. Das eigentliche Problem an dieser Angelegenheit ist jedoch, dass die Fans von dieser Problematik nur rudimentär Notiz nehmen, denn selbst das Derby gegen Stuttgart war bei weitem nicht ausverkauft.

So richtig Mitgefühl zeigen auch viele Fußballfans in der Bundesrepublik nicht mit dem Verein, der viel Geld durch den gönnerhaften Mäzen Dietmar Hopp in den Verein gesteckt hat und dem es an Identität und vor allem an Tradition mangelt.
Hoffenheim scheint in einer tiefen Sinnkrise zu stecken. Ein Abstieg würde sogar einige Fußballfans freuen, denn Hoffenheim scheint für „richtige Fußballfans“ der Inbegriff des kommerziellen Fußballs zu sein. Bekanntlich liegt die TSG mit einem bescheidenen Zuschauerschnitt von rund 25.000 pro Spiel auch in diesem Ranking auf einem der unteren Ränge. Auch auswärts ist der Gästeblock von Hoffenheim meistens nur spärlich besucht, sodass Auswärtsspiele der TSG meistens nur ein einseitiges Stimmungsbild erzeugen können. Insgesamt stellt sich die Gesamtsituation als überaus trostlos dar.
Viele Kritiker bemängeln bei der TSG auch, dass ein richtiges Konzept nicht zu erkennen zu sein scheint. 2007 ist das Team von Erfolgstrainer Ralf Rangnick in die 2. Bundesliga aufgestiegen. Schon damals predigte der allmächtige Hopp, dass mit talentierten Kickern aus der Region eine hohe Identifikation hergestellt werden sollte. Der SC Freiburg oder auch Mainz 05 dienten explizit als Beispiel. Die Konsequenz war jedoch, dass für viele Millionen Brasilianer wie Luis Gustavo und Carlos Eduardo sowie Afrikaner wie Demba Ba und Chinedu Obasi verpflichtet worden sind. Der direkte Wiederaufstieg gelang und die sofortige Herbstmeisterschaft als Aufsteiger, wo mit attraktivem, modernem Fußball sogar europaweit die Aufmerksamkeit auf den kleinen, aufstrebenden Verein aus dem 3000 Seelen-Ort gelenkt worden ist. Dies hat sich bekanntlich massiv geändert, denn schon seit der Rückrunde 2008/09, wo letztlich nur ein 7. Tabellenplatz herausgesprungen ist, gibt es einen klaren Abwärtstrend zu verzeichnen. Seitdem herrscht tristes Mittelmaß bei 1899.
Auch vor dieser Spielzeit wurde viel Geld in die Hand genommen und Spieler wie Tim Wiese, Eren Derdiyok, Takashi Usami oder Kevin Volland konnten in den Kraichgau gelockt werden. So richtig Erfolg bringen konnte jedoch keiner dieser prominenten Neuzugänge und so steckt der unscheinbare Verein in der Nähe von Sinsheim ganz tief im Abstiegssumpf. Bei zehn Punkten Abstand auf einen Nichtabstiegsplatz scheint ein direkter Klassenerhalt nahezu utopisch zu sein. Einzig das Verteidigen des Relegationsplatzes dürfte als realistisch eingeschätzt werden. Dies dürfte bei Betrachtung der momentanen Leistungsfähigkeit jedoch sehr kompliziert werden, da auch die unmittelbare Konkurrenz aus Augsburg sich leistungsstark präsentiert.
Erst mal muss die seltsam schwache Vorstellung bei der 0:1-Heimniederlage gegen den VfB Stuttgart aufgearbeitet werden. Immerhin gab es nun durch die beteiligten Vereinsverantwortlichen wie Spieler offene Worte. So kritisierte Spielführer Andreas Beck sein Team ganz direkt und sprach von einem „unfassbar fehlerhaften“ Auftreten. Auch der meinungsfreudige Manager Andreas Müller konnte sich die „unterirdische Leistung“ nicht erklären. Viel wurde vor diesem überaus wichtigen Spiel von einem Krisengipfel beim Landes-Duell gesprochen. Ohne Leidenschaft, ohne Selbstbewusstsein und mit ganz wenig mannschaftlicher Geschlossenheit präsentierte sich der kontrovers diskutierte Verein, der sein eigenes „Ich“ zu suchen scheint.
Allein die Tatsache, dass schon nach drei Spielminuten nach einer wunderschönen Flanke von Mittelfeldmann Traore der Siegtreffer nach einem Kopfball von Martin Harnik gefallen ist, hat dafür gesorgt, dass der Frust bei 1899 tief sitzt. Trainer Marco Kurz sprach gar davon, dass so etwas „nicht zu entschuldigen“ sei. Realismus predigt Kurz für den das kommende Auswärtsspiel in Augsburg von einer großen Bedeutung zu sein scheint. Erst einmal nahmen die Beteiligten jedoch noch einmal explizit Stellung zur Fehlleistung gegen den schwäbischen Nachbarn. Kurz sprach von einem „richtig schlechten Spiel" nannte diese Partie eine „große Enttäuschung.“ Manager Müller formulierte es ein wenig offener: „Wenn nur ein, zwei Spieler Normalform bringen, dann kann man gegen den VfB nicht gewinnen.“ Und er fügte ehrlich hinzu: „Es gibt nichts mehr zu beschönigen.“ Auf die Fragen die Reporter, die wissen wollten, was denn nun zukünftig passieren müsse, gab er die Antwort: „Fragen Sie die Spieler. Qualität ist das, was man auf den Platz bringt." Seine Spieler spielten sich kaum Torchancen heraus und schienen die Ernsthaftigkeit des Abstiegskampfs noch nicht richtig begriffen zu haben.
Ganz anders hingegen war die Stimmung beim VfB, was auch der nimmermüde Mittelfeldspieler Christian Gentner gegenüber "morgenweb.de" deutlich machte: „Die Erleichterung ist natürlich riesig.“ Und zufrieden stellte er feste: „Wir sind jetzt aus dem Gröbsten raus. Das ist enorm wichtig für den Kopf." Womit er sicherlich Recht besitzt, denn wenn es zu einer weiteren Niederlage gekommen wäre, dann wäre der Abstiegskampf ein großes Thema beim schwäbischen Traditionsverein gewesen. Nun kann hingegen der Blick nach oben gerichtet werden. Das Selbstbewusstsein dürfte vor dem wichtigen Europa League-Spiel beim KRC Genk zumindest gesteigert worden sein. Auch eine diesjährige Europacup-Qualifikation scheint wahrlich keine Utopie zu sein. Kampfgeist und Einsatz stimmten beim VfB.
Mit nunmehr 28 Punkten nach 22 Spielen ist der Klassenerhalt durchaus mehr als realistisch. Hoffenheim kommt nur auf deren 16. Zuletzt hat die TSG sensationell sein Heimspiel gegen den SC Freiburg siegreich gestalten können. Nun muss man sich auf einen Dreikampf zwischen Hoffenheim, Augsburg und Fürth um den verbliebenen Relegationsplatz einstellen. Klar scheint hingegen zu sein, dass keine gewaltige Enttäuschungswelle bei den Fußballfans in der Bundesrepublik vorherrschen wird, wenn dieses Trio absteigen sollte. Mehr Freude dürfte jedoch über die wahrscheinliche Rückkehr von Traditionsteams wie Braunschweig, Hertha und Kaiserslautern aufkommen, denn dieses Zweitligatrio bringt euphorische Anhänger und eine bundesweite Popularität mit. Eigenschaften, die den Abstiegskandidaten der Bundesliga ein wenig abgeht. Große Bedeutung hat nun das kommende Spiel beim FC Augsburg für Hoffenheim. Dies hat auch Trainer Kurz erkannt, der gegenüber "morgenweb.de" erklärt. „Wir haben zu wenig Punkte. Wir müssen wieder aufstehen.“ Und er legt den Fokus auf das scheinbar vorentscheidende Spiel: „Da treffen zwei Teams aufeinander, die sich um den Relegationsplatz streiten. Es muss unsere Motivation sein, besser zu sein - weil wir den Anspruch haben Erste Liga zu spielen.“

Quelle: www.morgenweb.de
Autor: Henning Klefisch
Schlagworte: TSG 1899 Hoffenheim; Luis Gustavo; Carlos Eduardo; Demba Ba; Chindeu Obasi: Hopp; Kevin Volland; Ralf Rangnick; Marco Kurz; Martin Harnik
Datum: 18.02.2013 14:29 Uhr
Url: http://www.3-liga.com/news-fussball-1899-hoffenheim-und-die-gleichgueltigkeit-eines-abstiegs-4217.html


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